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Zur Verteidigung der deutschen Islamdebatte

Mein Statement bei der Diskusssion mit Daniel Pipes letzte Woche in Berlin (mit Überschneidungen, aber entscheidenden Verbesserungen (hopefully) zum Vortrag in Delhi):
Things have become tense in Germany lately. Debates about Muslims as a minority, about Islam as a defining factor of our national identity, about the new emerging German “We” are raging.
That is not necessarily a bad thing at all. Sleepwalking into segregation is not an alternative. So it’s good that the general public has woken up to the issues we are debating tonight. I’d rather have a contentious, sometimes even ugly debate than the silence of complacency and avoidance that has been around for much too long. We are moving fast past avoidance, or – to use a more positive word – past tolerance. Tolerance has very often been another word for ignorance. In our pluralistic, increasingly diverse societies, this just doesn’t work anymore: if your neighbor, who came as a guest, has made up his mind to stay for good, you will take another look at him. And he will take another look at you.

This is when conflicts in an immigration society really begin: they are not over, when everybody stops lying to themselves and starts admitting that “this is not temporary” (and by the way, it never was). No, conflicts do not end here, they begin.
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Der Facebook-Dschihad

Ein ausführlicher Artikel in der Washington Post beschäftigt sich mit Zachary Adam Chesser, der Lesern dieses Blogs nicht unbekannt ist. Er war einer der Aktivisten von „Revolution Muslim“, der amerikanischen Konvertiten-Truppe, die im Frühjahr gegen South Park agitiert hatte. Chesser ist unterdessen vom FBI einkassiert worden, als er versuchte, die USA in Richtung Somalia zu verlassen, um sich dort Al-Shabab anzuschließen.
Die Geschichte über die Instant-Radikalisierung dieses jungen Mannes aus North-Virginia ist sehr aufschlussreich, weil sie zeigt, welche Rolle das Internet heute für die Agitation spielt. Chesser hatte durch das Internet Kontakt zu dem jemenitisch-amerikanischen Terroristen Al-Awlaki aufnehmen können. Er selber verbreitete Videos auf Youtube und nutzte das Web, um gegen South Park zu agitieren.
Chessers Radikalisierung erinnert an viele andere vergleichbare Karrieren, die wir in den letzten Jahren mitbekommen konnten. Etwa bei den „Sauerländern“, die in Deutschland Anschläge geplant hatten.

For Chesser, it was the latest – and perhaps most unlikely – in a series of identities he’d experimented with, then discarded.

Other attempts to define himself had proved harmless. „If he’d lived in L.A.,“ observed one person close to him, „he would have been a Scientologist.“

Instead, Chesser faces up to 30 years in prison and a label that will haunt him for the rest of his life: terrorist.

While much about what prompted Chesser’s transformation remains a mystery, he illustrates a growing phenomenon in the United States: young converts who embrace the most extreme interpretation of Islam.

Of the nearly 200 U.S. citizens arrested in the past nine years for terrorism-related activity, 20 to 25 percent have been converts, said Oren Segal, director of the Anti-Defamation League’s Center on Extremism. More than a quarter have been arrested in the past 20 months. The center provided The Washington Post with saved copies of Chesser’s postings, most no longer available on the Web.

„Many of these converts are basically white kids from the suburbs“ in search of a community, said Segal, whose group has produced numerous papers on those arrested, including Chesser. They are overwhelmingly male, frequently in their 20s and eager to „become something more than they are, or be part of something greater,“ he said.

Their militancy is not a product of the alienation that has sometimes prompted Muslim-born young people in the United States and elsewhere to embrace extremism, particularly in the years since the Sept. 11, 2001, attacks and the beginning of the wars in Afghanistan and Iraq.

Growing up, they were not the target of anti-Muslim slurs or discrimination. Instead, extremist converts often cultivate their sense of outrage online, where they have access to radical English-language Web sites, videos and forums that didn’t exist 10 years ago.

The ADL thinks that thousands of Americans are consuming this material. While most do little more than read blog posts or watch videos, some go further.

Chesser hatte erst in seiner Schulzeit Kontakt zum Islam, wahrscheinlich durch eine Liebesgeschichte. Er wird als orientierungssuchendes Mittelschichtenkind beschrieben. Die Scheidung der Eltern scheint eine Rolle gespielt zu haben.
Nach seiner Konversion zeigen sich typische Konvertiten-Mucken: Man will hundertprozentig sein, beschäftigt sich obsessiv mit Äußerlichkeiten wie der Bartlänge und dem korrekten Gewand. Man kleidet den Selbsthass in islamische Gewänder. Vieles erinnert an frühere Formen von radical chic.
Und dabei sind die neuen digitalen Medien natürlich ein Göttergeschenk, denn sie erlauben das Leben in einer Phantasiewelt gleichgesinnter Kämpfer, ohne das Kinderzimmer oder die Studentenbude jemals verlassen zu müssen. Sie ermöglichen auch die Phantasie einer globalen Wirkungsmacht, potenziell von jedem Ort der Welt aus, Internetzugang vorausgesetzt.
Für die Terroristen im engeren Zirkel der Netzwerke bieten die sozialen Medien umgekehrt einen idealen Rekrutierungsmechanismus. Sie durchforsten die Foren und die sozialen Medien nach jungen Männern, die sie für ihre Zwecke einspannen können.

 

Spesen für Beihilfe zum Mord

Außenminister Westerwelle soeben bei der Übergabe der Studie zur Verstrickung des Auswärtigen Amtes in die NS-Politik:

„In diesem Auswärtigen Amt konnte man Mord als Dienstgeschäft abrechnen.“

Das bezieht sich auf einen Fund der unabhängigen Historikerkomission. Der „Judenreferent“ Rademacher, der in einer Reisekostenabrechnung 1941 als Reisegrund angegeben hatte: „Liquidation von Juden in Belgrad“.

Westerwelle hat sehr gut und entschieden gesprochen. Er will die Studie über die aktive Beteiligung der Diplomaten an der Judenermordung zum Bestandteil der Attaché-Ausbildung machen.

Das sind so die Momente, in denen ich fühle (nicht ohne Stolz), dieses Land hat einen moralischen Kompaß. Ein gutes Gefühl, wäre der Anlaß nur  nicht so grauenhaft.

 

Migrahigru

Die türkische Zeitung Sabah vermeldet, der Migrahigru sei nun fest definierter offizieller Amtssprachgebrauch. Die Zeitung macht auf eine Verordnung des Arbeitsministeriums aufmerksam, nach der erstmalig die Bezeichnung «Migrationshintergrund» definiert werde. Demnach weisen alle Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, deren Geburtsort außerhalb der heutigen Grenzen Deutschlands liegt, deren Zuwanderung in das heutige Gebiet Deutschlands nach 1949 erfolgte oder bei denen der Geburtsort mindestens eines Elternteiles  außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschlands liegt, einen Migrationshintergrund auf.

Für mich heißt das, meine Kinder haben einen Migrationshintergrund. Ihre Kinder werden (offiziell) keinen mehr haben. Aber so ein Migrahigru, der schmutzt noch lange nach. Den wirst du so leicht nicht los. Der kann, bei langem Leben, schon nach der offiziellen Definition  locker über hundert Jahre nach der Migration halten.

Die ganze Sache klingt ohnehin irgendwie nach nichts Gutem. Das ganze Gequälte und Unfreie unserer Debatte über Einwanderung liegt in diesem Wort. Einwanderer sind ja aktive, wagemutige Leute. Menschen mit einem „Hintergrund“ sind ja eher welche, die was zu verbergen haben, oder die ein belastendes Erbe mitbekommen haben („he came from a background of poverty, substance abuse and crime…“). Ein Schatten liegt über ihrem Leben, ein Migrationshintergrund, den man nicht durch einen Pass los wird, nicht durch exzellente Leistungen und nicht durch Liebe zur Weißwurst. Herkunft toppt hier allemal die Ambition. Ist schon immer so gewesen, und darum war Deutschland ja auch in vielen Phasen der Geschichte  so ein fruchtbares Auswanderungsland.

Und so werden meine Kinder einen Migrationshintergrund haben, bis ans Ende ihres Lebens. Zum Glück wissen sie noch nichts davon. Sie halten die märchenhafte Herkunft eines Teils der Familie aus weiten Fernen für etwas Aufregendes und Interessantes. Wenn sie wüssten.

 

Eine emanzipatorische Leitkultur?

Es hat ja immer etwas Erschreckendes, wenn einem plötzlich lieb gewordene Gegner zustimmen. Man fragt sich: Liege ich also doch falsch?

So ging es mit heute morgen, als ich Slavoj Zizeks Plädoyer für eine „liberale Leitkultur“ in der Süddeutschen las. Ich habe vor vielen Jahren eine herbe Abrechnung mit Zizek im Merkur veröffentlicht („Auf der Suche nach dem guten Terror“, hier online). Zizek hat damals geantwortet, sein Text liegt auf perlentaucher vor.

In den letzten Jahren hatte ich nie den Eindruck, etwas zurücknehmen zu müssen von meiner ziemlich heftigen Polemik.

Und dann das. Der Meister nähert sich meinem vor vier Jahren im Merkur dargelegten Gedanken an, gerade eine de facto multikulturelle Gesellschaft brauche eine Leitkultur. (Ich hatte auch noch für „Patriotismus“ plädiert.)

Zizek:

„Auch wenn liberale Linke die Idee einer „Leitkultur“ als heimlichen Rassismus verdammen, so wäre doch zuzugestehen, dass diese Idee zumindest eine angemessene Tatsachenbeschreibung darstellt.

Der Respekt individueller Freiheiten und Rechte, auch auf Kosten von Rechten einzelner Gruppen die volle Gleichberechtigung von Frauen, die Religionsfreiheit (inklusive des Atheismus), die Freiheit der sexuellen Orientierung, die Freiheit jeden und alles zu kritisieren, sind zentrale Bestandteile einer liberalen Leitkultur.

Das sollte auch die Antwort an all jene Moslems sein, die in westlichen Ländern gegen ihre Behandlung protestieren, während sie beispielsweise akzeptieren, dass es in Saudi-Arabien verboten ist, öffentlich nach einem anderen Glauben zu beten als dem Islam. Sie sollten akzeptieren, dass die gleiche Leitkultur, die ihnen ihre religiöse Freiheit im Westen garantiert, von ihnen den Respekt aller anderen Freiheiten abverlangt. Die Freiheit der Moslems ist Teil der Freiheit Salman Rushdies, zu schreiben, was er will. Man kann nicht nur die westlichen Freiheiten einklagen, die einem passen.

(…)

Die Meinungsfreiheit funktioniert nur, wenn alle den gleichen ungeschriebenen Höflichkeitsregeln folgen, die festlegen, welche Formen von Angriff unannehmbar sind, auch wenn sie letztlich vom Gesetz geschützt werden. Diese Höflichkeitsregeln können uns auch aufzeigen, welche Merkmale eines ethnischen oder religiösen Lebenswandels akzeptabel sind und welche nicht. Wenn sich allerdings nicht alle Beteiligten auf solche ungeschriebenen Formen einigen, wandelt sich der Multikulturalismus in gesetzlich geregelte Ignoranz und Hass.

Das ist der Grund, warum es die essenzielle Aufgabe aller ist, die heute für Emanzipation kämpfen, über den reinen Respekt für andere hinauszuwachsen und eine positive, emanzipatorische Leitkultur zu finden, in der die Koexistenz und die Vermischung verschiedener Kulturen möglich wird. Und den kommenden Kampf für eine solche Leitkultur aufzunehmen.“

Kein Einspruch, Euer Ehren.


 

CSU: Dumm quatschen und doch das Richtige tun

Eine Pressemitteilung des bayerischen Inneministeriums zeigt, dass die CSU  – obschon sie an der Spitze derzeit sehr verwirrt ist, vornehmlich wohl weil der Karl-Theodor dem Horst ein wenig arg im Nacken sitzt – immer noch der alten Devise ihres Urvaters Strauß folgt: Dumm quatschen und doch das Richtige tun. Im öffentlichen Dienst des Freistaats werden seit Jahren massiv Menschen mit Migrationshintergund angeworben. Ohne Quote, aber wirkungsvoll. Das sollte man bei dem dämlichen Getöse um „Kulturkreise“ nicht vergessen.

„Eignung, Leistung und Befähigung – das sind nach den Worten des Bayerischen Innenministers Joachim Herrmann die Kriterien für eine Einstellung im öffentlichen Dienst des Freistaates. Selbstverständlich ist dabei für Herrmann auch, qualifizierte Migrantinnen und Migranten für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. „Unser erklärtes Ziel ist es, im Interesse des Freistaates die besten für den Dienst in unseren öffentlichen Institutionen zu gewinnen. Und wenn ich mir den exzellenten Ruf vor Augen führe, den die bayerische Landesverwaltung bundesweit und auch im Ausland genießt, dann darf ich nicht ohne Stolz feststellen: Wir sind hier sehr erfolgreich. Und dazu tragen auch unsere Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund bei.“ Herrmann lehnt deshalb eine feste Migrantenquote im Staatsdienst – wie sie in der aktuellen Integrationsdebatte immer wieder gefordert wird – klar ab. Herrmann stellte im Beisein des Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, vier Beschäftigte des Freistaates vor, die besonders gelungene Beispiele für eine erfolgreiche Integration und Karriere im öffentlichen Dienst seien: Ein in Oberbayern geborener Jurist mit afrikanischen Wurzeln, dessen äthiopische Eltern in Bayern bleiben mussten, weil in Äthiopien der Bürgerkrieg ausbrach. Ein gebürtiger Libanese, der zunächst acht Jahre mit seinen Eltern in einer deutschen Asylbewerberunterkunft lebte, jetzt im Integrationsrat des Landtags sitzt und – ebenfalls als Jurist – im Landratsamt für Ausländerrecht zuständig ist. Ein gebürtiger Grieche, der erst 24-jährig nach Deutschland kam und inzwischen als Elektro-Abteilungsleiter im Hochbauamt arbeitet. Und eine türkischstämmige Polizistin, die in einer Münchner Polizeiinspektion tätig ist und sich als Dolmetscherin im Dienst schon Leistungsprämien verdient hat.

Gerade der Polizeivollzugsdienst ist ein gutes Beispiel: Dort werden bereits seit 1993 – also seit 17 Jahren – auch ausländische Staatsangehörige eingestellt. Herrmann: „Durch Anpassungen im Bayerischen Beamtengesetz haben wir seinerzeit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern den Weg in den Polizeivollzugsdienst geebnet. Ein Schritt, der sich wirklich gelohnt hat. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, 119 ausländische Staatsangehörige für den bayerischen Polizeivollzugsdienst zu gewinnen.“ Auch heute würden noch ganz gezielt ausländische Nachwuchsbeamte gesucht, die für die Polizeidienst geeignet sind.“

 

George W. Bush, Khameneis Helfershelfer

Zwei Nachrichten von heute, die nur einen Schluss zulassen: kein amerikanischer Präsident vor ihm hat dem iranischen Regime so sehr in die Hände gearbeitet wie George W. Bush.
Er war es, der in beiden Nachbarländern die größten Feinde der Islamischen Republik beseitigte – erst die Taliban, dann den Urgegner Saddam. Damit wurde die Balance der Kräfte in der Region unvermeidlich in Richtung der Mullahs verschoben. (Was für mich nur den Schluss zulässt, dass diese als drittes Element drankommen sollten beim grossen Regime-Change. Oder dass man vielleicht dachte, sie würden – Dominotheorie – unwiderstehlich von alleine fallen.)
Die beiden Nachrichten, die mir schlagartig klar gemacht haben, dass George W. zwar nicht unbedingt der größte Freund des iranischen Volkes, aber wohl doch unwillentlich des Regimes ist: Hamid Karzai musste heute zugeben, dass seine Regierung einen aus iranischen Mitteln gespeisten „slush fund“ unterhält, eine Geldkassette voll iranischer Dollars zum Bestechen von Abgeordneten und Stammesführern etc. Nein, so hat er es zwar nicht zugegeben, aber er hat schon gesagt, dass man aus iranischen Mitteln „Spesen“ bestreite. Warum auch nicht, man ist ja Nachbar! In anderen Worten: Iran schmiert eine Regierung, deren korrupte Wahlen wir bezahlen. Glückwunsch nach Teheran, ein schöner Erfolg.
Die zweite Nachricht betrifft die Regierungsbildung im Irak. Nach sieben Monaten sieht es so aus, als werde Maliki wieder die Regierung anführen. Er hat zwar keine Mehrheit, aber der Iran hat sich, um den frommen Schiiten wieder ran zu bringen, seinen Schützling Muktada al Sadr vorgenommen und ihm beigebogen, was man in Bagdad für eine Regierung sehen will – und vor allem, welche nicht: die des säkularen Alawi. Teheran hat nun also auch bei der Regierungsbildung beim Erzfeind Irak mitzureden! Ein schöner Bonus zum Wiedergewinn der heiligen Stätten Nadschaf und Kerbela.
Hätte kaum besser laufen können.
Schon eine merkwürdige Ironie, dass der Hardliner Bush mit seiner Kohorte von Iranfressern dem Land zu einer nie gekannten regionalen Vormachtstellung verholfen hat. Und dass es nun die Softis sind – die Europäer und „Häuptling ausgestreckte Hand“ Obama -, die Iran mit der Sanktionspolitik im Schach halten müssen.

 

Wie man Hassprediger stoppt

Der Lesben-und Schwulenverband Berlin zeigt wie man’s macht. Mehrere durch besonders homophobe Predigten aufgefallene Prediger wollten am kommenden Samstag im Berliner Schillerkiez ein Seminar abhalten. Der LSVD sieht die Schwulenhetze von radikalen Islamisten mit Sorge. Also hat man angefangen, mit einigen Berliner Moscheen zu diesem Thema Gesprächskanäle zu eröffnen. Als Ergebnis ist nun der Auftritt der Hassprediger abgesagt worden:

Seminar von islamistischen Hasspredigern in Neukölln abgesagt
Muslime und Nicht-Muslime gemeinsam gegen Islamisten
 
Das am morgigen Samstag in Berlin-Neukölln geplante „Islam-Seminar“ der drei radikalsten islamistischen Hassprediger Deutschlands wurde laut Nachrichtenagentur dapd kurzfristig abgesagt. Die Prediger Abu Dujana, Abdullatif und Ibrahim Abou-Nagie hetzen gegen Homosexuelle und legitimieren dabei Gewalt und die Ideologie des bewaffneten Dschihad. In der Bangladesch-Moschee Baitul Mukarram im Neuköllner Schillerkiez sollte das Seminar stattfinden.
 
Ein Großteil der Berliner Moscheen hatte bereits in den vergangenen Wochen einen Auftritt der drei Islamisten abgelehnt. Nach kritischen Berichten in der Tagespresse hat auch der Trägerverein der Moschee Baitul Mukarram die zunächst zugesagte Veranstaltung abgesagt.
 
Hierzu erklärt Jörg Steinert, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg:
 
„Insbesondere für Homosexuelle sind solche Hasspredigten unerträglich. Muslime und Nicht-Muslime müssen sich gemeinsam gegen den Islamismus wenden. Ein friedliches, respektvolles Miteinander gilt es zu verteidigen.“
 
Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg befindet sich im interkulturellen Dialog mit mehreren Berliner Moscheen. Dieser Dialog wird in den kommenden Monaten weiter ausgebaut und intensiviert.

 

Was Angela Merkel meint, wenn sie auf „Multikulti“ schimpft

Mein früherer Kollege Thomas Kleine-Brockhoff, seinerzeit Washington-Korrespondent dieser Zeitung und heute Chef der politischen Programmabteilung beim German Marshall Fund in Washington, hat sich mit dem globalen Echo von Angela Merkels Rede zum „Multikulturalismus“ beschäftigt. Offenbar ist die Sache auch in Amerika hauptsächlich als Absage an Einwanderung und Diversität, als Rückkehr eines unheimlichen, geschichtlich nicht erfolgreichen deutschen Wunsches nach Homogenität gewertet worden.

Kleine-Brockhoff widerspricht und gibt eine andere Deutung der Rede – und ich möchte gerne glauben, dass er Recht hat:

„Angela Merkel is not the woman she is currently made out to be. It is time to consider what she really said and really meant. It is time to put her remarks into context.

A good place to start is the quote itself, the full quote, in a translation as colloquial as her speech: ‚We are a country that invited guest workers to come to Germany in the 1960s. Now they live among us. For a while we kidded ourselves. We said: They won’t stay, they’ll be gone at some point. But that is not the reality. And most certainly the approach failed to say: We’ll do a multi-kulti thing here; we’ll just live next to and detached from each other and declare how happy we are with each other – this approach has failed, utterly failed.‘ Germans are not known for their humor, but they do do irony and sarcasm. Both traits rarely convey in translation. But the video of the speech reveals that Merkel displayed utter sarcasm when she disparaged the ‚multi-kulti thing‘ as a hippie vision of peace, love, and brotherhood, as some sort of German adaptation of a multi-ethnic Haight Ashbury.

The German term ‚multi-kulti‘ is commonly translated to mean ‚multiculturalism‘. But multiculturalism has two meanings. As a descriptive term, it simply refers to cultural diversity. As a normative term, it implies a positive endorsement, even celebration, of communal diversity, typically based on certain group rights and the absence of pressure or even incentives to assimilate. The German term ‚multi-kulti‘ only captures the second, normative meaning. That’s why ‚multi-kulti‘, to Merkel, is a synonym for leftism and early Green utopianism. She thinks it has produced not-so-benign neglect and, as she has put it multiple times, will lead to “parallel societies” of immigrants that have no connection to German mainstream society. Not even the German language is spoken in the neighborhoods that she pictures when using this term.

Angela Merkel is a conservative. A ’salad bowl‘ approach to integration is not hers — too hands off. She would not endorse a version of a melting pot in which cultures integrate with each other to create a new society. Her concept sees immigrants who integrate into a culturally dominant mainstream society. Her conservative party takes an aggressive, state-centered, and hands-on stance toward integration best summed up in six words: assimilate — take it or leave it! It is debatable whether this concept is appropriate for a multi-religious, multi-ethnic Europe, in which the free movement of people is the norm. But the end of cultural pluralism it is not, racism it is not. And that makes all the difference. In fact, in the very same speech, Merkel emphasized that ‚Islam is now a part of Germany.‘ She is preparing her party and her country for more, not less, immigration, and she is explicitly rejecting the views of the populists and the anti-islamic hatemongers.“

Das mag sein. Es ist aber schon ein Problem, wenn diese Botschaft nirgends ankommt. Oder: Wenn bei den Migranten und ihren Kindern ankommt: ok, auch die will uns nicht. Und bei den Sarrazinisten: siehste wohl, langsam kommt sie rum.

Und dass nur Leser von Thomas Kleine-Brockhoffs Blog die Botschaft hören, liegt daran, dass Merkel überhaupt kein Konzept von der Zukunft dieses Einwanderungslandes hat. Eines Landes, das, wie ich nicht aufhöre zu betonen, ein neues WIR braucht.

Wo will sie, wo will ihre Koalition mit dieser Gesellschaft hin, die derzeit (nicht nur an der Nahtstelle Einwanderer/Inländer) auseinanderreißt. Ich kann Menschen nur für „more immigration“ einnehmen, wenn ich dazu eine Vorstellung formulieren kann – zum Beispiel in Form eines neuen Einwanderungsrechts nach kanadischem Vorbild.

Nur eine selbstbewußte Gesellschaft traut sich so etwas zu, und Merkel befördert durch ihr ängstliches Taktieren in der Integrationsdebatte eher die Verunsicherung.

 

Debatte mit Daniel Pipes

Vielleicht von Interesse für die Berliner Leser: nächste Woche werde ich mit dem amerikanischen Islamexperten Daniel Pipes öffentlich diskutieren.
Das „Mideast Freedom Forum Berlin“ und „Scholars for Peace in the Middle East“ laden zu dieser Veranstaltung ein:

„Angesichts des aktuellen Medienechos um die Islamdebatte kann es kein besseres Thema für eine wissenschaftliche Podiumsdiskussion geben, die sich mit der gebotenen Sachlichkeit und akademischen Nüchternheit den komplexen Fragen dieses Zusammenhangs widmet.“

„Das Podium ist mit  Daniel Pipes, Direktor des US-Think-Tanks Middle East Forum und Jörg Lau, Die ZEIT, hochrangig besetzt. Der Veranstaltungsort ist neben dem Bundestags-Bürogebäude im Robert-Koch-Saal in der Dorotheenstr. 96 in Berlin-Mitte.

Wir heißen Sie in Berlin herzlich willkommen am 27. Oktober 2010 um 18:30 Uhr.“

Hochrangig, wissenschaftlich – their words, not mine. Ich werde mein Bestes versuchen.