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Wer schrumpft, das ist die Frage

 

Dass der Finanzsektor schrumpfen muss, dürfte wohl unbestritten sein. Die Frage ist nur wie und, vor allem, wer. Welche Bank darf überleben, welche wird abgewickelt? Welche darf wachsen und welche wird halbiert?

Dass die klassische Antwort: „der Markt wird’s schon richten. Da überleben die Starken und das ist für alle von Vorteil“, zur Zeit nicht funktioniert, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. In Nichtkrisenzeiten mag man über die Richtigkeit dieser Antwort trefflich streiten, in diesen Krisenzeiten aber ist offensichtlich, dass über das Schicksal der Einzelbank nicht der Markt sondern die Politik entscheidet.

Welch bemerkenswerte Entscheidungen da getroffen werden! Und nach welchen Kriterien! Über das traurige Schicksal von Lehman Brothers ist schon viel geschrieben worden und über die fehlenden rationalen Gründe, weshalb gerade diese Bank sterben musste, während Bear Stearns und Merrill Lynch größeren Banken übereignet (geschenkt) wurden und wiederum andere, Goldman Sachs und Morgan Stanley dank freundlicher Staatshilfe weiter aktiv sein dürfen. In Deutschland wird endlich ein Bundestagsausschuss versuchen, die Gründe für die schier grenzenlose Bereitschaft staatlicher Stellen aufzudecken, die Hypo Real Estate mit dem Einsatz von sehr viel Geld vor dem Untergang zu bewahren. (Dass die Bundesbankspitze dem Parlament nun die Auskunft verweigert, ist ein weiterer Beleg dafür, dass diese Behörde endlich unter parlamentarische Kontrolle muss.)

Bei diesen Entscheidungen in der Vergangenheit lässt sich für die Entscheider immer die Entschuldigung finden, dass sie unter Zeitdruck und Mangel an Information gelitten haben. Für die Schrumpfungsentscheidungen, die jetzt auf breiter Front fällig werden, gilt das nicht. Umso schlimmer ist es, wie schief die Diskussion darüber geführt wird. Da wird auf breiter Front die Abschaffung der Landesbanken oder ihre Fusion zu einer großen Landesbank unter Aufgabe des größten Teils ihrer Geschäfte gefordert. Finanzminister Steinbrück macht die Bereitstellung von Bad Banks auch für die Landesbanken gegenüber den Ländern davon abhängig, dass sie endlich ihre Banken zusammenschmeißen. Die EU-Kommissarin Neelie Kroes schließlich fordert, nein ordnet an, dass die WestLB nicht nur ihr Geschäftsvolumen halbiert, sondern dass die Eigentümer der Bank sie gleich verkaufen.

Das ist alles nichts Neues. Die Öffentlichkeit hat sich an diese Art Landesbank-Bashing gewöhnt. Und in der Tat sieht es ja alles andere als hübsch aus, was SachsenLB, HSH Nordbank, BayernLB und einige andere sich an Fehlinvestitionen geleistet haben. Ebenso wenig erbaulich ist die Anblick, wie einige Politiker mit „ihren“ Banken umspringen: Etwa Jürgen Rüttgers, dem die Privatisierung der WestLB und die Schwächung der Sparkassen wichtiger war als die WestLB selber. Oder die FDP in Baden-Württemberg, die aus populistischen Gründen den LBBW-Chef Jaschinski absägt. Das Argument, Banken in privater Hand seien erfolgreicher als solche in Staatshand gewinnt an Plausibilität, wenn die Entscheider in den staatlichen Gremien versuchen, die staatlichen Institute zu Gunsten der privaten zu schwächen.

Dennoch ist es verblüffend, wie unterschiedlich Privatbanken und öffentliche Banken behandelt werden. Erstens vom Bundesfinanzminister. Er besteht auf der Zusammenlegung von Landesbanken, ehe er sie zu stützen bereit ist. Woher weiß Steinbrück, dass eine große Landesbank besser ist als mehrere kleine und mittelgroße? Er hat in Wirklichkeit keine Ahnung. Ihm haben seine Leute erzählt, dass die vielfältige Konkurrenz der Landesbanken den Privatbanken sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Kreditvergabe und sonstigen Dienstleistungen lästig ist und den Margen nicht gut tut. Sie haben Recht. So ist es. Nur folgt daraus noch lange nicht, dass es im Interesse der Öffentlichkeit liegt, diese Konkurrenz zu verringern. Die Krise im Finanzsektor ist schließlich unter anderem entstanden, weil die Banken, einschließlich der öffentlichen, zu viel, nicht weil sie zu wenig Gewinn gemacht haben. Warum hat Steinbrück schließlich 18 Mrd. Euro in das Projekt Commerzbank gesteckt und dann noch darauf verzichtet, sie zu einer öffentlichen Bank zu machen? Er hat damit die Fehlentscheidung des Commerzbank-Vorstandes, die Dresdner Bank zu übernehmen, mit sehr viel Geld abgesegnet. Gegenüber dem politischen Kontrollgremium des Soffin, der die Entscheidung mit den 18 Mrd. Euro formal getroffen hatte, wurde die Aktion mit der rhetorischen Frage gerechtfertigt, ob die Herren denn auch noch die Versicherungswirtschaft gefährden wollten. Die Allianz war gemeint, die bei der offenbar akut drohenden Pleite der Dresdner Bank ganz schön hätte zuschießen müssen.

Das aber wird alles nett im Ungefähren gelassen. Die Soffin-Aufseher akzeptieren, dass ausgerechnet der Marktführer in der Assekuranz satte Staatshilfe bezieht. Die EU-Kommission und deren kluge Frau Kroes schließlich tut so, als wüsste sie von nichts. Auch inmitten der Finanzkrise tut sie so, als würde sie jede staatliche Beihilfe genauestens prüfen um dann Auflagen zu erteilen. So steht also eigentlich die Prüfung des gesamten EU-Bankensektors an. Schließlich genießen alle Banken seit Oktober 2008 nicht nur die staatliche Garantie der Kundeneinlagen sondern überhaupt eine Überlebensgarantie. Dennoch fährt also Frau Kroes fort wie bisher. Im Commerzbank-Verfahren taucht die Allianz aber gar nicht auf. Der Begünstigte wurde so geheim begünstigt, dass Auflagen für den Münchener Riesenkonzern gar nicht erst erörtert werden. Die Commerzbank schließlich muss, oh Schreck und Entsetzen, die erst vor kurzem eingekaufte Hypothekentochter Eurohypo weggeben. Bevor diese Entscheidung fiel, hatte sich kurz noch Bundesbank-Chef Axel Weber eingemischt. Er warf die Frage auf, was die Kommission eigentlich zu irgendwelchen Urteilen über die Banken befähige. Das war eine berechtigte Frage. Auffällig aber ist doch, dass Weber diese Frage nicht stellte, als es um die Bankgesellschaft Berlin oder auch jetzt wieder einmal um die WestLB ging. Auch Weber ist anscheinend in das Privateigentum an Banken verliebt.

Aber Frau Kroes‘ Urteil ging ja gut aus. Weber, Commerzbank-Chef Blessing und die Börse befürchteten schon, es könne den interessanten Anteilsbesitz der Bank in Osteuropa treffen. Nichts dergleichen. Nur die Eurohypo musste weg. Sie loszuwerden, darüber wäre Blessing ohnehin ganz froh. Diese nette, große Tochtergesellschaft ist im gleichen Geschäftssegment tätig wie die zuletzt so überaus erfolgreiche HRE. Blessings Problem dürfte eher sein, dass er für die Eurohypo keinen Käufer findet, der auch nur einen Cent oder ausgestorbenen Pfennig dafür zahlt.

Nun, da der Bund also widerstrebend für seine 18 Mrd. Euro größter Aktionär bei der Commerzbank ist, lässt er seine – unsere – Interessen im Aufsichtsrat durch zwei Privatleute vertreten: Nikolaus von Bomhard und Edgar Meister. Letzteren kenne ich: ein angenehmer Mensch, der allerdings Konflikten gern aus dem Wege geht. Er war zuletzt, vor seiner Pensionierung im Vorstand der Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig. Unter dem Trommelfeuer der veröffentlichten Meinung und des privaten Bankenverbandes hat die Bundesbank unter seiner Ägide ihre Meinung zum öffentlichen Eigentum an Banken und Sparkassen, die vorher liberal war, in Richtung der generellen Ungehörigkeit dieses Staatseigentums angepasst. Von Bomhard ist Vorstandsvorsitzender der Münchener Rück. Nachdem der Bund dem ersten Institut des Versicherungsgewerbes, der Allianz, ein sattes Geschenk hat zukommen lassen, lässt er seine Interessen im Aufsichtsrat der Commerzbank also vom zweiten Spitzenmann der Assekuranz aus dem Nachbarunternehmen in der Münchner Königinstraße vertreten.

Ich weiß, das alles zu konstatieren, ist noch weit entfernt von einem konstruktiven Vorschlag, an welchen Stellen der Finanzsektor tatsächlich radikal geschrumpft werden sollte. Ein Vorschlag meinerseits wäre es, die kapitalgedeckte, privatisierte Rente (Riester-Rente) sowie die privaten Krankenkassen systematisch wieder abzubauen.

Noch wichtiger als die Schrumpfung der Banken und Versicherungen ist, das Ende von Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds in die Wege zu leiten. Wie das zu machen ist? Recht einfach: indem man sowohl die Erträge der Kunden dieser Fonds als auch die Gebühren und Abzweigungen des Managements voll besteuert. Natürlich, das ist nur im Prinzip einfach. In Wirklichkeit werden die Heimatländer dieser Fonds, die USA und Großbritannien, solch unsittliches Handeln zu verhindern wissen.

Die von mir außerordentlich geschätzte Gillian Tett von der Financial Times hat am 8. Mai einen flammenden Kommentar geschrieben, dass man nicht den unregulierten Fonds auf die Pelle rücken sollte sondern den regulierten Banken. Denn, so ihre Argumentation, was die Krise wirklich schlimm gemacht habe, seien nicht die Aktivitäten der Fonds sondern das Verhalten der großen, unter Aufsicht stehenden Banken gewesen. Auf den ersten Blick leuchtet diese Argumentation sogar ein. Denn das verrückte Verhalten so bedeutender Großbanken wie UBS, Citibank oder Merrill Lynch und das von den Aufsehern gebilligte Auslagern von Geschäften hatte eine wirklich verheerende Wirkung. Die Hedge-Fonds konnten meist stiller geschrumpft oder abgewickelt werden. (Allerdings haben zu Beginn der Krise 2007 die beiden fallierenden Hedge-Fonds von Bear Stearns eine verschärfende Wirkung ausgeübt.)

Entscheidend aber ist nicht die Frage, wer oder was die Krise ausgelöst und dann verschärft hat, sondern vielmehr, welche Entwicklungen und Strukturen zu den ökonomischen Zuständen geführt haben, die sich in der Krise entluden. Wenn man danach fragt, wird man am Zuwachs an Macht und Volumen der Fonds für die Vermögenden, also der Hedge- und Private-Equity-Fonds nicht vorbeigehen können. Sie waren Symptom und zugleich wesentliche Akteure bei der Aufblähung des Finanzsektors und der schließlich größten Spekulationswelle, unter deren üblen Folgen die Welt nun zu leiden hat.