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Warum die Terroristen nicht gewinnen können (und Iran auch nicht)

Hier ein Auszug aus dem wichtigsten Buch des Jahres – Fareed Zakarias „The Post-American World“. Zakaria stellt den Westen in den Kontext der aufsteigenden (ehemals) Dritten Welt – „The Rise of the Rest“. Und er wägt Risiken und Chancen dieses enormen Wandels ab. Es ist extrem erfrischen, wie er Probleme relativiert, die uns die größten scheinen, wie etwa den islamistischen Terrorismus und das iranische Atomprogramm. Jawohl, ich meine das poltitiv: Zakaria relativiert, indem er diese Krisen in ein Verhältnis zu anderen historischen und aktuellen Problemen setzt. Das Buch erscheint demnächst auf Englisch, Anfang des kommenden Jahres auch auf Deutsch. Ich lese gerade die Fahnen und werde demnächst mehr berichten.
Zakaria ist der Chefredakteur der internationalen Ausgabe von Newsweek und einer der klügsten Kommentatoren der internationalen Politik. Hier ein Exzerpt aus der aktuellen Ausgabe von Newsweek  (und hier ist einer erste Rezension in der New York Times):

„The threats we face are real. Islamic jihadists are a nasty bunch—they do want to attack civilians everywhere. But it is increasingly clear that militants and suicide bombers make up a tiny portion of the world’s 1.3 billion Muslims. They can do real damage, especially if they get their hands on nuclear weapons. But the combined efforts of the world’s governments have effectively put them on the run and continue to track them and their money. Jihad persists, but the jihadists have had to scatter, work in small local cells, and use simple and undetectable weapons. They have not been able to hit big, symbolic targets, especially ones involving Americans. So they blow up bombs in cafés, marketplaces, and subway stations. The problem is that in doing so, they kill locals and alienate ordinary Muslims. Look at the polls. Support for violence of any kind has dropped dramatically over the last five years in all Muslim countries.
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Fareed Zakaria Foto: (CC) Larry D. Moore

Militant groups have reconstituted in certain areas where they exploit a particular local issue or have support from a local ethnic group or sect, most worryingly in Pakistan and Afghanistan where Islamic radicalism has become associated with Pashtun identity politics. But as a result, these groups are becoming more local and less global. Al Qaeda in Iraq, for example, has turned into a group that is more anti-Shiite than anti-American. The bottom line is this: since 9/11, Al Qaeda Central, the gang run by Osama bin Laden, has not been able to launch a single major terror attack in the West or any Arab country—its original targets. They used to do terrorism, now they make videotapes. Of course one day they will get lucky again, but that they have been stymied for almost seven years points out that in this battle between governments and terror groups, the former need not despair.

Some point to the dangers posed by countries like Iran. These rogue states present real problems, but look at them in context. The American economy is 68 times the size of Iran’s. Its military budget is 110 times that of the mullahs. Were Iran to attain a nuclear capacity, it would complicate the geopolitics of the Middle East. But none of the problems we face compare with the dangers posed by a rising Germany in the first half of the 20th century or an expansionist Soviet Union in the second half. Those were great global powers bent on world domination. If this is 1938, as some neoconservatives tell us, then Iran is Romania, not Germany.“

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Die Zahl der Einwanderer geht weiter zurück

Ein paar Fakten aus dem Migrationsbericht 2006 (das ist der aktuellste, Ende letzten Jahres erstellt), der am Freitag im Bundestag Thema sein wird:

– Der Wanderungssaldo Deutschlands war im Jahr 2006 auf seinem bisher niedrigsten Stand seit 1984 (plus 23 Tsd. Personen).
– Hinsichtlich der Wanderung von Deutschen ergibt sich für das Jahr 2006 ein Wanderungssaldo von minus 59 Tsd. Personen. Hauptzielland für deutsche Auswanderer, aber auch Hauptherkunftsland für Rückkehrer sind die USA.
– Auffällig ist eine weiter gesunkene Zahl von Spätaussiedlern, womit der Trend aus den vergangenen Jahren fortgesetzt wurde.
– Migration hat einen positiven Einfluss auf die Altersstruktur der Bevölkerung.

Durch die gegenüber der Vergangenheit verbesserte Datenlage (neue Speichersachverhalte auf Grund der Änderung durch das Zuwanderungsgesetz) kann eine differenziertere Darstellung der einzelnen Zuwanderergruppen nach Aufenthaltszwecken erfolgen:

– Die Zahl ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen hat sich seit 1993/94 kontinuierlich erhöht. Etwa 2000 ausländische Absolventen machten 2006 von der neuen Möglichkeit, nach dem Studium eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einem adäquaten Arbeitsplatz zu erhalten, Gebrauch.
– Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 erhielten bis Ende 2006 1.123 hochqualifizierte Ausländer eine Niederlassungserlaubnis nach § 19 AufenthG. Gegenüber 2005 war im Jahr 2006 eine leichte Steigerung bei der Ersteinreise von Hochqualifizierten zu verzeichnen.
– Der seit 1993 anhaltende Rückgang bei Asylantragstellern hat sich weiter fortgesetzt (21 Tsd. Personen im Jahr 2006).
– Nachdem im Jahr 2005 nur zögerlich von der Härtefallregelung Gebrauch gemacht wurde, erhielten im Berichtsjahr 3.021 Personen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG (2005: 454 Personen).
– Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der Gesamtbevölkerung Deutschlands liegt konstant bei 8,8%. Die größte Ausländergruppe bildet nach wie vor die türkischer Staatsangehöriger (25,6%). Fast gleich viele sind Unionsbürger (24,4%).
– Zwei Drittel der ausländischen Bevölkerung lebt seit zehn oder mehr Jahren, fast 70 % seit acht oder mehr Jahren in Deutschland (letztere erfüllen damit zumindest eine der Einbürgerungsvoraussetzungen).
– Seit Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes im Jahr 2000 wurden ca. 1 Mio. Personen eingebürgert.

Im Jahr 2006 wurden 50.300 Visa zum Ehegattennachzug erteilt. Ein Jahr zuvor waren es noch 52.300 gewesen. Im Vergleich zum Höchststand von 2002 (85.305 erteilte Visa) läßt sich 2006 ein Rückgang um 41 % feststellen. Im Jahr 2006 übersteigt der Zuzug von Ehegatten zu deutschen Partnern erstmals die Zahl des Zuzugs zu ausländischen Partnern. Dies ist teilweise auf die erfolgte Einbürgerung von Ausländern unter dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht zurückzuführen.
Zwischen 1998 und 2003 schwankte die Zahl der Visa für türkischen Familiennachzug zwischen 21.000 und 27.000. Bis 2006 ist sie auf 11.980 Visa zurückgegangen.

Das sind die Fakten. Nachzulesen im Migrationsbericht auf den Seiten 106-109.

 

Türkische Schulen lehren einen moderaten Islam in Pakistan

Die New York Times berichtet über die Gründung türkischer Schulen in Pakistan, die eine moderate Alternative zu den radikalen Medressen darstellen könnten. Hinter den neuen Internaten steht das Netzwerk der Gülen-Bewegung.
Diese ist nun allerdings selbst keineswegs unproblematisch. Im Kontrast zu der pakistanischen Alternative – mit saudischem Geld finanzierte Koranschulen, die den Nachwuchs der Radikalen ausbilden – mag der Sufi-Islam der Gülen-Bewegung klar vorzuziehen sein. Aber die Gülen-Bewegung, darauf verweist der Artikel, hat einen politischen Impetus, der über Bildungsprogramme durchgesetzt werden soll – die post-osmanische Wiederkehr türkischer Führungsmacht in der muslimischen Welt, eine Art intellektuelles Kalifat.
Mit Vorsicht zu genießen, auch wenn die Distanzierung Gülens von Terror und Gewalt glaubhaft ist.

 

Wie man eine iranische Prostituierte erkennt

Der ehemalige Teheraner Polizeichef Reza Zarei hat im Gefängnis einen Selbstmordversuch unternommen. (So wird es jedenfalls gemeldet.) Zarei war vor einem Monat mit 6 (!) nackten Frauen zusammen erwischt worden. Besonders pikant daran: Der Mann, der hier die Dienste von Prostituierten in Anspruch nahm, war verantwortlich für die Tugendterror-Kampagne unter dem Präsidenten Machmud Achmadinedschad im letzten Jahr, über die ich verschiedentlich berichtet habe.
Diese unglaubliche Geschichte – sie erinnert ein wenig an die republikanischen Politiker in Amerika, die als schwul geoutet wurden oder außereheliche Affären einräumen mußten – wirft eine kniffelige Frage auf, die spezifisch iranisch ist: Wie erkennt man eigentlich in einem Land mit Zwangsverschleierung eine Prostituierte?
Die Antwort liefert freundlicherweise ein Artikel in Slate: Die meisten Prostituierten finden sich in Ghom, der theologischen Hauptstadt Irans mit ihren vielen Seminaren und Moscheen. Das Publikum besteht in starkem Maß aus Pilgern und den Theologie-Studenten der dortigen Seminare. Man erkennt die Frauen daran, daß sie sich an bestimmten Orten aufhalten. Zuhälter ermöglichen es, trotz Schleiergebot einen Blick auf die Frau werfen zu können. Zwar sind die Strafen für Prostitution hoch – von Peitschenhieben bis zur Exekution. Doch es gibt auch ein theologisches Konstrukt – die Ehe auf Zeit, genannt Sigheh (kann auch für eine halbe Stunde eingegangen werden) – , das die Prostitution (schiitisch-)islamisch korrekt absegnet. Viele der jungen Frauen sind Junkies und Ausreißerinnen, die am Ende eines verzweifelten Weges in der Prostituion landen.

 

Schuldet der Westen dem Islam nichts?

Dies behauptet der Historiker Sylvain Gouguenheim von der ENS Lyon in seinem neuen Buch. Er will darin die gängige These widerlegen, dass das Mittelalter erst durch islamische Gelehrte mit dem Erbe der Antike wieder vertraut worden sei. Gouguneheim bestreitet, dass das Erwachen Europas aus dem Mittelalter erst durch die arabischen Gelehrten möglich geworden sei, die das Wissen der Griechen tradiert hätten.
In Frankreich gibt es schon eine kleine Kontroverse um das Buch.

Hier ein Ausschnitt des Artikels von John Vinocur in der heutigen Herald Tribune:
For a controversy, here’s a real one. Gouguenheim, a professor of medieval history at a prestigious university, l’École Normale Supérieure de Lyon, is saying „Whoa!“ to the idea there was an Islamic bridge of civilization to the West. Supposedly, it „would be at the origin of the Middle Ages‘ cultural and scientific reawakening, and (eventually) the Renaissance.“

In a new book, he is basically canceling, or largely writing off, a debt to „the Arabo-Muslim world“ dating from the year 750 – a concept built up by other historians over the past 50 years – that has Europe owing Islam for an essential part of its identity.

„Aristote au Mont Saint-Michel“ (Editions du Seuil), while not contending there is an ongoing clash of civilizations, makes the case that Islam was impermeable to much of Greek thought, that the Arab world’s initial translations of it to Latin were not so much the work of „Islam“ but of Aramaeans and Christian Arabs, and that a wave of translations of Aristotle began at the Mont Saint-Michel monastery in France 50 years before Arab versions of the same texts appeared in Moorish Spain.

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Chinas rätselhaftes Gesprächangebot an den Dalai Lama

Ich habe mit den Kollegen Georg Blume (Peking) und Jochen Bittner (Brüssel) ein Stück zur Wende im Tibet-Streit geschrieben. Auszug:

Peking/Berlin/Brüssel
Ist es nur ein Propagandatrick oder doch ein ernst gemeintes Verhandlungsangebot? Chinas Kommunisten haben der Welt ein Rätsel aufgegeben. Eben noch nannten sie den Dalai Lama einen »bösen Geist mit menschlichem Antlitz und dem Herzen einer Bestie«. Jetzt wollen sie mit der Bestie reden, sogar schon in den nächsten Tagen. Wer hätte das vor den Olympischen Spielen im August noch für möglich gehalten?
Ist das ein »Triumph der europäischen Diplomatie«, wie die New York Times bemerkt? Die Pekinger Wende wurde immerhin in Anwesenheit des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso verkündet, der gerade zu einem Gipfeltreffen mit Premierminister Wen Jiabao in der chinesischen Hauptstadt weilte. Brüssel aber übt sich in geradezu buddhis­ti­scher Bescheidenheit. Niemand glaubt, die EU könne das chinesische Einlenken allein für sich verbuchen. Schließlich pflegten die großen Mitgliedsländer den Dialog mit China auf eigene Rechnung und mit verteilten Rollen – Frankreich und England bis hin zur Boykottdrohung, Deutschland neuerdings wieder eher diplomatisch-verbindlich.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat seit Beginn der Tibetkrise drei Mal ausführlich mit dem chinesischen Außenminister Yang Jiechi gesprochen. Die Berliner Diplomaten waren denn auch nicht überrascht von der chinesischen Wende: Schon im zweiten Gespräch Steinmeiers mit Yang zeichnete sich ab, dass die freundlich-bestimmte Mahnung zum Dialog mit dem Dalai Lama von den Chinesen nicht mehr nur als Demütigung durch den Westen, sondern auch als Chance gesehen wurde, selbst wieder handlungs­fähig zu werden. Am 15. April telefonierte Steinmeier zum dritten Mal mit Yang, zu dem er einen guten Draht hat, seit beide die deutsche Dalai-Lama-Krise vom Herbst vergangenen Jahres bei­gelegt hatten. Und am 16. April erhielt der gegenwärtige EU-Ratspräsident, der Slowene Janez Jansa, in Brüssel einen Brief aus Peking. Darin teilte ihm der chinesische Premierminister mit, Vertreter des Dalai Lama empfangen zu wollen. Es wurde vereinbart, die Neuigkeit bis zum Gipfeltreffen von Wen Jiabao und Manuel Barroso in der vergangenen Woche geheim zu halten. Barroso, berichtet ein EU-Diplomat, der die Verhandlungen in Peking begleitet hat, habe Wen gesagt, europäische Regierungen würden ebenfalls die ganze Zeit kritisiert. Was sei daran so schlimm? Kritik sei nicht als Beleidigung, sondern als Möglichkeit zu betrachten, die Dinge zu verbessern. Und siehe da: Der prinzipienfeste Pragmatismus kam nicht schlecht an.
Europa soll den Dalai Lama drängen, der Politik abzuschwören
Zum Feiern ist gleichwohl noch niemandem zumute. Denn die freundlichen Mahnungen der Eu­ro­päer allein hätten wohl kaum die Wende gebracht. Das Pekinger Politbüro unter Hu Jintaos Führung sah angesichts des Fackellauf-Desasters offenbar keinen anderen Ausweg mehr. Der Weg zum Verhandlungstisch sei darum eher ein »taktischer Kompromiss«, meint Zhu Feng, Professor für Internationale Beziehungen an der Peking-Universität. Nun aber müssten China und der Westen gemeinsam nach Möglichkeiten der Deeskalation suchen, so Zhu.
Peking will den Westen mit an Bord nehmen und hat ihm dabei eine überaus knifflige Aufgabe zugedacht. Es klingt harmlos, wenn es nun heißt, die Regierungen in Europa und den USA sollten »Mitverantwortung für den Verhandlungsprozess übernehmen«. In anderen Worten bedeutet dies: Sie sollen den Dalai Lama drängen, seine politischen Forderungen aufzugeben…

Mehr morgen in der Printausgabe an einem Kiosk Ihres Vertrauens

 

Afghanistan – Verbot für Jeans und Makeup geplant

Wer braucht noch Taliban, wenn er ein solches Parlament hat?
Kanishk Tharoor weist in Opendemocracy auf eine anstehende Entscheidung des afghanischen Parlaments hin. In Kabul wird ein Gesetzentwurf beraten – gegen Make-Up, Jeans für Männer, langes Haar und Paare, die sich in der Öffentlichkeit unterhalten. Wenn sich solche Nachrichten häufen, wird es immer schwerer werden zu begründen, warum wir mit unseren Truppen in diesem Land sind und bleiben sollen:

„The Taliban don’t need to recapture Kabul for their puritan and parochial values to recapture the public stage. Afghan lawmakers – part and parcel of the new, democratic government installed since the toppling of the Taliban in 2001 – are edging towards reintroducing strict bans on supposedly un-Islamic cultural forms. After six years of uncertainty, corruption, carnage and waning confidence, Afghanistan may be sliding right back to where it didn’t want to be.

Parliamentarians this week are considering a law „to ban makeup, men’s jeans, long hair and couples talking in public“. The measure comes fast on the heels of an earlier move to suspend the broadcast of popular Indian soap operas that have dominated Afghan airwaves and TV screens since the opening of the media in 2001. Following a consultation with the Council of Clerics – the country’s top body of ulema – Abdul Karim Khurram, the minister for information and culture, deemed the serials to be out of sync with „Afghan religion and culture“ and issued a deadline for private TV channels to cut the programmes‘ transmission. So much for the tired notion that the Muslim world lives in perpetual fear of western culture – in Afghanistan’s case, it’s Bollywood that’s the bigger bogeyman.“

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Der Islam der Wüste gegen den Islam der Städte

Pankaj Mishra erzählt im New York Times Magazine von einem Besuch bei dem ägyptischen Autor Alaa al Aswani, der einen literarischen Salon in Kairo unterhält, in dem offen über Religion, Kunst und Politik debattiert wird. An einem Abend wird über die „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie debattiert. Al Aswani sieht sich genötigt, aus dem Leben des Propheten zu begründen, warum es nicht aus dem Islam heraus gerechtfertigt werden könne, Rushdie zu töten.
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Alaa al Aswani, Autor und Zahnarzt

Währenddessen sitzen zwei bärtige junge Männer im Raum und machen Notizen. Es folgt ein Austausch zu der Losung der Muslimbrüder „Der Islam ist die Lösung“.
Ein seltener Einblick in innerägyptische Debatten:

„As though underlining Nasser’s failure to build a modern and secular Egypt, there were budding Islamists in the audience that evening: two thin young men, most likely students, wearing piously long beards. Defiantly asserting their faith in a secular setting, they invited curious, even slightly hostile, glances, especially from a woman with dyed blond hair who wore stilettos and a purple T-shirt over tight white pants. A balding middle-aged man, who while we waited for Al Aswany smilingly passed around copies of a book with a glossy green cover (self-published, it was dedicated to “all the oppressed people in the world”), ignored the young men.

Silence fell as Al Aswany, wearing a bright yellow short-sleeved shirt, entered the room. After some brief remarks about the books to be discussed the following week, he began to speak about the evening’s topic, “art and religion.” Initially slow, he gathered speed until something like passion appeared in his Arabic speech, and he leaned forward on the table and waved his long thick arms.

He described the controversies surrounding Salman Rushdie and the Danish cartoons of the Prophet Muhammad, explaining why the two realms of art and religion, which in the West were typically seen as separate, often clashed. It was a complicated argument, and I could follow only some of it in the translation provided by my interpreter. But the bearded young men diligently took notes and then were the first to raise their hands after Al Aswany, exhausted from his exertions, collapsed back in his chair and invited questions from the audience. “Why,” one of them asked, “did Salman Rushdie’s novel” — “The Satanic Verses” — “which insulted Islam, receive so much prominence in the West?”

“Rushdie,” he began, “is a good writer. I haven’t read ‘The Satanic Verses,’ but whatever was in the novel did not justify Khomeini’s fatwa against him. Islam doesn’t give anyone the right to kill.” He stressed the importance of compassion in Islam by recounting a story of the prophet. One day his grandsons jumped on his back when he was bent in prayer. Such was the prophet’s kindness to people weaker than him that he extended his prayer so as not to disturb the children. Indeed, he would often cut short his sermon if he heard a baby crying, and he forbade the cutting of trees even during war. “How can anyone,” Al Aswany asked, “use the same prophet’s name to kill? You can see clearly there has been a terrible interpretation of Islam.”

The bearded young men wrote faster in their notebooks. Al Aswany was just warming to his theme. The Islam, he continued, of Egypt and other large metropolitan civilizations like Baghdad and Damascus had been marked by tolerance and pluralism. It couldn’t be more different from the Islam of the desert, such as had developed in Saudi Arabia. Desert nomads did not have much time for art; they hadn’t created any. The tragedy for Egypt was that it now had to deal with the philistine and intolerant versions of Islam coming from places like Saudi Arabia. All the battles won in Egypt after the 1919 and 1952 revolutions — especially the battle for women’s rights — had to be refought.

Looking directly at the bearded young men, he said: “The Muslim Brotherhood says, ‘Islam is the solution.’ So when you oppose them, they say, ‘You are opposing Islam.’ It’s very dangerous. Very dangerous.” He repeated in a louder voice: “In politics, you have to have political solutions. What does it mean to say, ‘Islam is the solution’?”

By the end of this speech, Al Aswany was gesticulating furiously. Later, surrounded by reverent fans in the corridor, patiently signing autographs and receiving unsolicited books, he seemed calmer. But some of his exasperated passion of the previous few minutes returned when he looked up and saw me. As the small crowd around him gaped, he said: “Did you see those confused young men? This is the big problem today in Egypt. You have the dictatorship, and then you have the Muslim Brotherhood. People’s thinking is limited by these two options. Young people in my time were not so confused. My generation, we of the left, knew where we stood. These young men don’t know what is what. So I have to explain everything to them.”
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Ehe und Integration

Mitbloggerin Miriam meint:
„Diese ganze Fakten sind besorgniserregend.“
Ja, in der Tat. Aber ich habe die jungen Leute aus der Shell-Studie 2000 auch deswegen zitiert, um zu zeigen, dass es gesellschaftliche Normen sind, die Ehen bzw. Beziehungen mit Deutschen torpedieren und nicht Abneigung. Aus vielen Interviews mit Deutschtürkinnen und -Türken in der Studie ging hervor, sie würden gerne, wenn sie dürften, aber sie dürfen nicht.

„Wieviel Zeit haben wir noch?“

Diese Frage müssten sich eigentlich die türkeistämmigen Communities und Familien stellen. Sie müssten einsehen, dass Endogamie und transnationale Heirat Integrationsbarrieren sind, die sie selbst errichtet haben und die von ihnen abgebaut werden müssen.

Ich bin nicht sehr optimistisch, dass das passieren wird,
denn, wie man in diesem Blog unschwer erkennen kann, löst Kritik an arrangierten Ehen und traditionellen Normen einen Abwehrreflex aus, sogar bei den gebildeten türkeistämmigen Migranten, die Pioniere des Wertewandels sein könnten.

Ates, Kelek und Cileli werden von den eigenen Landsleuten nicht als Aufklärerinnen gefeiert, sondern gelten auch bei vielen türkeistämmigen Akademikern als Netzbeschmutzerinnen. Ihnen wird vorgeworfen, Einzelfälle zu verallgemeinern. Nach einem Vortrag von Kelek neulich sagte mir eine empörte Studentin: „Die macht es uns noch schwieriger, uns zu integrieren!“. Die an Kelek gerichteten Wortbeiträge von türkeistämmigen Zuhörern (allesamt Studierenden, z.T. mit Kopftuch) lassen sich so zusammenfassen:
„Bei uns gibt es keine Zwangsheirat, keine arrangierte Ehen und der Islam ist frauenfreundlich.“
Diese Abwehrhaltung ist es, die verhindert, dass ein Prozess der kritischen Reflexion in Gang kommt.

Um die soziale und wertmäßige Integration in die Moderne zu verhindern (d.h. um ihre Kinder nicht an die fremde Gesellschaft zu verlieren), haben sich ein Teil der türkeistämmigen Familien und Communities von Beginn der Migration an auf die Tradition berufen. Nicht bedacht wurde, dass es ohne soziale und wertmäßige Integration bzw. ohne das soziale und kulturelle Kapital, das man dadurch erwirbt, nicht möglich ist, sich erfolgreich bildungs- und berufsmäßig zu integrieren. Anstatt diese unerwünschte Nebenfolge zu thematisieren, setzt man in Teilen der türkischen Communities sogar noch eins drauf: Man beruft sich jetzt auf die Religion als eine Ebene der Legitimation des Status quo, die noch höher ist als die Tradition, um die soziale und wertmäßige Integration zu verhindern. Integrationssoziologisch betrachtet ist das Selbstsabotage. Aus Sicht der betreffenden Migranten ist es rationales Handeln, denn der Verlust der Kinder – oder der Ehre – wiegt schwerer als schulischer Misserfolg oder Arbeitslosigkeit.

Es ist schade, dass einige der klügsten deutschtürkischen Köpfe eine Lanze für die Tradition brechen. Zu ihnen zähle ich Ekrem Senol von jurblog, der auch für Milli-Görüs schreibt. Vielleicht könnte man ihn als Jurist zum Umdenken bewegen mit einem Hinweis auf Artikel 16 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, der lautet:

„1.Heiratsfähige Frauen und Männer haben ohne Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sie haben bei der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung gleiche Rechte.
2.Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden. (…)“

Die strenge Endogamienorm in den traditionellen türkeistämmigen – sowie in anderen – Migranten-Communities verstößt gegen Artikel 16.1, denn diese Norm gebietet es den Mitgliedern, nur Menschen der eigenen Ethnie und Religion zu heiraten. Und arrangierte Ehen, wenn sie nicht auf ausdrücklichen Wunsch der künftigen Ehegatten hin in die Wege geleitet werden, verstoßen gegen Artikel 16.2. Es kommt häufig vor, dass Eltern die Ehe einfädeln und ihre Kinder erst zu einem späteren Zeitpunkt in ihre Pläne einweihen. Aus Liebe zu und Respekt vor Eltern und Familie willigen die Betroffenen in die Heirat ein. Auch ein solches Arrangement verstößt gegen Artikel 16.2, denn die „Willenseinigung der künftigen Ehegatten“ ist eingeschränkt durch gesellschaftliche Normen der Liebe, der Rücksichtnahme und des Respekts, die das Wohl des Kollektivs über das individuelle Glück stellen und genauso viel oder sogar mehr Zwang ausüben können wie physische Gewalt.