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„Verlorene Eier“

Männer, haltet eure Hoden fest: Im Golem läuft ein Erotikfilm aus dem Jahre 1976, in dem ein Mörder mit der Schere im Untergeschoss hantiert.

„Kriminalistische Sexologen sind gefährlich, denn wer findet seine Eier schon gerne in der Bratpfanne wieder.“ So kündigt der Filmklub seine nunmehr dritte Veranstaltung der Reihe St. Pauli Exploitation III im Golem an. Filmperlen aus Hamburg flimmern dabei über die Leinwand des Nachtclubs. Den Auftakt machte im September der frivole Erotikstreifen Das gelbe Haus am Pinnasberg über ein Hamburger Bordell für Frauen. Im November ging es weiter mit dem Kiezdrama Der Pfarrer von St. Pauli mit Curd Jürgens in der Hauptrolle. Am 9. Januar nun hat es die Polizei im Erotikfilm Verlorene Eier (1976) von Alan Vydra mit einem Killer zu tun, der seinen Opfern (wie kann es bei dem Titel anders sein) die Hoden abschneidet. Er lauert Liebespaaren auf. Eine heiße Spur führt die Beamten in ein Sexinstitut, in dem ein Professor mit Potenzmaschinen und Ejakulationspillen experimentiert. Heureka!

Im Anschluss: Musik vom Plattenteller. Zudem agiert Carsten Erobique Meyer in der Bar am Keyboard. 

Text: Lena Frommeyer

 

Creative Gaming

Digitaler Sandkasten statt stupide Ballerspiele: Eine Initiative fördert den kreativen Umgang mit Computergames und lädt zur interaktiven Ausstellung.

Die Initiative Creative Gaming hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen kreativen Umgang mit Computerspielen zu fördern. Dort, wo die Spiele als Produkt aufhören, springt die Gemeinschaft auf die Bühne – mit Workshops, Diskussionen, Laboren und dem jährlichen Festival play, das Spieler, Künstler, Programmierer und Interessierte zusammenbringt. Die Macher betonen: „Jenseits stupider Gewaltspiele hat sich eine bunte Szene etabliert, die Computerspiele eher als digitalen Sandkasten denn als Spiel mit festen Regeln begreift. Creative Gaming ist Comedy in Ballerspielen, Theater in Onlinewelten, Geschichtsunterricht mit Strategiespielen.“ Was sie damit meint, zeigt die Initiative vom 7. bis 31. Januar im Mercedes me Store in der Hamburger Innenstadt. Das Projekt umfasst unterschiedliche Aspekte der digitalen Spielekultur. Herzstück ist die interaktive Ausstellung Creative Gaming Expo, die täglich (außer sonntags) von 10 bis 20 Uhr besucht werden kann. Ab dem 27. Januar entsteht im Flow Lab in vier Tagen ein neues Spiel. Am 31. Januar gipfelt das Projekt in einer großen Show mit Live Let’s Play und 8-bit-Sounds.

 

„Die süße Gier“

Der Krimi aus Italien um die Mailänder Familie Bernaschi zeigt den Menschen in einem wirtschaftlichen System, in dem das Recht des Stärkeren gilt.

Geld verdirbt den Charakter – der Spruch hat einen langen Bart und bleibt dennoch wohl für alle Zeit aktuell. Auch der neue Krimi des italienischen Regisseurs Paolo Virzi, Die süße Gier, illustriert eindrucksvoll, inwiefern Moneten die Welt regieren. Schauplatz ist das Land Italien, in dem man trotz des wirtschaftlichen Niederganges noch gut Geld verdienen kann. Entscheidend ist, ob man auf den richtigen Plätzen in der Finanzbranche sitzt. Der Film  zeigt nicht nur die Maschine, die großen Finanzmühlen, die hinter dem System mahlen – er porträtiert von allem auch den Menschen in diesem Konstrukt. Die Story beginnt mit einem Unfall in einer Winternacht. In drei langen Rückblenden erzählt Virzi die Geschichte, die zum Ereignis führte – aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei steht die Mailänder Familie Bernaschi im Mittelpunkt, deren altes Vermögen vom Hausherrn mit dubiosen Bankgeschäften vermehrt wird. Eine verwirrte Hausdame, der verzogene Sohn Massimiliano und seine eigenständige Freundin Serena sind zentrale Figuren, die zeigen, wie unterschiedlich Begierde sein kann und was Geld mit Menschen macht.

 

Regina Scheer

Erzählerische Souveränität und empathischer Blick: Die Autorin erhält für ihr Roman-Debüt „Machandel“ den mit 15.000 Euro dotierten Mara-Cassens-Preis.

Mit dem Mara-Cassens-Preis wird jährlich ein ganz besonderer Debütroman prämiert. Dem Autor oder der Autorin winken 15.000 Euro. Neben der Höhe des Preisgeldes ist das Besondere am Mara-Cassens-Preis die reine Leserjury – die möglichst weit weg vom Literaturbetrieb ist, der sich manchmal doch nur um sich selbst dreht. In diesem Jahr wird Regina Scheers Debütroman Machandel ausgezeichnet. Wegen seiner erzählerischen Souveränität, seiner glaubwürdigen und anrührenden Gestalten und seines empathischen Blicks auf die Geschicke des 20. Jahrhunderts, wie es in der Jurybegründung heißt. Die 1950 in Berlin geborene Regina Scheer hat bisher vor allem Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte verfasst, sie ist Spezialistin für Lebenserzählungen. Nun also ein Roman, in dem es auch wieder um Lebensgeschichten geht. Machandel wird aus der Perspektive von fünf Menschen erzählt, deren Geschicke von den 1930er Jahren bis über den Fall der Mauer ans Ende des 20. Jahrhunderts im fiktiven Dorf Machandel miteinander verknüpft sind. Scheers modernes Märchen ist kunstvoll konstruiert und zugleich nah am echten Leben, das von hoffnungsvollen Träumen und zerplatzenden Lebensentwürfen bestimmt wird.

Text: Almuth Strote

 

Abstrich

Das Hamburger Newcomer-Trio spielt seine Mischung aus Grindcore, Punk, Death- und Black-Metal live in der Astra Stube. Support: Helgoland.

Abstrich? Welchen Musikstil mag eine Gruppe spielen, die sich solch einen genial-vieldeutigen Namen gibt? Handelt es sich etwa um eine Ur-Punk-Band, die in deutscher Sprache singt? Oder haben wir es eher mit einer Death- und Black-Metal-Formation aus den 1990er Jahren zu tun? Nun, irgendwo dazwischen wird ein Schuh draus. Abstrich sind ein junges Hamburger Trio, dessen Mitglieder aber alt genug sind, um schon vor 20 Jahren dabei gewesen sein zu können. Der Gig am 8. Januar ist, anlässlich der Album-Veröffentlichung Zehn grandiose Fantasien grenzenlosen Erfolgs, das erste öffentliche Konzert. Nach eigener Beschreibung ist eine Mischung aus Grindcore, Punk, Death- und Black-Metal zu erwarten. Im Vorprogramm gibt das strikt instrumental agierende Hamburger Bass-Schlagzeug-Duo Helgoland seinen seltsamen Primzahlen-Jazz zum Besten.

 

Hörbar

Seit nunmehr 20 Jahren der winzige, aber zentrale Anlaufpunkt für Freunde der Musique concrète, experimenteller und abstrakter Elektronik.

Nichts Aufregendes, aber total selten und deswegen ein echtes Kleinod, eine Oase für Hamburger, die mit dem meisten, was unter „normaler Musik“ verstanden wird, schon lange nichts mehr anfangen können und sich stattdessen auf Musique concrète, experimentelle und abstrakte Elektronik sowie Spielarten von Industrial verlegt haben: Die Hörbar in den hinteren Räumen des B-Movie ist seit nunmehr 20 Jahren der zwar winzige, aber zentrale Treffpunkt dieser speziellen Szene Hamburgs. Jeden Mittwoch läuft hier rare und außergewöhnliche Musik vom Band, am jeweils letzten Freitag eines jeden Monats gibt es ein Konzert mit mehreren Musikprojekten oder Performern. Nachdem Ende Dezember das Jahr 2014 mit dem mittlerweile schon traditionell zu nennenden Jahresausklangfestival beschlossen wurde, öffnet die Hörbar am 7. Januar zum ersten Abend im neuen Jahr ihre Tür.

 

 

Poetry Slam

Kampf der Künste präsentiert: Die Dichterliga – Hamburgs beste Slam-Poeten im Kampf um die Tabellenspitze. Moderation: Rasmus Blohm.

Dass Hamburg Slamburg ist, weiß inzwischen jeder. Finden hier doch längst die meisten regulären Poetry-Slams überhaupt statt – und so ist es irgendwie auch kein Wunder, dass hier inzwischen eine ganze Menge der besten Poeten des Landes vor Anker gegangen sind. Mit Herzblut und Leidenschaft, Stimmkraft und mitreißenden Performances erzählen sie ihre Geschichten – authentische Gegenwartsbetrachtungen und echte Poesie sind garantiert. Wie gewohnt kommen die lokalen Poeten auch im Januar zum 4. Spieltag der Dichterliga wieder im Molotow (in der ehemaligen China Lounge) zusammen. Mit dabei ist selbstredend Mona Harry, derzeit an der Tabellenspitze, außerdem treten Jan Wilhelm Schund, Fabian Navarro, Matti Seydel, Sabrina Schauer, Victoria Helene Bergemann, Lennart Hamann und Finnja Krisamer an. Die Moderation übernimmt die norddeutsche Slam-Größe Rasmus Blohm – das wird ein wortwitz-funkensprühender Abend!

 

The Harlem Gospel Singers

Von den Wurzeln früher Spirituals bis hin zum modernen Soul: Queen Esther Marrow gastiert mit ihrem altgedienten Gospel-Ensemble in der Laeiszhalle.

Ein alter Kalenderspruch rät, man solle mit den Steinen, die einem das Leben in den Weg räumt, etwas bauen. Eine Treppe vielleicht. Oder etwas Schönes zum Drinwohnen. Queen Esther Marrow macht es seit jeher anders – sie singt. Sie besingt die Höhen und Tiefen, die jeden von uns umgeben und reißt mit jedem Ton alles ein, was da im Weg liegen könnte. Irgendwo dort, wo ihre Stimme herkommt, muss es einen unerschöpflichen Vorrat an Zuversicht geben, die jeden mitträgt, der ihr zuhört. Zusammen mit The Harlem Gospel Singers steht sie nun bereits seit 24 Jahren auf der Bühne; sie selbst blickt auf eine mehr als doppelt so lange Bühnenkarriere zurück, in der sie bereits mit Künstlern wie Ray Charles, Bob Dylan oder Mahalia Jackson zusammenwirkte. In der Laeiszhalle präsentiert sie mit The Harlem Gospel Singers die neue Produktion Bring It On!. Eine Botschaft voller Aufbruchstimmung, von der man sich im noch frischen Jahr inspirieren lassen darf.

 

„Lenni in’t Glück“

Claus-Peter Rathjen liest aus dem neuen Roman von Hans-Joachim Meyer – aber, liebe Zugereiste und Jung- und Wahlhamburger – auf Plattdeutsch!

De dulle Geschicht över veer Jungs vun ganz unnen, lautet der Untertitel des aktuellen Romans von Hans-Joachim Meyer, Lenni in’t Glück. Er erzählt – auf Platt – die Geschichte eines Waisenjungen in St. Pauli, der aus dem Kinderheim ausreißt, sich mit anderen Straßenjungs aus dem Viertel anfreundet, eine Karriere als Kleinkrimineller beginnt, erneut im Heim landet, dort drin Yusuf und nach seiner Entlassung draußen Wanda kennenlernt, die Liebe entdeckt, aber auch deren manchmal doch unergründliche Wege… Autor Hans-Joachim Meyer, der an diesem Abend anwesend ist, stammt aus Insterburg und lebt seit 1951 in Harburg. Zuletzt erschien von ihm der Band mit dem amüsanten Titel Horborg kann mi geern hebben! un anner plattdüütsche Vertellen. Claus-Peter Rathjen ist gebürtiger Hamburger, Mitbegründer der Operetten Compagnie Hamburg und als PR-Mann für das Museum Elbinsel Wilhelmsburg tätig.

 

Die PARTEI…

…kurz vor der Machtergreifung in Hamburg: Martin Sonneborn und Leo Fischer machen am 6. Januar das Polittbüro unsicher.

Erst Hamburg, und dann das ganze Europa – äh, nee, andersherum: Nachdem es der PARTEI zuletzt gelungen ist, das Europaparlament zu entern, soll jetzt unsere Hansestadt davon überzeugt werden, dass nur die PARTEI eine sichere und angenehme Zukunft für alle zu gewährleisten imstande ist. Folgende Punkte aus dem PARTEI-Programm sollen die Macht zu ergreifen helfen: Nicht die Vertiefung, sondern eine Verbreiterung und Verlängerung der Elbe ist geplant – mehr Elbe für alle sozusagen; außerdem, so versprechen die PARTEI-Führer Sonneborn und Fischer, soll das „marode Verkehrsnetz für Zeppeline“ ausgebaut und das Wildpinkeln erlaubt werden. So weit, so gut, der letzte Punkt dürfte allerdings für einige Diskussionen sorgen. Wir würden stattdessen – anknüpfend an den Wahlkampf der Hamburger KED vor gut 20 Jahren – eher vorschlagen, etwas konsequenter gegen Bartwuchs und Naschwerk vorzugehen…