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Everlast

Sobald ein Rapper jenseits der 40 ist und es sich in seiner Villa mit Meerblick gemütlich gemacht hat, ist es mit der musikalischen Relevanz häufig vorbei. Beobachten konnte man das zuletzt bei Jay Z oder dem Wu-Tang Clan, die inzwischen lediglich auf bewährte Standards setzen. Erik Francis Schrody alias Everlast ist ein Mann, der diesem Teufelskreis der drohenden Alterspeinlichkeit entkommen ist. Als Mitglied der amerikanischen Rap-Crew House of Pain war er zu Beginn der 1990er Jahre einer der ersten weißen Rapper, die von der überwiegend schwarzen Szene respektiert wurden. Diese Hip-Hop-Sozialisierung schwingt bis heute in der rhythmischen Phrasierung seiner Songs mit – musikalisch pendeln sie jedoch mittlerweile vor allem zwischen Blues, Americana und Folk. Nur bewaffnet mit Gitarre und Whiskey-Stimme kommt er nun für eine „Special Acoustic Performance“ in den Mojo Club und zeigt, wie man als Rapper in Würde altern kann.

Text: Katharina Grabowski

 

Kovacs

Kann man es schöner ausdrücken als DIE WELT nach dem letzten Hamburg-Konzert der holländischen Sängerin: „Man möchte doch lieber an ein Geschenk der Götter glauben, wenn Kovacs singt, vermählen sich auf einmal die Talente von Amy Winehouse, Shirley Bassey, Grace Jones und Portisheads Beth Gibbons zu einer Urgewalt, die atemlos macht oder vor der einem auf einmal Tränen übers Gesicht rinnen.“ Es muss niemanden wundern, dass Sharon Kovacs schon ein halbes Jahr nach ihrer letzten Tour zehn Termine in Deutschland nachlegt, nachdem sie im Mai mit ihrem Femme-Fatal-Soul so viele Clubgänger ins Schwitzen gebracht hat. Also: Taschentücher einpacken, Tanzschuhe putzen und Deo nachlegen, um auf alles vorbereitet zu sein, wenn Kovacs den Mojo Club zum Glühen bringt.

 

Eliot Sumner

Eigentlich sollte Eliot Sumner im VOLT auftreten, nun darf sich aber das Thekenpersonal vom Molotow auf die wundervolle Ballade Dead Arms & Dead Legs der Engländerin freuen – inklusive düsterem Klavierspiel. Alle Konzertbesucher natürlich auch. Insgesamt ist ihre Popmusik eher dunkel und geisterhaft, aber dabei auch stark, vor Selbstbewusstsein strotzend und eingängig sowie mit elektronischen Einsprengseln versehen. Bei so viel New-Wave-Sound erinnert nun wirklich gar nichts an ihren berühmten Papa, den Rock-Musiker Gordon Sumner, besser bekannt als Sting. Vielleicht hat sie auch deshalb ihre Karriere 2010 unter dem Künstlernamen I Blame Coco begonnen, um nicht ständig zu hören: „Ist das die Tochter von Sting?“ Im Januar 2016 erscheint ihr lange erwartetes Album Information. Sicher liefert sie im Molotow einen ordentlichen Vorgeschmack!

 

Chefket

Seit er vor einer guten Woche seine Tour begonnen hat, erreichen uns täglich glückliche Nachrichten von der „Glücklichsten Tour der Welt“. Zwischen Wien und Weinheim geht alles mal so richtig krass ab. Denn seit er seine neue Scheibe Nachtmensch releast hat, ist für den Chefchiller Chefket sowieso alles Happy World: ausverkaufte Clubs, fette Bühnenshows und jede Menge Tourspaß. Die Ankündigung „alles ohne Label, ungefiltert und fresh“ klingt zwar ein bisschen wie aus einer Craft-Beer-Broschüre, aber sei’s drum! Seine Raps sind jedenfalls deutlich ausgefallener, seine Beats rund und sein Flow so geschmeidig ein frisch poliertes Skateboard. Wer es nicht glaubt, kann ja versuchen, im Knust noch eine Karte zu bekommen. Es lohnt sich.

Text: Nik Antoniadis

 

Das Philosophische Café

Das Philosophische Café lädt mal wieder ein zu einer angeregten Diskussion und gemeinsamen Reflexion in der Freien Akademie der Künste. Diesmal zu Gast ist niemand Geringeres als Richard David Precht. Erkenne die Welt ist der Titel seiner neuen Trilogie über die Philosophiegeschichte, deren erster Band gerade erscheint. „Eine richtige Philosophie wirkt wie ein Antibiotikum gegen die vielen Entzündungsgefahren des Lebens“, konstatiert er darin, um dann festzustellen: „Die meisten großen Denker bis 1900 waren keine Fachleute und auch keine Philosophieprofessoren.“ Wie schon Ludwig Wittgenstein betrachtet auch Precht die Philosophie nicht als Lehre und stellt deshalb den Abend ganz unter das Motto „Philosophie ist eine Tätigkeit“.

Text: Louise Otterbein

 

Anti-Flag

Ihr letztes Gastspiel in Hamburg widmeten sie den damals jüngst inhaftierten Pussy Riot, jetzt promoten sie ihr im Mai erschienenes Album American Spring. Die politische Botschaft, die Anti-Flag darauf verbreiten, ist nach 20 Jahren Bandgeschichte immer noch ungetrübt und richtet sich mit einem solchen Eifer gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit, dass man meint, die bessere Welt läge nur einen Steinwurf entfernt. Der melodieverliebte Hochenergie-Punk, der dem Quartett aus Pittsburgh, Pennsylvania dabei als Vehikel dient, reißt ganz plattitüdenfrei auch noch den letzten Systembürger mit. In der Fabrik erhalten sie Support von Derek Zanetti aka The Homeless Gospel Choir aus Pittsburgh sowie den Australiern Trophy Eyes.

Text: Pablo Schinkel

 

Cäthe

Diesen Sommer ging Cäthe auf Campingplatztour, um ihr neues Album anzukündigen. Das passt. Schließlich hat so ein Campingplatz so einiges mit der 32-jährigen Sängerin und Songwriterin aus Hamburg gemeinsam: So ein Campingurlaub ist ehrlich, ohne Schischi und immer ein Abenteuer. So kennt man auch Catharina Sieland. Schnörkellos singt sie mit Rockröhre, erzählt spannende Geschichten – wobei, der Rock ist auf dem neuen Album Vagabund zumindest teilweise einem geradlinigen Schönklang gewichen. Auch wenn Cäthe seit einigen Jahren in Berlin wohnt, ließ sie es sich nicht nehmen, die Platte in den Hamburger Hafenklang Studios einzuspielen. Jetzt bringt sie sie nur ein paar Straßen entfernt im Mojo Club live auf die Bühne.

Text: Lena Frommeyer

 

Hello Handmade

„Wir lieben Handmade“ ist das Motto, und das Motto ist Programm: Einmal jährlich kommen Designer, Künstler und Kreative aus ganz Deutschland und Europa nach Hamburg, um auf Kampnagel handgemachte Einzelstücke auszustellen. Dass dabei Originalität, Vielfalt und Trends genügend Raum bekommen, wird von Sophie Pester und Catharina Bruns, kurz: Hello Handmade sorgfältig sortiert und geplant. Als einer der ersten Märkte Deutschlands machte Hello Handmade bereits 2010 die damals erst aufkommende DIY-Szene sichtbar und propagiert mit dem Designmarkt Entschleunigung und alternatives Wirtschaften, oder, wie Pester und Bruns in ihrer „Liebeserklärung“ selbst bekunden: „Wir wollen träumen, machen, inspirieren. Schaffe Neues, triff Menschen, bilde Gemeinschaften. Sei kreativ. Mach es selbst.“ Nicht verpassen!

 

Söhne & Söhne

Das dänisch-österreichische Künstlerduo SIGNA brachte bereits 2013 mit Schwarze Augen, Maria eine der ungewöhnlichsten Performance-Installationen nach Hamburg. Eine Parallelwelt aus Theater, Performance und Bildender Kunst, durch die sich der Zuschauer bewegte. Jetzt kommt die zweite Arbeit der freien Gruppe ans Deutsche Schauspielhaus: Söhne & Söhne. Ein sonderbares, altes, global operierendes Familienunternehmen, das nur aus dem Hintergrund heraus operiert und niemals Gewinne verzeichnet. In einem undurchsichtigen Verfahren werden neue Angestellte ausgewählt, die sich dem Unternehmen dann auf ewig verpflichtet fühlen. Jetzt soll eine große Zweigniederlassung in Hamburg gegründet werden, der Zweck: ungewiss. In der neuen Performance-Installation von SIGNA wird die Theaterrealität zum Psychospiel.

Text: Hedda Bültmann

 

Die unendliche Geschichte

Unvergessen ist das Buch von Michael Ende. Fast jeder kennt die Geschichte von Bastian Balthasar Bux, der aus seiner realen Welt in das erschaffene Land Phantásien schlüpft. Der Autor wollte mit dem Roman eine zauberhafte Parallelwelt schaffen als Ausgleich für die geistig verarmte existierende Welt. Als Außenseiter wird Bastian von seinen Mitschülern durch die Stadt gejagt und landet auf der Suche nach einem Versteck im Antiquariat von Herrn Koreander. Dort stiehlt er das Buch Die unendliche Geschichte, in die er während des Lesens wortwörtlich hineingesogen wird. An der Seite von Atréju und dem Glücksdrachen Fuchur kämpft er fortan gegen das Nichts. Dadurch rettet er nicht nur das Leben der kindlichen Kaiserin, sondern auch sich selbst. Im Anschluss an die Premiere des Familienstücks wird im am Thalia Theater natürlich entsprechend gefeiert.

Text: Hedda Bültmann