An dieser Stelle einen großen Dank an unsern neuen Finanzminister für seine pragmatische Vorstellung von Finanzpolitik. Das, was man heute den Tageszeitungen entnehmen kann, hört sich vernünftig an. Ganz besonders freut mich sein Freimut einzugestehen, dass es aussichtslos sei, bis 2009 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das ist auch gar nicht nötig.
Der Wunsch nach null Staatsverschuldung ist eine dieser deutschen Neurosen, die kein volkswirtschaftliches Lehrbuch auch nur halbwegs erklären kann. Staatsschulden werden erst dann zur Gefahr, wenn es dem Staat nicht mehr gelingt, die Steuern für den Schuldendienst einzutreiben. Aber die weit verbreitete Vorstellung, dass wir die Schulden irgendwann zurück zahlen müssten, ist Quatsch. Deutschland muss nur so kreditwürdig bleiben, dass es prolongieren kann, also neue Schulden aufnehmen und damit die alten zurückzahlen kann.
Grundsätzlich gibt es in der ökonomischen Literatur keine Theorie, aus der sich eine optimale Schuldenquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt herleiten ließe. Deutschland hat knapp 70 Prozent Schulden, gemessen am BIP, genau wie Amerika. Japan bringt es auf 160 Prozent. Im Maastrichter Vertrag sind normativ 60 Prozent als Höchstgrenze gesetzt.
Wenn die Neuverschuldung in Deutschland geringer ausfällt als das BIP-Wachstum, geht der Schuldenstand gemessen am BIP zurück. Dafür braucht man keinen ausgeglichenen Haushalt, sondern Wachstum. Wachstum aber erreicht man nicht durch Kürzungen im Haushalt, sondern durch öffentliche Investitionen zum Beispiel, oder durch das Laufenlassen des sich abzeichnenden Aufschwunges. Eine Millionen Menschen mehr in Lohn und Brot und die Sozialkassen stellen sich um rund 35 Milliarden Euro besser, lautet eine grobe Faustformel.
Wie steht es um die Kreditwürdigkeit der Republik? Die Republik sei betriebswirtschaftlich pleite, posaunte unlängst der Hessische Ministerpräsident Roland Koch in die Mikrofone. Jürgen Stark, der stramme Vizepräsident der Bundesbank, sagte gestern in Tokio, die „öffentlichen Finanzen der Bundesrepublik seien außer Kontrolle“. Wissen diese Herren eigentlich worüber sie sprechen?
Deutschland besitzt die höchste Bonität am europäischen Kapitalmarkt. Es gibt keine Schuldtitel, die ein höheres Vertrauen bei Millionen Marktteilnehmern besitzen. Kein Credit Default Swap, eine Versicherung gegen den Zahlungsausfall eines Schuldners, ist günstiger zu haben, als der CDS für die Bundesrepublik. Wer irrt? Die Milliarden Euro-, Dollar-, Yen-schweren Vermögensverwalter oder die Herren Koch und Stark?
Und noch was: In seinem Weekly hat Dirk Schumacher, der Deutschlandchefvolkswirt von Goldman Sachs, vor zwei Wochen die verquere Debatte zu drehen versucht. Er verweist schlicht darauf, dass der Haushalt ja nicht deshalb im Minus sei, weil die Ausgaben rasant gestiegen seien. Im Gegenteil zwischen 2000 und 2004 sind die Staatsausgaben gesunken. Das Problem: Die Einnahmen sind noch kräftiger zurück gegangen und zwar von 46,9 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf 43,3 Prozent im Jahr 2004. Der Hauptgrund neben der Rezession: Die Steuerreform von Hans Eichel zu Beginn des neuen Jahrtausends, die die Unternehmen und Spitzensteuerzahler kräftig entlastet hat.