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Stille Revolution

Hamburg hat wieder einen Schritt zu direkter Demokratie vollzogen. Die Volksgesetzgebung wird zur Waffe im Parteienstreit

Im Aufmerksamkeitsschatten des Hamburger Olympiaerfolgs vollzieht sich eine stille Revolution: Wieder hat das Land einen Schritt auf dem Weg zur direkten Demokratie vollzogen. Die Olympiabewerbung, wenn es sie geben sollte, wird kein Regierungsprojekt sein, auch keines der Bürgerschaft. Beschlossen hat das Parlament lediglich, diese Frage den Bürgern zur Entscheidung vorzulegen.

Fragen statt Entscheiden, Regieren durch Moderieren – den neuen Rollen von Regierung und Parlament entspricht ein veränderter Politikstil. Schon im Konflikt um die Energienetze hat sich das angedeutet: Damals hat die SPD-Regierung zwar Position bezogen, sah sich aber lediglich als Teilnehmer der Debatte. Die Grünen haben diese Art der Politikgestaltung schon zum Programm erhoben: Ihre wichtigsten Vorhaben, erklärten sie im Wahlkampf, wollten sie als Regierung nicht durchsetzen, sondern lediglich zur Volksabstimmung stellen. Weiter„Stille Revolution“

 

Grüne Hamburg

Wenn alle Wölfe grau sind

Die Spitze der Hamburger Grünen hat im Streit mit der Abgeordneten Nebahat Güçlü versagt.

Hat jemand mitbekommen, dass Nebahat Güçlü rehabilitiert ist? – Güçlü? Die mit den Grauen Wölfen? – Ja, die.

Ob man Menschen im Umgang mit Macht trauen kann, zeigt sich daran, wie sie mit Schwächeren umgehen. Der Vorstand der Hamburger Grünen hat seine Macht im Umgang mit der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Nebahat Güçlü fortgesetzt missbraucht: durch die Behauptung, sie habe sich türkischen Rechtsextremisten angebiedert. Durch die Forderung, sie möge ihr Mandat aufgeben – es beruht auf Stimmen, die sie persönlich errungen hat, von Wählern, die ihr vertrauen. Ein Machtmissbrauch war auch die Forderung, eine Erklärung zu unterzeichnen, die einer bedingungslosen Unterwerfung gleichgekommen wäre: dass sie nämlich »in Zukunft« nicht »am rechten Rand um Stimmen werben« werde – als wäre je bewiesen worden, dass sie das getan hat. Ein Missbrauch von Macht war aber vor allem der Versuch, Nebahat Güçlü aus der grünen Partei auszuschließen – das ist die denkbar schärfste Sanktion, die der Partei zu Gebote steht, und sie ist nur den schwersten politischen Verfehlungen vorbehalten.
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Linke in Hamburg

Verdruckst und hinterhältig

Wie die Linkspartei sich ihrer Fraktionschefin entledigt hat, verrät viel über die Streitkultur der Partei

Es gäbe ja gute oder wenigstens nachvollziehbare Gründe für die neue Linksfraktion in der Bürgerschaft, ihre frühere Vorsitzende Dora Heyenn abzulösen. Da ist ihr Alter, Frau Heyenn ist 65, ein Generationswechsel stand also ohnehin an. Da ist ihr Ansehen, das unter politischen Gegnern größer ist als in der eigenen Partei: Das mag im Wahlkampf nützen, aber der Wahlkampf ist vorbei; nun kann die Partei sich mit einigem Recht eine Fraktionsspitze nach dem Herzen ihrer Mitglieder wünschen. Selbst der Einwand, man dürfe die eigene Spitzenkandidatin nach der Wahl nicht demontieren, ist wenig einleuchtend. Was eine Spitzenkandidatin einer Partei ist, die Regierungsämter gar nicht anstrebt, weiß ohnehin niemand.

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Hamburger Wahlrecht

Der Wahl-Unfall

Die Bürgerschaftsfraktion der CDU hat ihre wichtigsten Fachleute verloren – wollten ihre Wähler das? Wohl kaum. Schuld ist das Wahlrecht

Die ausgetretenen Pfade der Debatte um Hamburgs inzwischen nicht mehr ganz so neues Wahlrecht führen oft zu einem Schluss: Vielen Wählern ist es zu kompliziert, lieber enthalten sie sich ihrer Stimmen, als sich in das Namensdurcheinander mehrseitiger Wahlzettel zu vertiefen. Also schadet dieses Wahlrecht der Demokratie. Weiter„Der Wahl-Unfall“

 

Bürgerschaftswahl in Hamburg

Das Orakel

Die AfD im Parlament, die FDP im Aufwind? Die neuesten Umfragen sagen wenig über die Bürgerschaftswahl aus – umso kühner werden sie gedeutet.

Angeblich hat ein politisches Erdbeben Hamburg erschüttert. Angeblich steht die AfD „vor dem Sprung in die Bürgerschaft“, so berichtet das Hamburger Abendblatt. Und angeblich haben bei der FDP „gleich zwei Meinungsforschungsinstitute einen Sprung auf nun vier Prozent ausgemacht“, was deren Spitzenkandidatin Katja Suding zu einer kühnen Ansage inspirierte: „Wir machen uns im Laufschritt auf in Richtung fünf, sechs, sieben, acht Prozent.“
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Prozess Diren Dede

Der Doppelprozess

In der Verhandlung gegen den Mann, der Diren Dede erschossen hat, geht es auch um unser Urteil über Amerika

Es ist auch in Missoula, Montana nicht erlaubt, einen Einbrecher in einem Akt vorgetäuschter Notwehr zu erschießen. Es kann andererseits auch in Deutschland erlaubt oder jedenfalls straffrei sein, einen Menschen ohne echte Bedrohung in einem Akt vermeintlicher Notwehr zu töten. Weiter„Der Doppelprozess“

 

Flüchtlinge

Sturmwarnung

Im Streit um Flüchtlinge braut sich der nächste große Konflikt in der Hamburger Politik zusammen. Leider gibt es da nicht viel zu entscheiden

Man wird ja wohl mal fragen dürfen. Zum Beispiel, wie viele Flüchtlinge der eigene Bezirk so unterbringt. Die Umfrage, lanciert von Hamburgs Ex-Innensenator Dirk Nockemann, zurzeit AfD, ist die Quintessenz der AfD-Politik in den Bezirken. Die Zahlen, die er erfragt, sind belanglos, aber sie verändern die Stimmung. Weiter„Sturmwarnung“

 

Elbvertiefung

Warten auf die Weser

Wie ist die EU-Richtlinie zur Weservertiefung zu verstehen? Das Bundesverwaltungsgericht weiß es nicht genau – deshalb muss die Elbvertiefung warten.

Dass man es hinterher vorher gewusst haben will, ist im Journalismus ein gängiges Stilmittel. Im Fall der Elbvertiefung wäre dieser Trick zu offensichtlich, was ärgerlich ist: Was heute geschah, das hätte man vorher zumindest vermuten können.
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