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Ein Konjunkturprogramm – jetzt!

 

Ausnahmsweise muss ich mal Michael Glos, den populistischen Wirtschaftsminister rühmen. Sein Haus bereitet angesichts des rapiden Abschwunges gerade Pläne für eine Konjunkturspritze vor. Glos ist zurzeit der einzige Politiker in der Großen Koalition, der den Sinn von Konjunkturprogrammen verstanden hat. Herr Glos, lassen Sie Merkel und Steinbrück zetern und stecken Sie noch weitere kluge Köpfe Ihres Hauses in das Projekt. Sie werden damit ganz groß rauskommen, denn schon in vier Wochen wird das Heulen und Zähneklappern unüberhörbar sein. Der Abschwung überrollt die deutsche Wirtschaft gerade. Sie müssen noch heftig am Design des Programms feilen und auch die Höhe ist mit zehn Milliarden Euro wohl etwas zu knapp bemessen. Aber der Reihe nach.

Die Konjunkturdaten der vergangenen Woche waren verheerend. Sie haben selbst im Hause der super-optimistischen Bundesbank für Unbehagen gesorgt. Der Ifo ist dann doch viel kräftiger gesunken, als gedacht. Die Fraktion der Pessimisten (zu der ich mich auch zähle) hat die Rezession schon ausgerufen (BHF-Bank) oder ist kurz davor (Deka, Natixis). Dabei ist mir die Debatte um technische oder nicht-technische Rezession piepe. Ich frage mich: Wo kommt das Licht am Ende des Tunnels her, wenn wir zwei Quartale weiter schauen? Da fällt mir nur der Ölpreis ein, der dann vielleicht unter 100 Dollar das Fass notiert und eine Gegentendenz im Abschwung aufbaut. Aber ansonsten? Exporte? Fehlanzeige. Die werden erst so richtig einbrechen. Denn aus Amerika und England ist nichts zu erwarten, aus Euroland so gut wie nichts. Denen geht es noch dreckiger als Deutschland. Das haben die Einkäufermanager-Indizes gezeigt. Spanien in Trouble, Italien in der Stagnation, Frankreich ein paar Monate vor Deutschland. Investitionen? Im Abschwung? Ohne steuerliche Anreize geht da gar nichts. Privater Konsum? Können wir angesichts nach wie vor sinkender Reallöhne komplett vergessen, es sei denn der Ölpreis rettet uns.

Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass es in zwei Quartalen erst so richtig ätzend wird, wenn Amerika sich nicht fangen sollte (angesichts der hohen Verschuldung der Haushalte und fallender Immobilienpreise eigentlich eine Illusion). Deshalb muss die Bundesregierung jetzt gegensteuern, wie ich dem Finanzminister in der Rundschau nahe legte (natürlich ohne Resonanz).

Konjunkturprogramme können sehr wohl helfen – entgegen dem Irrglauben in Deutschland, dass sie nichts als Strohfeuer seien. Selbst der Internationale Währungsfonds ist ja schon von seinem Dogma abgerückt und hält Nachfragestimulierung für sinnvoll, wenn es rasch abwärts geht. Dazu gibt es wunderbare Literatur aus Amerika. Zum Beispiel das Brookings Paper vom Januar 2008. Elmendorf und Furman „If, When, How: A Primer on Fiscal Stimulus“. Ein paar Grundideen aus den Erfahrungen der jüngsten, erfolgreichen Konjunkturprogramme: Sie müssen rasch aufgelegt werden, damit sie ihre Wirkung dann entfalten, wenn der Pessimismus um sich greift. Sie müssen auf einen Schlag Geld an die Haushalte verteilen und nicht über Monate gezogen. Und sie müssen vor allem den unteren Einkommensklassen zu Gute kommen, denn die reagieren anders als es Theoretiker erwarten würden, die die Ricardianische Äquivalenz wie eine Monstranz vor sich her tragen. Die unteren Einkommensschichten geben das Geld einfach aus – und stimulieren so die Konjunktur.

Und hier ein paar Hausaufgaben an Ihre Experten, Minister Glos:

1. Einführung der alten Pendlerpauschale schön und gut. Aber es geht deutlich besser: Angesichts des gestiegenen Armutsrisikos in Deutschland und galoppierender Energiepreise sowie der ganzen Debatte darum, wäre es klug, das Sicherungsniveau im Sozialstaat kräftig nach oben zu ziehen. Auf gut Deutsch: Hoch mit Hartz IV, auf sagen wir 400 oder 420 Euro anstelle der 361, die derzeit gelten. Diese Anhebung zöge automatisch einen höheren Steuerfreibetrag bei der Einkommenssteuer nach sich. Sie würde dort, wo die Konsumquote bei eins und drüber liegt, angesetzt.

2. Die Erhöhung der Pauschale*) sollte rückwirkend erfolgen und wie in Amerika per Scheck an die Haushalte ausgezahlt werden. So käme ein Schwung an Geld ins Haus. Das dürfte seine Wirkung nicht verfehlen.

3. Das ganze muss das erste Projekt nach der Sommerpause sein und sollte am 1. Oktober bei den Haushalten bereits ankommen.

4. So würden sich alle anderen Debatten über Sozialtarife für Energie oder höhere Energiezuschüsse erledigen. Das wäre auch klimapolitisch sinnvoll. Denn der Anreiz, Energie zusparen, sollte nicht vermindert werden.

*) Nachtrag (28 Stunden später): Asche auf mein Haupt. Ich habe mich unglücklich ausgedrückt und bin von den ersten Kommentatoren zurecht kritisiert worden. Aber ich habe etwas völlig anderes sagen wollen: Bei Punkt 2, der Pauschale, die ich nachträglich mit *) gekennzeichnet habe, passierte der Lapsus. Ich bin keineswegs ein Anhänger der Wiedereinführung der Pendlerpauschale, wie auch der Link zu Punkt vier klar macht! Was ich sagen will: Wenn wir HArtz IV erhöhen und damit das steuerfreie Existenzminimum und das alles rückwirkend, dann sollte das so generierte Geld als Einmalbetrag (Steuerscheck) ausgezahlt werden.