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Index 15

Nach 15 Jahren Index hat es Galeristin Elena Winkel (Galerie Conradi) gereizt, etwas Neues zu probieren. Auch, weil sie meint, dass es in Hamburg inzwischen mehr als genug Möglichkeiten gibt, Kunst zu kaufen. So verwandelte sie die einstige Verkaufsmesse Index zum diesjährigen Jubiläum in eine Übersichtsschau, die keinerlei Rücksicht auf kommerzielle Aspekte nimmt, dafür umso mehr auch auf den überregionalen Nachwuchs. Der kommt aus London, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und Leipzig. Und natürlich kommen auch Künstler aus Hamburg. Hier ausschließlich von der HFBK und ausgewählt von der jungen Kunsthistorikerin Julia Bunnemann.
Hat man seit Beginn der Kunstmesse in der Hamburger Botschaft alle spannenden künstlerischen Positionen immer auf der Index gesehen, wird die Schau nun stärker thematisch ausgerichtet. In diesem Jahr steht die Videokunst im Zentrum, da gerade dort für Elena Winkel sehr interessante Arbeiten entstehen. Und natürlich wird auch in diesem Jahr der mit 5.000 Euro dotierte Berenberg-Preis für junge Kunst verliehen – und es wird ordentlich gefeiert. Gründe gibt es ja genug.

Text: Sabine Danek

 

Chvrches

Vor gut zwei Jahren haben Chvrches die Bombe hochgehen lassen: The Mother We Share heißt sie und zündet mit höchst ausgeklügelten Synthie-Sounds und dem eindringlichen Gesang von Sängerin Lauren Mayberry von null auf 180. Mehr als 50 Millionen Streams auf Spotify hat das gute Stück bisher gesammelt. Das zu toppen, hätte harte Arbeit werden können. Hätte. Allerdings haben Chvrches sich mit Album Nummer zwei, erschienen im September, selbst übertroffen. Mit perfektioniertem Gesang und Synthesizer-Klangwolken, die alles Bisherige übertreffen. Es gibt also einiges an Knallermaterial, das die drei Schotten im Docks werden abbrennen können. Hinzu kommt, dass Frau Mayberry ein äußerst energiegeladenes Bühnenverhalten an den Tag legt. Es darf getanzt werden im Docks. Wahrscheinlich kommt man gar nicht drum herum.

Text: Theresa Huth

 

„Chuck Norris und der Kommunismus“

„Das wird geschnitten, zu viel Essen, Produkte“, heißt es in einer Szene von Chuck Norris und der Kommunismus. Die rumänischen Medien – auch fiktive Filme – wurden zu Zeiten des Eisernen Vorhangs streng von der Regierung kontrolliert. Videoabende waren im Rumänien der 1980er Jahre deshalb quasi überlebenswichtig. Hundertfach kopierte Hollywood-Filme, die sich auf VHS-Kassetten illegal einen Weg durch den eisernen Vorhang bahnten, öffneten ein Fenster aus dem kulturell isolierten Land zur westlichen Welt. Ilinca Calugareanu zeigt in ihrer Dokumentation, was diese rund 3.000 Filme – vom Actionstreifen mit Chuck Norris bis zu Liebesfilmen wie Pretty Woman – bedeuteten. Und wie Übersetzerin Irina Nistor zur Stimme einer Nation wurde.

 

„HipHop-eration“

Wer sehen will, wie Ü70-Senioren zu Hip-Hop tanzen, im Rollstuhl krumpen und ihre Gehilfen bouncen, der muss sich HipHop-eration anschauen. Der lebensbejahende, selbstironische Film von Regisseur Bryn Evans erzählt von einer Seniorentanzgruppe von der Insel Waiheke in Neuseeland, die zu den Weltmeisterschaften im Hip-Hop-Dance in Las Vegas eingeladen wurde. Wie aber soll die Reise finanziert werden? Und ist die Reise auch nicht zu anstrengend für die fast 100-Jährigen? Bis sie es dahin schaffen, wird die ein oder andere Träne fließen, aber die Trainerin der Tanzgruppe ist zuversichtlich: „Ihr werdet alle nach Las Vegas fahren – und wenn es in einer Urne ist.“ Auch beim Zuschauer bleibt wahrscheinlich kein Auge trocken. Wie nah man am Wasser gebaut ist, und ob die Gruppe es schließlich nach Las Vegas schafft, wird am Donnerstag im Lichtmess-Kino aufgelöst.

 

Toundra

Seit sich Esteban, Alberto, Macón und Álex 2007 zur Formation Toundra zusammenschlossen, ist ihre Instrumental-Rockband zu einem der angesagtesten Rock-Acts auf der iberischen Halbinsel geworden. Vier Scheiben haben die vier Jungs aus Madrid inzwischen veröffentlicht, die letzte, mit dem Titel IV, zu Beginn des Jahres. Das Nachfolge-Album von I, II und III ist ein instrumentales Konzeptalbum, das – im Ernst! – die Geschichte von zwei Füchsen erzählt, die ihren Heimatwald wegen eines Brandes verlassen müssen. Am Mittwoch erzählen sie diese herzerwärmende Geschichte im Molotow. Übersetzt in Musik klingt das dann aber wenig nach Märchenonkel, sondern nach fetten Marshall-Verstärkern. Die Jungs lassen es mächtig krachen!

 

Reclaim Your Brain

„Eine neuartige und von Spezialisten entwickelte klang-, substanz- und lichtunterstützte Neuro-Therapieform, bei der mit High-End-Klangerätschaften verödete und bereits verendete Synapsen durch Schallwellen angeregt beziehungsweise reanimiert werden.“ Das ist Reclaim Your Brain. Muss man da noch viel zu sagen? Wohl kaum. Worüber wir hier reden, ist ehrlicher, schnörkelloser Techno, kein verspielter Elektro-Schnickschnack, einfach mal volles Brett auf die Ohren. Damit in der Therapie auch ordentlich Cholecalciferol freigesetzt wird, hat Reclaim Your Brain Lotta Lumière angeheuert, die die Lichtinstallation übernimmt und das Fundbureau für eine Nacht in eine Vitamin-D-Maschine verwandelt. Mit Drogen hat das selbstverständlich nichts zu tun.

Text: Nik Antoniadis

 

Science Slam

In der Slammer-Welt sind ja schon vor geraumer Zeit alle Grenzen gefallen. Alles wird geslammt. Inzwischen auch Science – oder, für alle altmodischen Nicht-Nerds: Wissenschaft. Der Science Slam ist im Wesentlichen die Antwort auf all die trostlosen und vergeudeten Jahre im Physik- und Chemieunterricht. Denn das Ziel ist hier, wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich zu machen – und zwar schnell und vor allem unterhaltsam. Auf der Bühne stehen keine Lehrer, sondern Studenten und Nachwuchswissenschaftler, die ihre Forschungsprojekte vorstellen. Anders als beim Poetry Slam darf sich der Kandidat hier aller möglichen Requisiten bedienen, von Powerpoint-Präsentationen bis On-Stage-Experimenten ist alles erlaubt. Am Ende entscheidet aber wie üblich das Publikum. Und weil Hamburg im Slammer-Fieber ist, sollte man sich schnell eine Karte für das Uebel & Gefährlich sichern.

 

„Urbane Paniken“

Die Reihe Stadtgespräch. Metropolitane Perspektiven läuft ja bereits seit über einem Jahr und nähert sich langsam ihrem Ende. Höchste Zeit also, noch einmal im Büro der Stadtkuratorin Hamburg vorbeizuschauen, wo seit Herbst 2014 Künstler, Wissenschaftler und Aktivisten ihre praktischen und theoretischen Ansichten zu einer Kritik der Metropole vorstellen. Am Mittwoch wird Vassilis Tsianos von der Uni Kiel, neben Sophie Goltz Kurator der Reihe, zum Thema Urbane Paniken: Postsäkulare Konflikte sprechen. Der Soziologe Tsianos greift dabei neue kulturelle Systeme der Identifikation auf, in denen sich zum Beispiel Vorstellungen neuer Gemeinschaften in einer Einwanderungsgesellschaft wie der unseren äußern können. Dabei beschäftigt er sich unter anderem auch mit Fragen nach postsäkularer Politik und damit, wie deren Potenziale für mehr Demokratie genutzt werden können, anstatt sie wie bisher als Störung anzusehen.

 

Bob Dylan

Like A Rolling Stone, der Song, der vor genau 50 Jahren Bob Dylans Weltkarriere begründete, scheint zu einer Art Lebensphilosophie des 74-Jährigen geworden zu sein. Denn während andere in seinem Alter ihre Zeit mit Bingospielen und Kaffeefahrten verbringen, rollt Robert Allen Zimmerman lieber in seinem Tourbus durch die Weltgeschichte – und das seit 1988 ohne nennenswerte Unterbrechung. Geschenkt, dass er seine Setlist seit vielen Jahren kaum verändert hat und, abgesehen von der Begrüßung, meist kein einziges Wort zu seinem Publikum spricht. Dylans Lebenswerk und seine Bedeutung für die Popkultur machen ihn über alle Zweifel erhaben. Ein rollender Stein setzt ja bekanntlich kein Moos an.

Text: Katharina Grabowski

 

Africa’s Top Models

In dieser aufwendigen Jahres-Top-Ausstellung des Museums für Völkerkunde geht es – der Titel sagt es bereits – um Schönheitsideale auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei wird eine sehr spezifische Welt der Mode sichtbar, mit unverkennbaren westlichen Einflüssen, denen uralte regionale Schönheitsvorstellungen gegenüberstehen, die sich weiterhin behaupten und die – überraschenderweise – gar nicht so fremd sind, wie es den Anschein hat: So erkennt der geschulte wissenschaftliche Blick etwa in Bildern von Kim Kardashians beachtlichem, in Latex gehülltem Hinterteil unverkennbar afrikanische Schönheitsideale. Auch bestimmte Haartrachten, Tattoos oder Schmucknarben haben längst Eingang in die Modewelten westlicher Subkulturen gefunden. „Was ist schön?“ Mit dieser einfachen Fragestellung spürt die Ausstellung den ganz eigenen Vorstellungen von Schönheit nach, die sich in Afrika mit seinen über 2.000 Ethnien über die Jahrhunderte entwickelt haben. Eine große, spannende und dabei sehr unterhaltsame Ausstellung.