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Kennen Sie eigentlich einen Muslim?

Die lieben Mitblogger seien hiermit herzlich aufgefordert, sich mal zur Abwechslung ein Exemplar der „dead tree edition“ dieses Mediums zu gönnen.

Darin gibt es nämlich heute als Schwerpunkt eine Sammlung von Zeugnissen realer Begegnungen mit Muslimen im Alltag (einige Muslime schreiben auch mit, wie etwas Tarek al-Wazir, Zafer Senocak und Serpil Pak). Der Blogmaster hat auch ein kleines Stückchen beigesteuert.

Kostproben hier.

 

Aygül Özkan: „Nicht die Ministerin der Türken“

Ein kluger Kommentar heute in der türkischen Tageszeitung „ZAMAN“ über Aygül Özkans Vereidigung:

Ismail Kul gießt etwas Wasser in den Wein der türkischen Begeisterung über „unsere erste Ministerin“: «Wir dürfen die Sache nicht übertreiben. Aygül Özkan ist nicht die Ministerin der Türken. Sie ist die Ministerin, die die CDU gewählt hat und die die gesamte Bevölkerung des Bundeslandes vertreten muss. Vielleicht wird sie sogar härter zu unseren Menschen sein als viele ihrer deutschen Kollegen: vielleicht wird sie sich königlicher als der König fühlen. Zweitens ist es kein Verdienst der türkischen Community. Genauso, wie es nicht das Verdienst der schwarzen Bevölkerung der USA war, dass Obama Präsident wurde. Nun gilt es nicht auf die Ministerin zu schauen, sondern darauf, was sie tut. Ihre Leistung müssen wir uns anschauen. Und was noch wichtiger ist: Der Blick in den Spiegel. Wenn wir uns an diese Reihenfolge halten, werden wir einen guten Weg gehen. In diesem Sinne wünschen wir Aygül Özkan in ihrem neuen Amt viel Erfolg».

 

Warum die Zensur von South Park wichtig ist

Verschiedene Mitblogger hier haben Unverständnis bekundet für meine häufigen Posts zum Thema. Ich bleibe dabei: Es handelt sich bei der Selbstzensur von Comedy Central, MTV und Apple in Sachen South Park aber nicht um eine „Petitesse“.

Oder anders gesagt: Aus vielen solchen Petitessen ergibt sich die Selbstabschaffung der Freiheit. Sehr schön hat das in der New York Times der konservative Kolumnist Ross Douthat erklärt:

In a way, the muzzling of “South Park” is no more disquieting than any other example of Western institutions’ cowering before the threat of Islamist violence. It’s no worse than the German opera house that temporarily suspended performances of Mozart’s opera “Idomeneo” (…). Or Random House’s decision to cancel the publication of a novel about the prophet’s third wife. Or Yale University Press’s refusal to publish the controversial Danish cartoons … in a book about the Danish cartoon crisis.(…)

But there’s still a sense in which the “South Park” case is particularly illuminating. Not because it tells us anything new about the lines that writers and entertainers suddenly aren’t allowed to cross. But because it’s a reminder that Islam is just about the only place where we draw any lines at all.

Across 14 on-air years, there’s no icon “South Park” hasn’t trampled, no vein of shock-comedy (sexual, scatalogical, blasphemous) it hasn’t mined. (…) Our culture has few taboos that can’t be violated, and our establishment has largely given up on setting standards in the first place.

Except where Islam is concerned. There, the standards are established under threat of violence, and accepted out of a mix of self-preservation and self-loathing.

This is what decadence looks like: a frantic coarseness that “bravely” trashes its own values and traditions, and then knuckles under swiftly to totalitarianism and brute force.

Happily, today’s would-be totalitarians are probably too marginal to take full advantage. This isn’t Weimar Germany, and Islam’s radical fringe is still a fringe, rather than an existential enemy.

For that, we should be grateful. Because if a violent fringe is capable of inspiring so much cowardice and self-censorship, it suggests that there’s enough rot in our institutions that a stronger foe might be able to bring them crashing down.

(Dank an Chajm Guski für den Tip.)

 

Ein jüdischer Witz (über die Siedlerbewegung?)

Warum bloß muss ich bei diesem herrlichen jüdischen Witz an die Siedlerbewegung denken?

Gefunden bei Jeffrey Goldberg:

Three construction workers, an Irishman, an Italian and a Jew, are building a skyscraper. They’re sitting on a beam having lunch when the Irishman takes out his sandwich and says, „I can’t believe it! My wife gave me another goddam roast beef sandwich. If she does this again I’m going to jump off this building!“

The Italian takes out his sandwich and says, „Tuna! For God’s sakes, I hate tuna. If my wife gives me tuna tomorrow I’m going to jump, I swear!“

The Jewish guy takes out his lunch and says, „Egg salad! Dammit, if I find one more egg salad sandwich in my lunch I’m going to jump off this building!“

The next day, the Irishman takes out his sandwich, sees that it’s roast beef and says, „Enough’s enough!“ and jumps.

The Italian guy takes out his sandwich, sees that it’s tuna, and says, „That’s it, I’ve had it!“ and jumps.

The Jewish guy takes out his sandwich, discovers egg salad, and says, „I can’t take it anymore!“ and jumps.

Soon after, reporters go to the wife of the Irishman. She says, plaintively, „If he had only told me he didn’t want roast beef, I would have made him something else.“ The Italian’s wife, in tears, tells reporters, „He should have just told me he didn’t want tuna! Why didn’t he tell me?“

The reporters go to the Jewish guy’s wife, who says, „I don’t understand that man. Everyday he makes his own lunch.“

 

MTV Deutschland zensiert South Park – auch ohne Drohung!

Mein Kollege Thierry Chervel vom Perlentaucher hat bei MTV Deutschland angerufen und nachgefragt, wie es eigentlich zu der Entscheidung gekommen ist, die umstrittenen Folgen 200 und 201 von allen Plattformen zu entfernen und auch nicht im Fernsehen auszustrahlen: Auskunft der Unternehmenssprecherin Daniela Schorn: „auf eigene Initiative“. Es gab also keine Anweisung aus den USA vom Mutterschiff. (Soeben erreicht mich ein Anruf von Frau Schorn: Es habe doch „eine konzernweite internationale Absprache gegeben.“

Thierry Chervel kommentiert im Perlentaucher: „Der deutsche Ableger des Viacom-Konzerns geht also noch einen Schritt weiter als die amerikanische Zentrale und verzichtet völlig auf eine Präsentation der beiden South Park-Episoden – sowohl im Fernsehen als auch im Internet.“

Eine konkrete Drohung gegen MTV Deutschland hat nicht vorgelegen. Womit sich meine These von gestern bestätigt, dass radikale Islamisten und Terroristen zwar schlimm sein können, wir es zu Not aber auch ganz ohne sie hinkriegen, uns in eine Hysteriespirale hineinzuhypen.

Daniela  Schorn erlärte dem Perlentaucher: ‚Bei uns selbst findet der Konflikt ja nicht wirklich statt. Wir selbst hier in Berlin haben keine Drohung erhalten, die Drohungen richten sich ja in erster Linie gegen Matt Stone und Trey Parker, die Macher.'“

Na dann: Gratulation an Revolution Muslim zu diesem (geschenkten) Sieg im Medien-Dschihad.

Ich fürchte, andere werden ihre Schlußfolgerungen daraus ziehen.

(Anmerkung des Autors: Dieser Post wurde um 16.15 aktualisiert und weicht in der Frage der konzernweiten Absprache von der ersten Version ab.)


 

Die Schande der South-Park-Zensur

Die Huff Post berichtet, dass die Website der islamistischen Irren, die South Park bedroht haben, gehackt worden sei. Wer sie heute aufruft, findet die Bestätigung meiner These, dass es den „born again muslims“ vor allem um Publicity ging.

„We received an overwhelming amount of media response due to one sentence included in a post last week.“

Und insofern muss man sagen: Chapeau, die Herren! Mit minimalem Aufwand die maximale Klickzahl erreicht. Das war’s denn aber auch.
Oder?
Auf Southpark.de ist die 200. Folge nicht mehr zu sehen. Am Freitag war das noch möglich. Folge 201 – auch ziemlich genial, denn dort wird die „Bärenkostüm“-Episode aufgelöst: im Fell steckt der Weihnachtsmann, nicht Mohammed – ist ebenfalls nicht zu sehen. (Mit ist es gestern gelungen, auf englischsprachigen Seiten beide anzuschauen.) Es war auch zu lesen, dass iTunes die Folgen nicht vertreiben will. Apple ist ja schon bekannt für seine Hasenfüßigkeit und seine Zensurmentalität. Und von diesen Leuten sollen wir demnächst voller Vetrauen per Ipad und Apps unseren „Content“ beziehen? So nicht.
Ich finde das alles langsam verachtenswürdig. Kein einziger Muslim von Gewicht, keine angesehene Figur, keine Regierung eines islamischen Landes, kein Sprecher eines Verbandes hat irgendetwas gegen diese Folgen vorgebracht. Nur die drei, vier New Yorker Spinner (über die ich hier bereits geschrieben habe)!
Vielleicht muss ich das noch einmal klarstellen: Es geht hier nicht um „die Muslime“. Es geht um uns. Es ist die präventive Feigheit der westlichen Medienkonzerne, die aus einer Handvoll durchgeknallter „Revolution Muslims“ erst eine islamistische Bedrohung der Meinungsfreiheit macht.
Seit der Rushdie Affäre – und verstärkt durch den Streit um die Karikaturen – haben manche westlichen Medien eine peinliche Unterwürfigkeit internalisiert – gegenüber einer „islamischen Bedrohung“. Dieser Fall hier zeigt – ähnlich wie die Affäre um die Berliner Idomeneo-Aufführung im Jahr 2006, dass wir eine reale Bedrohungslage schon gar nicht mehr brauchen.
Rushdie hatte noch den leibhaftigen Ajatollah Khomeini gegen sich, und bei den Karikaturen waren es reale Massen aufgeputschter Muslime, die vor den Botschaften Flaggen verbrannten. Menschen starben.
Die Erziehung hat funktioniert. Jetzt brauchen wir gar keine ernst zu nehmenden Gefährder mehr, damit eine der populärsten Shows – ein Meilenstein der Popkultur – von den größten Medienkonzernen der Welt im Stich gelassen wird, die viele Jahre fürstlich an ihr verdient haben.
Wir fürchten uns vor unseren eigenen Phantomen schon so sehr, dass jeder dahergelaufene Idiot unsere Reflexe abrufen kann: „South Park von Islamisten bedroht“ – diese Headline wird dieser Tage weltweit kopiert, ohne dass jemand mal nachschlägt, um wen es sich eigentlich handelt.
Am Ende sind dann aus ein paar Verwirrten große Medienhelden geworden, die tatsächlich für etwas zu stehen scheinen.
Wir haben sie dazu gemacht.

 

Die Wahrheit über South Park und die „Islamisten“

Als ich vor ein paar Tagen von der Drohung einer Gruppe New Yorker Islamisten gegen South Park las, dachte ich: Nein, das ist zu blöd, darüber schreibe ich nicht. Es ist wirklich zu blöd, aber nun muss ich doch darüber schreiben.

Wo beginnen? In der zweihundertsten Folge der Cartoon-Serie  South Park tritt der Prophet Mohammed in einem Bären-Maskottchen-Kostüm auf. Das hat sich eine Gruppe von Islamisten mit dem wichtigtuerischen Namen „Revolution Muslim“ auf ihrer Website zum Anlass genommen, den Machern von South Park in Erinnerung zu rufen, sie könnten wie Theo van Gogh enden. Die Gruppe ist für ihre lauten Strassenproteste bekannt und für ihren wilden Israelhass, den schon die Aufmachung der Homepage dokumentiert. Wie ernst ist sie zu nehmen?

Ich möchte es so zusammenfassen: Das ist eine Bande durchgeknallter Konvertiten zum Islam, die vor allem den radical chic suchen. Heißt nicht, dass sie nicht ernst zu nehmen seien, es gibt leider viele gefährliche Irre unter den Konvertiten. Aber wenn es jetzt überall heißt, eine „islamistische Gruppe“ bedrohe South Park, dann sollte das doch bitte mit einer gewissen Distanz behandelt werden: Dies hier ist eine Gruppe von spinnerten Freaks.

Interesanter Weise scheinen skurrile Figuren wie „Youssef al-Kattab“ in der Gruppe eine Rolle zu spielen – geboren als Joseph Cohen, ein amerikanischer Jude, der in Israel ein Rabbinerseminar besucht hatte, bevor er 2000 zum islamischen Glauben konvertiert ist. (Nein, das ist keine Erfindung von South Park, das ist die Wirklichkeit.) Auch der Mitgründer „Younes Abdullah Muhammad“ ist ein Konvertit. Und beide waren wiederum inspiriert von dem radikalen Scheich „Abdullah al-Faisal“, ebenso Konvertit, geboren als Trevor William Forest in einer evangelikalen Familie in Jamaika. In anderen Worten: Ein Haufen religiös Verwirrter, haltloser Irrer, die nichts dringender brauchen als die besorgte, erregte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. (Hier mehr Hintergrund von der Anti Defamation League.)

So, und nun wird es peinlich: Wegen der albernen Drohposts dieser Freaks hat Comedy Central nun das große Muffensausen bekommen und South Park zensiert. Unfaßlich.

Die Folge 200 – ich habe sie unterdessen mehrfach gesehen – ist dabei nahe an der Genialität. Die Geschichte geht ungefähr so: Einer der Jungs von South Park beleidigt Tom Cruise, der daraufhin den gesamten Ort mit einer Prozeßlawine überziehen will. Cruise sammelt 200 Promis, die auch schon von South Park beleidigt wurden – Bono, Hillary Clinton, Paris Hilton etc. Nur unter einer Bedingung will er sich abbringen lassen von seiner Klage: Er verlangt, dass die South Park Jungs – die einen Draht zu Jesus haben – ihm einen Kontakt zum Propheten Mohammed besorgen. Denn Mohammed hat eine geheime Kraft, von der alle Promis träumen: Er kann nicht mehr beleidigt werden. Niemand kann ihn auch nur abbilden ohne Gefahr an Leib und Leben. Ein Promi-Traum!

Wie wäre es, wenn wir diese fantastische Fähigkeit für uns gewinnen würden, lockt Cruise seine Mit-Celebrities. Man übt gemeisam druck auf die South Park Jungs aus, die kontaktieren Jesus, Buddha, Konfuzius, Moses und die anderen Religionsstifter, und die wiederum überreden Mohammed in langen Verhandlungen zu erscheinen. Da er aber nicht in menschlicher Gestalt sichtbar werden darf, endet der Prophet also in einem Bärenkostüm. Alles scheint gut zu laufen, da erschüttert eine Explosion South Park – ein Terrorakt? Ja, aber welche Extremisten stecken dahinter?

Es sei nur soviel verraten: Islamisten sind es nicht…

Es geht in dieser Episode offensichtlich nicht um Mohammed, sondern um Tabu, Angst und Einschüchterung, wie sie sich seit 2001 und besonders nach der Karikaturen-Affäre breit gemacht haben. Es geht um genau die feige Einstellung, die sich jetzt wieder zeigt. Sie hat, muss man leider sagen, in diesem Fall recht wenig mit den Muslimen zu tun. Sie ist eine Folge allzu bereitwilliger Projektionen, für die die konvertierten Irren von New York nur den Anlaß liefern mußten.

Die South Park-Macher wollten sich von dem feigen Meinungsklima seit der Karikaturenaffäre nicht beeindrucken lassen. Ihre 200. Folge ist ein Zeichen dafür, dass sie sich weder von weltlichen Mächtigen und Wichtigen noch von denen, die im Namen des Heiligen andere einschüchtern, etwas bieten lassen.

Und der feige Sender hat einfach nicht den Mumm, das so stehen zu lassen, sondern zensiert ausgerechnet dieses herrlich absurde Manifest gegen die Zensur. In der 201. Folge ist selbst die Erwähnung des Namens Mohammed mit einem Piepton überblendet worden.

Eine Schande ist das. Und eine Lächerlichkeit noch dazu angesichts der albernen Vögel, die sich angemaßt haben im Namen des Islam zu sprechen.

p.s. Eben erst fällt mir folgender Clip von Jon Stewart auf – aus der gestrigen Daily Show (auch Comedy Central!). Da wird einfach alles gesagt zum Thema. Und gesungen! Jon Stewart ist Gott:

The Daily Show With Jon Stewart Mon – Thurs 11p / 10c
South Park Death Threats
www.thedailyshow.com
Daily Show Full Episodes Political Humor Tea Party
 

Worum es bei der Rivalität USA vs. China wirklich geht

Hat wieder einmal die Satirezeitschrift The Onion am besten erfasst:

Zitat aus dem Artikel:

„We are seeing a changing of the asshole guard,“ said Andrew Freireich, noted economist and lead author of the article. „Although the U.S. will remain among the world’s two or three biggest cocks through much of this century, we can now confidently project that China, with its soaring economic growth, ever-expanding cultural influence, and total disregard for basic human rights, will overtake America as King Prick Numero Uno within the next 10 years.“

Alles lesen.

 

Wie die Schweiz sich unterm Minarettverbot windet

In der Schweiz steht durch den Erfolg der Minarettverbots-Initiative und die nun folgende Umsetzung das weitgehende Modell der Volkssouveränität auf dem Prüfstand – dramatischer ausgedrückt: vor dem Scheitern.

Denn der Fall läuft am Ende darauf hinaus, dass das Volk in der direkten Demokratie Gesetze macht, deren zwingende Umsetzung den schweizerischen Staat in Widerspruch zu seinen vökerrechtlichen und menschenrechtlichen Verpflichtungen bringt.

Wie kommt man aus diesem Dilemma bloß wieder heraus? Dem geht ein Artikel in der NZZ von Claudia Schoch nach, in dem es heißt:

„Der Bundesrat sieht laut seinem Anfang März veröffentlichten Bericht zum Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht jedoch keinen direkten Handlungsbedarf. Er stellt darauf ab, dass jeweils eine völkerrechtskonforme Umsetzung für die Initiativen gefunden werden könne. Das war bisher auch der Fall ausser bei der Minarettverbots-Initiative. Doch damit verharmlost er das Problem. Denn je öfter Initiativen vom Volk angenommen werden, die zur Umsetzung abgeschwächt und umgebogen werden müssen, umso mehr wächst das Misstrauen unter den Bürgern. Eine direkte Demokratie, die nicht direkt umsetzen kann, was vom Volk beschlossen wurde, sägt am Ast, auf dem sie sitzt.“

Das Verbot des Minarettbaus kollidiert vor allem mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, die die Schweiz ratifiziert hat. Dort heißt es:

Art. 9 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
(1)  Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit  anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.
(2)  Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Nun müßte man entweder argumentieren, ein Minarett sei gar kein Teil des religiösen Bekenntnisses, sondern etwas anderes – also etwa ein „imperiales Machtsymbol für den politischen Anspruch einer Religion“. Die Religionsfreiheit werde damit überhaupt nicht berührt. So tut es ja auch die Bewegung der Minarettgegner.

Aber dagegen läßt sich anführen, dass Minarette seit vielen Jahrhunderten zum typischen Baustil von Moscheen gehören – „wie der Kirchtum zur Kirche“ – und ihre Errichtung somit Teil der Religionsausübung ist, auch wenn eine Moschee nicht zwingend über ein Minarett verfügen mus, um als Gebetsstätte zu funktionieren. Das Minarett findet sich an Moscheen, in denen politische Ansprüche der Religion artikuliert werden ebenso wie an solchen, in denen das nicht geschieht. Es ist mithin kein eindeutig religiös-politisch zu fixierendes Symbol. (Es gibt minarettlose Hinterhofmoscheen, die radikaler sind als die minarettbewehrten.) Wie man jedenfalls begründen will, dass ein Verbot des Minarettbaus eine „notwendige Einschränkung“ der Religionsfreiheit wäre (und nicht etwa nur der Ausdruck eines Mehrheitengeschmacks oder diffuser Ängste, wie berechtigt auch immer) – notwendig mithin „für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung“ – das ist völlig schleierhaft.

Mit anderen Worten: Ein Minarettverbot hält der EMRK nicht stand, und damit kommt das schweizer Demokratiemodell in die Krise. Denn den Volkswillen nun nicht umzusetzen geht auch nicht. Wo liegt der Ausweg?

Es bestehe „keine generelle Möglichkeit, das Bundesgericht anzurufen mit der Begründung, ein Bundesgesetz verstosse gegen die Bundesverfassung oder das Völkerrecht“, schreibt Frau Schoch in dem oben zitierten Artikel. „Dazu gibt es aber seit gut zehn Jahren eine Ausnahme, die viele Bürger bisher kaum bemerkt haben dürften: Das Bundesgericht tritt auf Beschwerden ein, die bei der Anwendung von Bundesgesetzen eine Verletzung der EMRK geltend machen. Denn das Gericht ist der Ansicht, dass sich die Schweiz nicht durch Berufung auf inländisches Recht seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen entziehen dürfe. Eine völkerrechtswidrige Landesnorm könne deshalb im Einzelfall nicht angewendet werden. Dies gelte namentlich, wenn sie im Widerspruch zu den Menschenrechten steht. Einer Volksinitiative, die gegen die EMRK verstösst, könnte somit bei ihrer Umsetzung die Anwendung durch das Bundesgericht versagt bleiben.“

Das bedeutet: Wenn ein konkreter  Minarettbau verboten werden sollte und eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht wird, kann dieses feststellen, dass die Norm nicht angewendet werden darf, weil sie dem Völkerrecht widerspricht. So kann eine peinliche Situation vermieden werden. Doch die Delegitimierung der direkten Demokratie wird dadurch eigentlich noch offensichtlicher. Denn wie kann eine Norm Bestand haben, deren Anwendung dem Völkerrecht zuwider liefe?