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„Infam I + II“

Theatralisch-philosophisches Labyrinth der Mächte: Die Regisseurin Isabelle McEwen auf den Spuren von Michel Foucault – am 13. und 14. März im Lichthof Theater.

Versalien und ein Hauch von Anarchie begleiten Isabelle McEwens Werdegang. 2006 gewann sie mit ihrer Theaterarbeit Hure den ersten Preis beim Pornofilmfestival Berlin. Doch Nacktheit ist für die Regisseurin kein voyeuristisches Schmuddel-Vergnügen, sondern ein Mittel zur Gesellschaftskritik. Außerdem ist McEwen ein Fan von Foucault. Gleich zwei Abende lang spürt sie ganz im Sinne des französischen Philosophen Diskurse der Macht auf. Infam I erzählt von den Mächtigen, die im Namen von Freiheit und Demokratie die Weltbühne beherrschen. Infam II dreht sich um Gewalt und Herstellung von Ordnung. Zwischen Theater und Philosophie geht McEwen der Frage nach, wie in der Öffentlichkeit über die Mächtigen und die Machtlosen gesprochen wird, und ob es wahre Nachrichten geben kann. Foucault hätte wohl entschieden mit „Nein“ geantwortet, bei McEwen dürfen die Zuschauer womöglich eine eigene Antwort finden.

Text: Natalia Sadovnik

 

Haehnel und Müller

Zwei Bärte für ein elektronisches Sommertanzgewitter – ein Kölner Duo erhellt die dunklen Gemäuer des Kiezclubs Villa Nova.

Fallen die Begriffe Köln und elektronische Tanzmusik in einem Satz, folgt meist unmittelbar darauf der Name Kompakt. Das Label, das mit Michael Mayer und Wolfgang Voigt an der Spitze so ziemlich alles signte, was die Stadt am Rhein technoid für die Welt bereithielt und -hält. Seit 2010 muss man dieser Regel jedoch eine fast ebenso hartnäckige Ausnahme hinzufügen: Andhim. Fast zeitgleich mit dem Zusammenschluss der beiden Kölner Simon Haehnel und Tobias Müller schien das Duo aus der elektronischen Szene schon nicht mehr wegzudenken. Die Groove und die Raveline wählten sie synchron in ihre Top Ten der beachtenswertesten Newcomer, den Geheimtippstatus übersprangen sie leichtfüßig und spielten sich spätestens 2012 gemeinsam mit Super Flu und dem Track Reeves ins allgemeine Raver-Bewusstsein. Und dort haben es sich die beiden bärtigen Rheinländer richtig gemütlich gemacht. Den Hip-Hop als musikalisches Sozialisationsfeld im Rücken, samplen und produzieren sie sich ihren Sound zusammen, der irgendwo zwischen Beats im Geradeaus-Modus und metaphorischen Sommersonnenaufgängen schwebt – selbst in dunklen Gemäuern wie der Villa Nova.

Text: Miriam Mentz

 

Work In Progress

Wie wollen wir in Zukunft leben und arbeiten? Ein Kongress, bei dem die Musikerin Bernadette La Hengst und der Ökonom Jeremy Rifkin zu Gast sind, liefert Antworten.

Die Frage, wie wir leben wollen, ist untrennbar mit der verknüpft, wie wir eigentlich arbeiten wollen. Der Kongress Work In Progress versucht auf Kampnagel Antworten zu geben. Überschrieben ist die Veranstaltung mit dem Motto Der Wert von Arbeit – das kann individuell und gesellschaftlich gemeint sein und will auch so verstanden werden. Eröffnet werden die drei Tage zur Zukunft der Erwerbstätigkeit von einer „Diskursrevue“ zum Thema unterbezahlter Arbeit, Mitwirkende sind unter anderem Kultursenatorin Barbara Kisseler und die Musikerin Bernadette La Hengst (12. März, 20.00 Uhr). Die Keynote hält der US-amerikanische Soziologe, Ökonom und Bestseller-Autor Jeremy Rifkin, der in seinem aktuellen Buch Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft das Ende des Kapitalismus prophezeit (13. März, 10.30 Uhr). Netz-Bescheidwisser Sascha Lobo blickt in einem Vortrag zurück auf sein vor zehn Jahren erschienenes Buch Wir nennen es Arbeit, die Kultfibel der „digitalen Bohème“. Eines hat sich nicht geändert: Es sind spannende Zeiten.

Text: Michael Weiland

 

Two Gallants

Rock zwischen aufgerissenen Verstärkern und sanft gezupften Saiten – Adam Stephens und Tyson Vogel spielen im Uebel & Gefährlich.

Obwohl beide Jahrgang 1981 sind, machen Adam Stephens und Tyson Vogel schon seit über zwanzig Jahren zusammen Musik. In dieser langen Zeit entstanden gemeinsame Hirnverdrahtungen, die es so in keinem Laden gibt. We Are Undone lautet der Titel ihres fünften Albums als Two Gallants, einem nach einer James-Joyce-Kurzgeschichte benannten kalifornischen Duo, das in seiner kleinen Besetzung und der minimalen Instrumentierung aus Gitarre und Schlagzeug (plus ein bisschen Keyboard und Mundharmonika) so wendig wie vermutet ist, aber dabei so heavy klingt, dass man seinen Ohren kaum glauben mag. Blues, Folk, Country und Grunge werden hier grimmig und mit Wucht durch den Wolf gedreht – was dabei herauskommt, entzieht sich einfachen Kategorisierungen, ist aber – so viel steht auf jeden Fall fest – ziemlich laut und wunderbar intensiv.

 

Leviathan

Für den Oscar nominiert: Andrej Swjaginzews Polit-Thriller vom Polarkreis läuft ab 12. März in deutschen Kinos, unter anderem im 3001.

Wenn der Verkehrspolizist Pascha an seinem Geburtstag zum fröhlichen Scheibenschießen ins Grüne hinauszieht, versehen mit Wodka, Schaschlik und einer Kalaschnikow, hat er auch einen ganzen Satz großformatiger Bilder ehemaliger Staatenlenker unter dem Arm – Lenin, Breschnew, Gorbatschow –, die ihm als Zielscheiben dienen. Ein Bild seines aktuellen Dienstherrn befindet sich nicht darunter. Noch nicht, wie Pascha betont. Gleichwohl zielt der Film des russischen Arthouse- und damit Ausnahme-Regisseurs Andrej Swjaginzew (Die Rückkehr), der in Leviathan von Korruption und Machtmissbrauch in einer Kleinstadt an der Barentssee erzählt, auch auf den aktuellen Herrn des Kreml. Unübersehbar prangt dessen Konterfei an der Wand jenes Dienstzimmers, aus dem heraus der Bürgermeister Schelewjat hier ebenso selbstherrlich wie abgefeimt regiert. Als er jedoch den Automechaniker Sergejew um seinen gesamten Besitz bringen will, stößt er auf ernsten Widerstand … Leviathan besitzt inszenatorische Längen. Entschädigt wird man mit großartigen Landschaftsaufnahmen, die mit einer im westlichen Kino ungewohnten Naturmetaphorik die am Polarkreis obwaltenden Relationen zwischen Individuum und Staat offenbaren.

 

Feministische Avantgarde

Spannend, provokant und wegbereitend: Die Kunsthalle zeigt feministische Kunst der 1970er. Eröffnung ist am 12. März. Die Ausstellung läuft bis 31. Mai.

Mehr als 150 Arbeiten aus der Sammlung des österreichischen Stromunternehmens Verbund sind in der Schau zu sehen, die durch zehn europäische Städte tourt und belegt, dass diese Kunstbewegung Avantgarde war. Sie kehrte der Malerei den Rücken, nutzte stattdessen spontane Medien wie Fotografie, Video oder Performance, lehnte sich gegen die Darstellungsweise des weiblichen Körpers auf, gegen Idealisierungen und männliche Dominanz, zerrte das Private an die Öffentlichkeit. Den männlichen Blick im künstlerischen Visier forderte Valie Export in ihrem Tapp und Tastkino, das sie sich vor die Brust geschnallt hatte, Passanten auf, mit ihren Händen durch einen Vorhang zu greifen und so ihren nackten Busen zu betasten. Mierle Laderman Ukeles prangerte die monotone Hausfrauenarbeit an, indem sie 1973 die Treppen eines Museums schrubbte. Wie Männer breitbeinig im Bus sitzen und Frauen mit züchtig aneinandergepressten Knien, stellte Cindy Sherman in ihren Fotografien dar, während Annette Messager in Die freiwilligen Folterungen ihre Brüste mit Saugkelchen malträtierte. Die Themen der feministischen Avantgarde sind so vielfältig wie die Methoden, mit denen sie arbeitet, und reichen von der Küche bis in die Kunstwelt hinein.

Text: Sabine Danek

 

Nonne im Schlafsack

Von Kleidern, Kostümen und sakralen Gewändern: Die Hamburger Künstlerin und Mode-Designerin Gloria Brillowska stellt vom 12. bis 22. März im Westwerk aus.

Bereits als sie an der Armgartstraße Modedesign studierte, hat sich Gloria Brillowska vor allem dafür interessiert, was Kleidung jenseits von Mode sonst noch alles kann, für inhaltlich aufgeladene Couture, für Kostüme und sakrale Kleidung, dafür, welche Rolle sie in Mythen spielt, aber auch für das Objekthafte an ihr – und wie Kleidung als Körpergestaltung funktioniert. Jetzt zeigt die junge Künstlerin, die in einem kreativen Haushalt aufwuchs, in einer „kleinen Retrospektive“, wie sie die Ausstellung Nonne im Schlafsack im Westwerk nennt, ihre Arbeiten. Dazu gehören Objekte aus Textil, Bühnenoutfits von Felix Kubin und der Theatergruppe Jajaja, Zeichnungen, Kostüme, Kollektionen und auch ein Modefilm. Frischer Wind im Westwerk! – und dazu wird es zur Eröffnung Live Acts geben.

Text: Sabine Danek

 

Kraftklub

Kollektives Ausflippen steht mit den Überfliegern aus Chemnitz in der Sporthalle Hamburg an. Das Konzert ist bereits ausverkauft.

Tja, eines muss man den Jungs von Kraftklub lassen: Wenn schon Mainstream, dann bitte so, wie ihn die fünf Chemnitzer spielen. Seit ihrem Debüt Mit K (2012), auf dem sie Indie, Punk und Rap – oder besser: Sprechgesang – zu einem wilden und juvenilen Mix verwurstet haben, geht’s nur steil bergauf mit ihnen. Wo Kraftklub sind, da stehen die Fans schon reihenweise Schlange, um auch ja nicht ihren Auftritt zu verpassen. Neuen Zündstoff für ihre Shows gab’s schließlich im letzten Jahr mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums In Schwarz, inklusive der Single Unsere Fans, in der sie etwaige „Ausverkauf-Vorwürfe“ einfach mal ironisch auf ihre Anhänger ummünzten. Verstanden hat’s nicht jeder direkt. Aber lange böse sein können ihre Fans ihnen offensichtlich auch nicht. Ansonsten würden Kraftklub wohl kaum heute in der ausverkauften Sporthalle spielen. Den Support an diesem Abend übernehmen die Österreicher Wanda mit ihrem Überhit Bologna.

 

Streetfood Wednesday

Foodtrucks und feine Kost, regionale Anbieter und Aficionados des bewussten Konsums treffen am 11. März in der Fischauktionshalle Altona ein.

Was 2014 mit Erfolg begonnen hat, wird glücklicherweise in diesem Jahr konsequent weitergeführt. Zwei Mal organisierte Dannie Quilitzsch von Hallo Frau Nachbar bereits im letzten Jahr das kulinarische Pendant zu ihrem Nachbarschafts-Designermarkt. Auftakt für das diesjährige Foodtruck-Geschehen war am 26. Februar die Social Media Week in den Schanzenhöfen. Verpasst? Keine Sorge, einfach den 11. März rot im Kalender anstreichen und die nächstbeste Gelegenheit wahrnehmen, die diesmal ausnahmsweise auf einen Mittwoch fällt. Foodtrucks, regionale Anbieter feiner Kost und andere Aficionados des bewussten Konsums versammeln sich zum Streetfood Wednesday in der Fischauktionshalle Altona. Einen Monat später dann wieder am einem Donnerstag, nämlich den 9. April. Die darauffolgenden Termine sind auf der Website zu finden.

Text: Julia Braune

 

 

Tinashe

Die US-Künstlerin lässt ihren verführerischen Sound, den sie als „progressive R ’n‘ B“ bezeichnet, auf das Mojo-Club-Publikum los.

An Aufmerksamkeit mangelt es der amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Tinashe nun wirklich nicht: Mit ihrem Album Aquarius (2014) knackte sie die Top 20 der US-Charts, die Singleauskopplung 2 On feat. Schoolboy Q schaffte es immerhin bis auf Platz 24, und bei YouTube werden ihre Videos hunderttausend- bis millionenfach geklickt. Und dennoch: Gegen den Hype, den FKAtwigs im letzten Jahr auslöste, wirken die Erfolge von Tinashe eher bescheiden. Dabei fischen beide durchaus in ähnlichen Gefilden. Auch Tinashe versieht ihren verführerisch umschmeichelnden R ’n’ B mit Einflüssen aus Hip-Hop, Pop und einem Hauch Elektro. Der vielleicht größte Unterschied: Während man bei FKAtwigs aufgrund ihrer distanzierten und kühl wirkenden Aura immer lieber ein paar Meter Abstand hält, sind die Songs von Tinashe mehr am Flirten und winken einen – gefühlt – ganz nah an sich heran. Wir sind dann schon mal auf dem Weg in den Mojo Club.

Text: Jan Kahl