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Rocketnumbernine

Konzerte mit Radiohead, Begleitband für Neneh Cherry: Das Schlagzeug-Synthesizer-Duo spielt seine Instrumentaltracks live im Pudel.

Ben und Tom Page, die beiden Brüder hinter Rocketnumbernine, pflegen ein Adressbüchlein, in das man gerne mal reinspicken würde: Sie spielten Konzerte mit Acts wie Caribou und Radiohead, nahmen Musik mit Four Tets Kieran Hebden auf und waren Begleitband für Neneh Cherry. Das Duo aus Schlagzeug und Synthesizer hat auf sich alleine gestellt den Durchbruch noch vor sich, mit ihrem beeindruckenden zweiten Album MeYouWeYou sind für den Erfolg die richtigen Weichen gestellt: Die Instrumentaltracks der Geschwister, die Jazz, Funk und Elektronik in einen experimentellen, aber mitreißenden Groove zwingen, schaffen live regelrechte Aha-Erlebnisse: Das war in Hamburg 2013 beim Überjazz und dieses Jahr beim Spektrum zu beobachten. Bei der Rückkehr in die Hansestadt ist dieses Mal der Golden Pudel Club ihr Gastgeber: Dessen intime Atmosphäre sollte den Effekt noch verstärken.

 

Jupiter Jones

Neuanfang mit altem Kumpel: Die Band aus der Eifel präsentiert sich in ihrer aktuellen Besetzung live im Gruenspan.

„Alles auf Anfang“ lautet die erste Zeile der aktuellen Jupiter-Jones-Single Plötzlich hält die Welt an: So fühlt es sich für die Pop-Punk-Band wohl nach dem Ausstieg von Sänger Nicholas Müller an. Doch der Blick nach vorn ging für die verbleibende Band erst einmal zurück in die Vergangenheit: Einen neuen Frontmann fand man nicht durch ein Sängercasting oder Plattenfirmen-Intervention, sondern im Freundeskreis. Jupiter-Jones-Mitbegründer Sascha Eigner und der neue Sänger Sven Lauer sind im selben Eifeldorf aufgewachsen und kennen sich von Kindesbeinen an. So hängt für Jupiter-Jones-Fans der Haussegen wieder gerade. Der wegen Krankheit ausgeschiedene Ex-Sänger gibt seinen Segen zum Weitermachen, und der Neue ist (zumindest für die Band) ein alter Bekannter: Die Gang ist gerettet. Wie sich die Neubesetzung bei den alten Songs wie Still auf der Bühne macht, lässt sich dann kurz vor Jahreswechsel im Gruenspan begutachten.

Text: Thorsten Moor

 

„Panzerkreuzer Potemkin“

Sergej Eisensteins Filmklassiker von 1925 mit musikalischer Live-Begleitung des Hamburger Brass-Ensembles Tuten und Blasen.

Brillante Montage, imposante Bildkompositionen, virtuose Zeitraffer und -dehnungen, harte Kontraste, eindringliche Wiederholungen – all das (und noch viel mehr) macht die bis heute nicht nachlassende Faszination an Sergej Eisensteins Filmklassiker von 1925 aus. Das Setting: 1905 rebelliert im Hafen von Odessa die Besatzung eines Kriegsschiffs. Die Bevölkerung solidarisiert sich mit den Aufständischen. Zarentreue Kosaken richten ein Massaker an. Dann reagiert der Panzerkreuzer Potemkin mit donnernden Kanonenschlägen… Drei offizielle Filmmusiken sind mittlerweile zu diesem Film komponiert worden – die letzte übrigens von den Pet Shop Boys in Zusammenarbeit mit den Dresdner Sinfonikern im Jahr 2004. Für die Vorführung im Metropolis Kino haben sich die Veranstalter das Hamburger Brass-Ensemble Tuten und Blasen als musikalische Live-Begleitung eingeladen.

 

Nostalgischer Bier-Pop

Bessere Musik für alle: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen spielt die Lieder ihres aktuellen Albums, „Alle Ampeln auf Gelb!“, live im Knust.

„Es gibt, glaube ich, kein westliches Land, in dem so viel beschissene Musik gehört wird wie in Deutschland“, so das Urteil von Carsten Friedrichs in einem Interview mit dem Ox-Fanzine. Wie schön, dass der Frontmann der Liga der gewöhnlichen Gentlemen sich dieses Umstands immer wieder aktiv annimmt und so das Ungleichgewicht von „Gut“ und „Böse“ in der hiesigen Musik austariert; zuletzt geschehen mit dem Album Alle Ampeln auf Gelb! und dem darauf befindlichen „Bier-Pop mit Oldies-Schwäche, Indie-Sozialisation – und herrlichen Bläsereinsätzen“, wie es SZENE HAMBURG-Autorin Theresa Stern so schön formulierte. Dazu lässt es sich dann auch ganz hervorragend aus dem alten Jahr hüpfen. Um die entsprechenden Muskeln auch richtig anzuwärmen, steigt vorher noch die Gruppe Isolation Berlin auf die Bühne.

 

„Soul Allnighter“

Eine liebgewonnene Weihnachtstradition: Michael Wink, Henry Storch, Lars Bulnheim und die Delicious Biscuits legen exquisite Platten auf.

Bei allem Genörgel über die ollen, sich jedes Jahr wiederholenden Gepflogenheiten zur Weihnachtszeit – es gibt auch Traditionen, die man als Hamburger wirklich nicht missen möchte, und dazu zählt der seit Ende der 1980er Jahre regelmäßig stattfindende Soul Allnighter. Also: in Schale schmeißen, Tanzschuhe anziehen und die Finger in Schnipp-Position bringen – es ist wieder so weit. Am 25. Dezember versammeln sich die Soul Sisters und Brothers der Stadt im Mojo-Keller, um ihrem Lieblingssound zu huldigen. „Egal ob es nun mehr nach R’n’B, Jazz, Funk oder nach Latin klingt, es ist die Mischung, die den Soul Allnighter ausmacht“, heißt es in der Mojo-Ankündigung. Und um diese Mischung perfekt zu gestalten, haben sich die Macher auch in diesem Jahr echte Experten als DJs eingeladen: Michael Wink, Henry Storch, Lars Bulnheim und die Delicious Biscuits. Da kann doch nichts schiefgehen.

 

Psychedelic Molotow

Die „Flower Power Space Rock Party“ ist die älteste Veranstaltung im Molotow. Traditionell steht dafür Chef Andi Schmidt selbst am DJ-Pult.

Über das Molotow kann man viele Geschichten erzählen. In diesem Hamburger Club spielten 2004 The Killers, damals noch als unbekannte Band aus Las Vegas, vor gerade mal 30 Gästen kurz bevor sie mit Mr. Brightside den Durchbruch schafften. Das ist eine der älteren Geschichten. Im letzten Jahr sprach man oft über das Molotow, weil es in den Esso-Häusern beheimatet war und, wie alle Bewohner, evakuiert wurde. Nach einigen Monaten im Exil fand der Club am Nobistor auf dem Kiez eine neue Heimat. Im Sommer 1990 eröffnete Andreas Schnoor das Molotow. Der heutige Betreiber Andi Schmidt war von Anfang an als DJ im Laden präsent. Er installierte hier den Club-Abend Flower Power Space Rock, bei dem psychedelischer Rock aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren aus den Lautsprechern schallt. Diese älteste Veranstaltung des Molotow gibt es bis heute, unter anderem traditionell am zweiten Weihnachtstag. Dann steht natürlich Andi Schmidt selbst am DJ-Pult.

Text: Lena Frommeyer

 

„Magic in the Moonlight“

Eine Geschichte wie geschaffen für den Gabentisch: Der neue Film von Woody Allen, die Geschichte eines Illusionisten, läuft im Abaton-Kino.

Einmal im Jahr heißt es: Wir warten aufs Christkind! Und es kommt dann ja auch mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie der nächste Film von Woody Allen. Sein jüngstes Werk (es ist das mittlerweile 43.) heißt Magic in the Moonlight und kommt besonders festlich daher. Im Sommer 2013 in Südfrankreich mit Emma Stone und Colin Firth in den Hauptrollen gedreht, erzählt Allen darin die Geschichte eines Illusionisten, der eigentlich eine Wahrsagerin als Schwindlerin entlarven will und dabei ihrem Charme verfällt – ein Plot, der wie geschaffen ist für den Gabentisch. Wem es also gelingt, sich am Abend des 24. Dezember vom heimischen Weihnachtsbaum loszureißen, der kann sich von dieser romantischen Komödie an die Riviera der zwanziger Jahre versetzen lassen. Vielleicht will ja die ganze Familie mitkommen – ist ja schließlich ein jugendfreier Film.

 

Thalia Vista Social Club

Rentner und Rock ’n‘ Roll: Ein komödiantischer Musikabend unter der Leitung des Regisseurs und Komponisten Erik Gedeon im Thalia Theater.

Seit knapp 14 Jahren gibt es den Thalia Vista Social Club – das Format hat längst Kultstatus erreicht. Hinter der Titulierung verbirgt sich ein musikalischer Abend unter der Leitung des Regisseurs und Komponisten Erik Gedeon. Musik wird hier, wie im Theater üblich, in einer Geschichte verpackt. Diese handelt von einem Altersheim für Schauspieler, die trotz grauer Haare, Demenz und herausfallender Gebisse noch recht partywütig geblieben sind. Im Jahr 2040, das Thalia Theater hat mittlerweile geschlossen, spielen die Schauspieler eine ergraute Version von sich selbst. Die hinkenden und röchelnden Rentner machen sich auf die Suche nach ihrer musikalischen Vergangenheit und entdecken den Rock ’n‘ Roll neu. Der Thalia Vista Social Club hatte im Januar 2001 Premiere, seitdem waren die Vorstellungen meistens ausverkauft.

Text: Natalia Sadovnik

 

„Holy Fish“

Im Anschluss ans große Fressen ist Bewegung auf der Tanzfläche angesagt, beispielsweise im Hafenbahnhof zu Disco-Musik.

Nach der Bescherung kommt die Beschallung: Wenn die Oma im Sessel schläft, die Eltern beschwippst alte Platten hören, die Kinder in ihren Betten mit neuem Schnickschnack kuscheln, dann hört man ihn, den Ruf der Nacht am Heiligen Abend. Schließlich läutet dieser ein viertägiges Wochenende ein. So denn: Schüttelt euch die Besinnlichkeit aus den Gliedern, bewegt die fett gefressenen Bäuche und tanzt, tanzt, tanzt – beispielsweise im Hafenbahnhof beim Holy-Fish-After-Holy-Dinner-Meeting. Hier legen Die Chefs auf, es geht einmal quer durch die Musiklandschaft. Gast-DJ Charlie Schneider aus Berlin präsentiert „rare disco grooves“. Es lebe die Stadt.

Text: Lena Frommeyer

 

„Die Weihnachtsgeschichte“

Tradition im Mathilde Literatur Café: Schauspieler Helmut Gentsch liest am Heiligen Abend die wundervolle Erzählung von Charles Dickens.

In der Mathilde finden jährlich bis zu 100 Lesungen statt, wovon sich mindestens eine inzwischen zur Kultveranstaltung entwickelt hat: Die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, gelesen am Heiligen Abend von Schauspieler Helmut Gentsch. Kein Wunder, dass dieses besinnliche Event meist schon im Voraus ausverkauft ist – denn was könnte schöner sein, als am Weihnachtsabend in der rappelvollen Mathilde der Geschichte von Ebenezer Scrooges Läuterung zu lauschen? Nach dem ganzen Feiertagsvorbereitungstrubel lässt man sich gemütlich von diesem hartherzigen Geizhals erzählen, für den Weihnachten nichts als Humbug ist, bis ihn die Geister der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht heimsuchen und ihm die Augen öffnen. Danach geht man mit erwärmtem Herzen nach Hause, verbringt einen schönen Abend mit seinen Lieben und spendet vielleicht noch etwas für die Armen. Wer keine Tickets hat, macht sich schon eine Notiz fürs Jahr 2015.

Text: Almuth Strote