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Klappe halten

Dialog im Dunkeln wartet mit einem neuen Konzept auf. In New York gibt es das schon: Ein Mal die Woche bietet das Restaurant Eat in Brooklyn ein „Schweige-Menü“ an. Jetzt zieht Hamburg nach – mit einem Brunch im Stillen. Das Konzept von Dialog im Dunkeln setzt allerdings weniger auf innere Einkehr und besinnliches Essen als auf das Kennenlernen von Gebärdensprache und den Alltag von gehörlosen Menschen. Gäste sitzen schweigend an Achter-Tischen bei einem gemeinsamen Brunch. An jedem Tisch bedient eine gehörlose Servicekraft, kein Wort ist zu hören. Eine kurze Einführung in die Gebärdensprache soll dem Publikum helfen, miteinander nonverbal zu kommunizieren, Kaffee nachzubestellen oder nach der Toilette zu fragen. Sicher eine interessante Erfahrung. In New York liegt der Fokus auf dem Schweigen und auf dem vegetarischen Essen, nicht auf der nonverbalen Kommunikation. Der junge Restaurantbetreiber brachte die Idee von seinem Aufenthalt in einem buddhistischen Kloster mit. Wer das Schweigen bricht, muss vor der Tür weiteressen. Solche drakonischen Strafen erwarten die Gäste in Hamburg allerdings nicht.

TEXT: LISA SCHEIDE

 

I <3 Schanze

Die eigenen Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Chemie nicht stimmt. Schließlich haben die Bewohner eines Stadtteils schon mal eines gemeinsam: Sie wollen in genau dieser Hood wohnen. Dannie Quilitzsch und Nicole Hansen lieben ihr Schanzenviertel und schufen deshalb einen Treffpunkt für die Nachbarschaft, um gemeinsam eine schöne Zeit zu verbringen. Im Sommer 2013 luden sie erstmals zum Nachbarschaftsmarkt Hallo Frau Nachbar. Auch in diesem Jahr findet der Event im Innenhof des Alten Mädchens in den Schanzenhöfen statt, jeden ersten Sonntag des Monats von Mai bis September. Der Markt ist sowohl Treffpunkt zum Frühstücken, Mittagessen und Kaffeetrinken als auch eine Art Umschlagplatz für regionale und handgefertigte Produkte vom Armband bis zum Bio-Apfel. Roman Witt von der veganen Wohnküche Happenpappen, Jannes Vahl vom Verein Clubkinder e.V. oder Fabio Häbel von der Tarterie St. Pauli sind einige der Nachbarn, mit denen man hier gut ins Gespräch kommt.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Food-Karussell

Die Amerikaner haben’s erfunden, zwei junge Hamburgerinnen adaptieren die Idee: „Food Swaps“ sind Tauschbörsen für von Hand gemachte Leckereien. Die Freundinnen Yelda Yilmaz und Swantje Havermann suchten lange nach einer Plattform – um zu probieren, was andere kochen und dabei gleichgesinnte Handmade-Geeks kennenzulernen. Weil es bisher keine geeignete Veranstaltung in Hamburg gab, riefen sie selbst eine ins Leben. Bei ihrem Food Swap im Salon Wechsel Dich ist jeder willkommen, der mit etwas Selbstgemachtem über die Türschwelle schreitet – egal ob Marmelade, Aufstrich, Gebäck, eingemachtes Obst oder Gemüse, Käse, Honig oder Liköre. So läuft der Abend ab: Alle Teilnehmer bringen ihren kulinarischen Beitrag in mindestens fünffacher Ausfertigung mit. Dann sitzt die Gruppe zusammen, es wird gegenseitig probiert, und jeder stellt seine Speise vor. Zum Schluss werden Rezepte und Speisen getauscht. Ein Beispiel: Wer mit fünf Gläsern Rhabarber-Marmelade in den Abend startet, könnte mit einer Flasche Selbstgebranntem, einem Glas Chutney, einem Brot, sauren Gurken und geräucherter Forelle nach Hause gehen. Na, wenn das nichts ist?! Anmelden nicht vergessen.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Lager der Skurrilitäten

Seit einem Jahr gibt es die Hanseatische Materialverwaltung (HMV) bereits. Die gemeinnützige Institution verwahrt in ihrem großen Lager Requisiten und Kulissen, die Theater oder Filmproduktionsfirmen normalerweise weggeschmissen hätten. Diese Schätze, vom großen Sperrholzschiff bis zum alten Küchenherd, verleiht oder verkauft das Team an unterschiedliche Abnehmer: Schulen, Kitas, Studenten, Vereine… Der Preis ist abhängig von der Förderungswürdigkeit des empfangenden Projektes: Kommerzielle Nutzer zahlen die volle Summe, manche besonders zu fördernde Einrichtungen erhalten Gegenstände sogar kostenfrei. Die Differenz fließt als „Fördergeld“ in die Kulturszene zurück. Soweit zum Konzept – wer nun einmal im Lager der Skurrilitäten „Mäuschen spielen“ möchte, hat beim Straßenflohmarkt im Hamburger Oberhafen dazu Gelegenheit. Da trifft man auf überdimensionale Käselaibe oder echte Karussellpferde. Bei diesem Frühlingsfest der Hanseatischen Materialverwaltung gibt es außerdem leckeres Essen und Live-Musik.

TEXT: LENA FROMMEYER

 

Im Namen des Bieres

Das braut sich was zusammen: Die Veranstalter vom Holsten Brauereifest sind bei der Umsetzung ihres Themas äußerst konsequent: In sportlichen Volksfest-Disziplinen wie Bierkrugschieben, Flaschenangeln und Kastenstemmen wird am 3. und 4. Mai ein Sieger gekürt. Auch die „Weiterbildung“ soll nicht zu kurz kommen: Es finden Führungen durch die Brauerei und Bierverkostungen statt. Draußen, auf der Bühne, spielen unterschiedliche Musik-Acts: Headliner am Samstag ist die schwedische Indie-Rock-Band Friska Viljor. Zuvor spielt Pohlmann das Publikum schon mal warm, nach einer dreijährigen Pause veröffentlichte der Singer-Songwriter im Mai 2013 seine vierte Platte, Nix Ohne Grund. Achtung: Beim spontanen Besuch des Holsten Brauereifests ohne Programmcheck läuft man Gefahr, auf eine Westernhagen-Tribute-Band zu stoßen.

TEXT: LENA FROMMEYER

Sa 14–23, So 11-20 Uhr

 

Depressionsfetischist

Eigentlich lautet der Spruch doch: Optimismus ist nur ein Mangel an Information. Für sein aktuelles Soloprogramm hat der Hamburger Kabarettist und Slam-Poet Nico Semsrott (jawohl, das ist der blutarme Nerd mit dem Kapuzenpulli, der Ihnen sicher schon im Fernsehen oder dem Internet begegnet ist) die Phrase leicht abgeändert. Bei dem Endzwanziger ist es nun die „Freude“, die auf Informationsmangel beruht. Indizien und Beweise dafür liefert er in seiner Show, mit der er seit knapp zwei Jahren erfolgreich durchs Land zieht. Glücklich macht ihn der Erfolg angeblich nicht, im Gegenteil: Der Depressionsfetischist hält seine Beliebtheit für eine großangelegte Mobbing-Kampagne. Dennoch will er an seiner Mission fest halten, die Zahl der Depressiven in Europa in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Na dann, viel Glück dabei!

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Enterhaken klar?

Lange nicht mehr eine so amüsante Selbsteinschätzung gelesen: Die Kölner Band Schwule Nuttenbullen bezeichnet sich als „obszöner als dein YouPorn-Channel, korrupter als Silvio Blatter, abgezockter als die gesamte CSU-Landtagsfraktion, stumpfer als der Beat eines Dieter-Bohlen-Tracks und geschmackloser als ein Turbostaat-Refrain“. Okay, hier wird kein Blatt vor den Mund genommen und es riecht stark nach Punk… Um das Provokative an diesem Abend noch zu steigern, spielen die Schwulen Nuttenbullen gemeinsam mit einer weiteren Band, deren Name bei den meisten Menschen auch nicht gerade Feel-Good-Reflexe auslösen dürfte: Human Abfall kommen aus Stuttgart (ja, selbst dort soll es Punks geben) und beschreiben ihren Sound als den „Soundtrack für den modernen Tagedieb zur See von heute“. Wie passend, dass die beiden Krawall-Kapellen auf der Barkasse Claudia auftreten. Enterhaken nicht vergessen!

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Rot und schwul

Rotfloristen und schwul-lesbische Cineasten feiern am 3. Mai gemeinsam ihren jeweils 25. Ein Schulterschluss, der durchaus sinnvoll anmutet. Heutzutage hat ja jeder noch so konservative Spießbürger begriffen, dass man (auch wenn’s weh tut) nichts gegen Homosexuelle haben darf. Und selbst die Springer-Presse kann mittlerweile das Wort Gentrifizierung buchstabieren. Ende der 1980er sah das aber noch etwas anders aus. Schwule und Lesben waren im Stadtbild und in der lokalen Kulturszene noch kaum sichtbar. Und wer sich damals, zum Beispiel im Schanzenviertel, mit Stadtplanung, Wohnungsleerstand und Immobilien-Spekulation beschäftigte und diese kritisierte, galt bestenfalls als Spinner, wenn nicht schon als potentieller Krimineller. In beiden Fällen wurde mit bewundernswerter Beharrlichkeit wertvolle Bewusstseinsarbeit geleistet, und das zu einer Zeit, als noch mit wesentlich stärkerem Gegenwind zu rechnen war als heute. Wir gratulieren! Gefeiert wird der Doppelgeburtstag stilecht mit Sektbar, Filmchen, Schmink- und Spielecke sowie DÄNCEDÄNCEDÄNCE – unter anderem mit: Jay the Straight (Hamburg), Missy Lopes (São Paulo), Lakriz & Miss the Point (Bremen).

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Schwerer Schuljunge

Na, dieser Name kann für einen Rapper ja nur ironisch gemeint sein, oder? Tatsächlich soll Schoolboy Qs Künstlername aus einer Zeit stammen, als der heute 27-Jährige noch die Schulbank gedrückt hat und seine Noten gar nicht so schlecht gewesen sind. Dann aber verlor er das Interesse am Lernen, schloss sich einer Gang in L.A. an und begann, illegale Substanzen zu verkaufen, was ihm 2007 eine halbjährige Haftstrafe einbrachte und damit jede Menge Erzählstoff für die Raps seines ersten Mixtapes lieferte. Mit seinen ersten beiden Alben konnte sich Schoolboy Q den Top 100 der US-Album-Charts nähern. Das aktuelle Werk, Oxymoron, schoss schließlich gleich auf Platz 1. Schoolboy Qs Zeit scheint also gekommen zu sein. Mal schauen, ob er sich vor dem Hamburger Publikum in der Markthalle behaupten kann. Im Vorprogramm rappt Schoolboy Qs junger Label-Kollege Isaiah Rashad.

TEXT: MICHELE AVANTARIO

 

Konsequentes Chillen

Als der Gruenspan 1968 in Hamburg eröffnete, wunderten sich gestandene Live-Musik-Freunde über das dortige Unterhaltungsangebot: Die Musik kam vom Plattenteller, doch niemand tanzte, stattdessen lungerte das Publikum auf Matratzen herum und genoss die psychedelische Stimmung – und dafür sollte man auch noch Eintritt zahlen? Mittlerweile sind ja ein paar Jährchen vergangen, die Club-Kultur dominiert das Nachtleben, das Diktat heißt „Tanzen“. Umso bizarrer, dass ein Hamburger Kollektiv mit dem hippiehaften Namen The Magical Flying Love Lab es sich zur Aufgabe gemacht hat, „mit Musik und visueller Gestaltung Räume zu verzaubern und Gemütlichkeit zu erzeugen“. In der Astra Stube geht es am 2. Mai also ruhig und gesittet zu. Und sollte das Wetter „zu gut“ werden, um den ganzen Abend in einem geschlossenen Raum zu verbringen, könnte man ja darüber nachdenken, die P.A.-Boxen und Projektoren auf die Sternbrücken-Kreuzung richten …

TEXT: MICHELE AVANTARIO