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Okaese 2.0

Wenn man ehrlich ist, gibt es so einige Dinge, die einen an dieser Party zweifeln lassen. Es beginnt schon mit dem Namen. Okaese 2.0 ist weder Fisch noch Fleisch. Käse eben. Die Autorin hatte mal eine nervige Bekannte, die okäse anstelle von okay gesagt hat. Immer. Vielleicht deshalb die Abneigung. Dann wär da noch das Männchen im Trainingsanzug und mit Käse-Goldkette auf dem passenden Flyer. Es hat keinen Hals, dafür aufgerissene, durchfeierte Augen, und ist dabei, sich die bereits brennende Zigarette falsch herum in den Mund zu stecken. Cooles Artwork mit Abfuck-Garantie? Die Electro-Sause findet dann auch noch im Knust statt – dem Laden, der vor allem für rocklastige Livekonzerte bekannt ist.

Zur Krönung checkt man das Line-up und wirft alle Zweifel über Bord. Sid Le Rock kommt nämlich aus Berlin und der hat schon bei der Fusion und sonst wo auf der Welt Fans mit seinem Mix aus melodischem Techno und Electronic Shoegaze in Ekstase gebracht. Doch er kommt nicht allein. Eine verheißungsvolle Reihe von Berliner und Hamburger DJs namens Lemmon, Bodega, Yazz Ewok, The Hand und Gwen Wayne rahmt das Set von Sid ein. Vimak visualisiert den Konzertsaal zu guter Letzt in einen crazy Technoclub um. Dieser Abend wird also eindeutig mehr als Okäse 2.0 eben.

Text: Andra Wöllert

 

Fotomarathon Hamburg

„Nordisch by nature“ sind wir schönen in Hamburg lebenden Menschen nicht unbedingt alle, aber wir lieben und leben den Norden – deshalb sind wir ja hier (geblieben). Wer seine Liebe für die Hansestadt sowieso gerne in Bildern festhält, der ist vielleicht über den Fotomarathon gestolpert. Der funktioniert so: In 12 Stunden sollten 24 Aufnahmen für eine Serie gemacht werden. Rund 140 Hobby- und Profi-Fotografen folgten dem Ruf bei der vierten Ausgabe und haben Tausende Fotos gemacht und eingereicht. Schlappe 3.300 Einzelimpressionen werden nun für zwei Tage erstmals öffentlich gezeigt – natürlich unter dem Motto „Nordisch by nature“. Die Fotos tragen deshalb auch Titel wie Butter bei die Fische oder Kühles Blondes. Die schönsten Serien, die von einer Jury bestimmt wurden, werden außerdem am Samstagabend prämiert.

 

ByteFM schmeißt ’ne Party

Seit acht Jahren macht ByteFM musikjournalistisches Autorenradio, seit acht Jahren wählen die Autoren ihre Musik selbst aus. Automatisierte Songrotation können die andern, ByteFM kann wohlkuratierte Sendungen mit guten Platten aus allen Spielarten der Popwelt. Beethoven und Katy Perry bleiben draußen, Tame Impala, Alabama Shakes, Spoek Mathambo, Audiolith oder Skepta sind willkommen – so wie ihr an diesem Samstag. Weil der unabhängige, Grimme Online Award prämierte Internetradiosender nur einmal acht Jahre alt wird, schmeißt er ’ne Party und lädt alle Hörer ins Studio ein. Am frühen Abend kann unsereins also endlich mal die Moderatoren kennenlernen und eine Sendung live beobachten und am späten Abend gegenüber im Turmzimmer des Uebel & Gefährlich mit ByteFM-DJs wie Marcus Maack oder Eva Garthe feiern. Der Sender hat es selbst am besten zusammengefasst: „Kommt vorbei – dance dance dance dance dance to the radio!“

Text: awö

 

Joris

„Romantik ist für mich ein Mix aus schönen Erlebnissen und gleichzeitig ganz viel Traum. Es hat immer mit Bildern zu tun, die es ausschließlich im Kopf geben kann. Romantik ist deshalb eher ein Wunsch und ein Verlangen.“ So weit Joris‚ Definition von dem, was die Lieder des Sängers und Songschreibers ausmachen, nämlich eben jene nicht ganz greifbare Romantik. Die Musik des 25-jährigen Westfalen ist allerdings nicht nur niedlich und verträumt, sondern driftet nicht selten auch in Kitschgebiete ab. Joris benennt die Dinge rund ums Herz ganz direkt, und das ist teils sehr schlageresk. Dazu spielt er locker leichte Harmonien, vor allem am Klavier. Sein erstes Album Hoffnungslos Hoffnungsvoll, das im Frühjahr erschienen ist, ist der nahezu perfekte Soundtrack für alle, die gerade eine rosarote Brille zur Hand haben. Speziell die nach wie vor stark rotierende Radiosingle Herz über Kopf macht deutlich: Dieser Junge ist der neue Rosenkavalier im deutschen Pop – und vielleicht nach seinem Konzert im Uebel & Gefährlich auch eurer Herzen. Offiziell ist der Termin ausverkauft, im Facebook-Event wird aber schon fleißig um einzelne Tickets geschachert.

Text: Erik Brandt-Höge

 

The Prettiots beim Horrorbooty

Wer es mit gerade mal einer Handvoll Songs in Watchout!-Listen von Mags wie i-D oder Bullett schafft und mit seinem Auftritt beim SXSW in Texas eine Feature-Story in der New York Times rechtfertigt, muss gewaltig etwas am Start haben: Kay Kasparhauser, Rachel Trachtenburg und Lulu Landolfi sind das heiße Ding der Stunde. Die New Yorkerinnen wickeln ihre giftigen Texte über Jungs, Dates und Gleichberechtigung in zuckerwattesüße Indietunes – eine Spannung, mit der auch der Bandname The Prettiots spielt. Wir wünschen viel Spaß beim Dechiffrieren im Molotow. Da treten die drei Musikerinnen nämlich bei der schrecklich-schönen Horrorbooty auf. DJ Leni und Starry Eyes verwandeln den Laden danach wie gewohnt in einen Hexenkessel.

Text: Friedrich Reip

 

Heavy Lifting

Axel Bomann ist ein gefragter Künstler dieser Tage – als Solo Artist, als Kollaborationspartner (zum Beispiel mit John Talabot als Talaboman) oder als DJ in seiner Heimat Stockholm. Seinen Stil haben wir den Beschränkungen früher Computertechnik zu verdanken, als ihm sein Rechner regelmäßig abschmierte, wenn er mehr als sechs Spuren lud. Diese Reduzierung wurde sein Markenzeichen: ein melodischer, druckvoller Sound mit lustigen Samples wie dem herrlich durch den Wolf gedrehten Fleetwood-Mac-Track.

Auch alte Schule sind die Boys von Session Victim. Da wird noch fröhlich der Sampler gedrückt und, wenn’s fett werden soll, schon mal die Bassgitarre rausgeholt – nicht umsonst bezeichnen sich die beiden als Two Man House Band. Sicher ist, dass das ein sehr geiler Abend wird, unbedingt hingehen!

 

Abenteuer Deutschland

Afrika, Südostasien, Neuseeland – alles Sehnsuchtsziele, von denen man meint, sie bereisen zu müssen. Wir wollen da gar nicht widersprechen, die Vielfalt unseres Planeten ist der Hammer! Und dennoch sollte man vor lauter Fernweh nicht die Wildnis vor der eigenen Haustür ignorieren. Deutschland ist ebenfalls unglaublich.

Florian Wagner weiß das. Der Fotograf legte die 1.700 Kilometer von der Zugspitze bis nach Sylt im Sattel zurück – mit sechs Pferden, vier Freunden und einem Hund. Zurück ging’s mit dem Helikopter, den er selbst fliegen kann, ebenso wie den Gleitschirm. Beide Perspektiven zeigt er in seinem Abenteuer Deutschland am 30. Oktober im Rahmen der Vortragsreihe National Geographic präsentiert… als Live-Reportage in Hamburg.

Text: Lena Frommeyer

 

Aktion #96: Erbe

Man kann den aufrechten Gang vererben, politische Spannungen oder Dias von Geschlechtskrankheiten. Voraussetzung dafür ist das Ableben – eine verlässliche Komponente. Galia Kodsi und Wolfgang Oelze verweben in einem Laboraufbau diese und andere vermeintlich willkürlichen Motive. Bei näherer Betrachtung stellt man aber fest, dass der Libanon eine zentrale Rolle in der Versuchsanordnung spielt. Möglicherweise ein Hinweis auf die eigene Herkunft oder gar auf die Wiege der Menschheit an sich? Bilder präparierter Zellkulturen, befallen von diversen Krankheiten, bilden in psychedelischem Farbrausch das heitere Dekor für dieses mehrdimensionale Gewebe. Die Dias sind aus dem Nachlass eines Pathologen und künden selbst mahnend vom Tod, dem steten Quell des Erbes.

Aktion #96 im Ausstellungsraum 2025, nur am Freitag von 20-23 Uhr

Text: Georg Kühn

 

„Trilogie der Angst“

Angst gibt es in ähnlich vielen Varianten wie Kopfschmerzen. Theatermacher interessiert dieses Gefühl indes weniger als archaisches Warnsignal, sondern erst, sobald es mit einer Fantasiewelt verschmilzt: Wie in Woyzeck zum Beispiel, der von surrealen Ängsten zum Mord getrieben wird; Georg Büchners Textfragment bildet den ersten Teil der Trilogie der Angst im Monsun Theater, die das Institut für Schauspiel als Theatermarathon mit der Regie von Torsten Diehl auf die Bühne bringt. Teil zwei liefert Ein Traumspiel von August Strindberg und auch in diesem von Clemens Mägde inszenierten Stück dominiert eine zentrale Gestalt, die nicht aus dieser Welt stammt. Im Finale Ohne Verbindung schlägt erneut Torsten Diehl den Bogen zu den vorherigen Abenden: Als Autor und Regisseur fragt er danach, ob sich die Angst vieler Menschen potenziert oder ob die ängstlich Befallenen sich gegenseitig helfen könnten. Am 7.11. gibt es die einmalige Gelegenheit die gesamte Trilogie in einem Marathon zu sehen.

Text: Dagmar-Ellen Fischer

 

Überjazz Festival

Neben seinem Anteil in aktueller Popmusik, speziell im Hip-Hop, ist Jazz schlichtweg ein spannender wie entspannender Nährboden für große Projekte. Eines davon ist das Überjazz Festival, das auch in diesem Herbst wieder auf Kampnagel stattfindet. 20 ganz unterschiedliche Künstler nehmen die vier Kampnagel-Hallen ein, um ihre Musik in experimentellen, ja grenzenlosen Inszenierungen zu präsentieren. 2014 gab es den renommierten Hamburger Musikpreis HANS für die Überjazz-Organisatoren in der Kategorie Programmmacher des Jahres. Und auch jetzt, mit Teilnehmern wie dem Felice Sound Orchestra des Hamburger Komponisten und Arrangeurs Felix Behrendt, das auf Kampnagel auf Viktor Marek trifft (Samstag 21 Uhr KMH), ist dem Festival einiges zuzutrauen. Vor allem garantiert es die Verpuffung von Vorurteilen. Denn Jazz-Acts, das sind Musiker, die wahnsinnig viel können – und auch so klingen.

Text: Erik Brandt-Höge