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Ahmadinedschad – die bessere Wahl für Israel?

In Israel macht sich Erleichterung über das „Wahlergebnis“ im Iran breit. Und diese Erleichterung, wie sie exemplarisch in einem Editorial der linksliberalen Tageszeitung Ha’aretz zum Ausdruck kommt, ist keineswegs irrational oder zynisch.

Es ist auch eine Erleichterung darüber, dass Israel nun nicht wie der sprichwörtliche einsame Mahner in der Wüste dastehen wird, wenn es um Irans Atomprogramm und um den aggressiven, gefährlichen Charakter des Teheraner Regimes geht.

Die Welt wird es schwerer haben, so die Logik, sich Illusionen über die Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft der Ajatollahs zu machen, wenn abermals Ahmadinedschad das Gesicht des Regimes sein wird.

Und da ist durchaus etwas dran: Mussawi hätte – ebenso wie der „liberale“ Präsident Chatami in seiner Amtszeit – das Atomprogramm vorangetrieben (beziehungsweise treiben lassen, denn die Entscheidung darüber liegt beim „Führer“ Chamenei). Er hätte es aber leichter gehabt, im Westen durch scheinbare Konzilianz den Eindruck zu erwecken, es gebe Spielraum für Verhandlungen.

In Israel sind nun auch viele erleichtert, dass man nicht im Zuge der neuen Obama’schen Nahostpolitik marginalisiert und als „das eigentliche Problem“ im Nahen Osten betrachtet werden wird.

Und schließlich schafft die Wieder“wahl“ Ahmadinedschads eine größere Wahrscheinlichkeit für eine Allianz mit den „moderaten“ Arabern, die sich ebenso vom Iran bedroht sehen wie die Israelis. Voraussetzung für eine solche Allianz wäre allerdings, dass sich Israel im Hinblick auf die Siedlungen und die Lage der Palästinenser im allgemeinen deutlich bewegt. Denn ohne Erfolge auf diesen Gebieten könnten die Regime kaum rechtfertigen, dass sie sich mit Amerika und Israel gegen Teheran stellen, um dessen Einfluß einzudämmen und seine Atombewaffnung zu verhindern.

Und in dieser Hinsicht wird sehr viel von Benjamin Netanjahus heutiger Rede zum Nahostprozeß ankommen. Wird er von einer Zweistaatenlösung reden? Jetzt ist seine Stunde. Die Iraner haben ihm eine exzellente Bühne verschafft!

p.s. Hier der Kern des Kommentars aus Ha’aretz zur Wahl im Iran:

„And in this case, paradoxically, it seems that from Israel’s point of view the victory of incumbent President Mahmoud Ahmadinejad is actually preferable. Not only because „better the devil you know,“ but because the victory of the pro-reform candidate will paste an attractive mask on the face of Iranian nuclear ambitions.

Western experts now agree that even during the tenure of moderate president Mohammad Khatami (1997-2005), the nuclear program continued to advance. And in any case, the person who really decides on the nuclear issue is not the president but the spiritual leader. One of the president’s advisers even made it clear recently, in an interview with Reuters, that the spiritual leader will continue to shape his country’s nuclear policy, regardless of the election results.

Ahmadinejad, with his Holocaust denial and his long series of provocations, drew most of the attention, but apparently had less influence on the nuclear program. There are even senior members of the Israeli defense establishment who share the public stance of former Mossad chief Ephraim Halevy, who claimed that the Iranian president’s behavior, perceived in the West as quasi-lunatic, advanced Israel’s security interests.“

 

Klare Beweise für Wahlbetrug in Iran

Und  dies ist die Conclusio der unabhängigen Website Tehranbureau:

[TEHRAN BUREAU] Iran’s Interior Ministry has declared President Mahmoud Ahmadinejad the winner of yesterday’s election. This has been rejected by all the three opponents of Mr. Ahmadinejad, Messrs Mir Hossein Mousavi, Mahdi Karroubi, and Mohsen Rezaaee.

The best evidence for the validity of the arguments of the three opponents of the President for rejecting the results declared by the Interior Ministry is the data the Ministry itself has issued. In the chart, compiled based on the data released by the Ministry and announced by Iran’s national television, a perfect linear relation between the votes received by the President and Mir Hossein Mousavi has been maintained, and the President’s vote is always half of the President’s. The vertical axis (y) shows Mr. Mousavi’s votes, and the horizontal (x) the President’s. R^2 shows the correlation coefficient: the closer it is to 1.0, the more perfect is the fit, and it is 0.9995, as close to 1.0 as possible for any type of data.

Statistically and mathematically, it is impossible to maintain such perfect linear relations between the votes of any two candidates in any election — and at all stages of vote counting. This is particularly true about Iran, a large country with a variety of ethnic groups who usually vote for a candidate who is ethnically one of their own. For example, in the present elections, Mr. Mousavi is an Azeri and speaks Turkish. The Azeries make up 1/4 of all the eligible voters in Iran and in his trips to Azerbaijan province, where most of the Azeri population lives, Mr. Mousavi had been greeted by huge rallies in support of his campaign. Likewise, Mr. Karroubi, the other reformist candidate, is a Lor. But according to the data released by Iran’s Interior Ministry, in both cases, Mr. Ahmadinejad has far outdone both candidates in their own provinces of birth and among their own ethnic populations.

Noch mehr Indizien bei Juan Cole.

 

Iranische Fatwa: Wahlbetrug ist erlaubt

Die oppostitionelle iranische Website Rooz Online berichtet von der Fatwa eines Ajatollahs, der Ahmadinedschad nahesteht und offenbar vorab das theologische OK zur Wahlmanipulation gegeben hat:

The letter, which has been signed by a number of Ministry of Interior employees, reveals the existence of a „religious decree to manipulate the results“ of the election. Revealing the behind-the-scenes efforts of certain government officials to manipulate the results, the letter reveals, „After the rapid decrease in the number of votes of one of the candidate (Mahmoud Ahmadinejad) in late April, one of the Qom Seminary School professors, who also heads a research institute there and previously spoke at the Tehran Friday prayers, called for ‚changing the votes‘ in a secret meeting, quoting a line from the Qoran, and adding, ‚If someone is elected president whereby Islamic principles that are currently on the rise in Lebanon, Palestine, Venezuela and other parts of the world, start diminishing, it is Haraam [forbidden by Islam] to vote for that person. We shouldn’t vote for that person and we should inform the people not to vote for him either, or else. For you, as administrators of the election, everything is permitted to this end.“

Der Bericht ist bereits vor der Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses erschienen.

Eine schöne Religion, die so viel Flexibiltät kennt.

 

Weniger Einbürgerungen in Deutschland

Die Einbürgerungszahlen in Deutschland gehen zurück. Das ist keine gute Nachricht, weil sich erwiesen hat, dass Eingebürgerte weniger Integrationsprobleme haben als solche Einwanderer, die in ihrer Herkunftsnationalität verharren. Ob (und inwieweit) die Einbürgerung dabei wirklich ursächlich ist – oder ob sie vielmehr einen Integrationswillen abrundet, der ohnehin schon zur besseren Eingliederung geführt hat – , ist gar nicht so wichtig: Möglichst flächendeckende Einbürgerung der Menschen nichtdeutscher Herkunft hierzulande, die dauerhaft bleiben wollen, ist das richtige politische Ziel.
Die Bundesregierung hat das immer wieder unterstrichen, zuletzt erst durch eine Begrüßung exemplarischer Neubürger im Kanzleramt durch Angela Merkel.
Und auch dieser Tage, da die neuen Zahlen vorliegen, bekennt Maria Böhmer, die Staatsministerin für Integration: „Sagen Sie Ja zu Deutschland und nutzen sie die Vorteile einer Einbürgerung.“

Die Bundesregierung unterstützt einbürgerungswillige Ausländer, so Böhmer: „Wir haben die Möglichkeiten zur Einbürgerung erleichtert. Wer gut Deutsch spricht und integriert ist, kann jetzt bereits nach sechs statt nach acht Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden. Auch die Ergebnisse des Einbürgerungstest belegen: Wir bauen keine Hürden bei der Einbürgerung auf“, betonte Böhmer. So hätten im ersten Quartal dieses Jahres fast 99 Prozent der Teilnehmer den Einbürgerungstest bestanden. „Mehr als eine halbe Million Menschen haben sich seit 2005 entschieden, in den Kursen die deutsche Sprache zu erlernen. Das ist ein großer Erfolg“, betonte Böhmer. Um mehr Einbürgerungen zu erreichen, müssten sich beide Seiten – Zuwanderer und Einheimische – anstrengen und einbringen.

Die Migranten sollten Sprache als Voraussetzung und Bildung als Schlüssel für Integration ansehen. Die Einheimischen müssten die Vielfalt der Menschen in unserem Land verstärkt als Chance begreifen. „Besonders für die Einbürgerungsbehörden gilt: Sie müssen sich flächendeckend zu wirklichen Service-Stellen und Integrationsagenturen entwickeln. Denn die Potenziale der Migranten sind oft ein verborgener Schatz, den es zu heben gilt“, erklärte die Staatsministerin

Halten wir fest: Die Staatsministerin preist die „Vielfalt als Chance“ und preist die deutsche Staatsangehörigkeit an wie sauer Bier. Sie nennt die „Potenziale der Migranten“ einen „verborgenen Schatz“ – was angesichts der teils desaströsen Zahlen im Integrationsbericht ja wohl mehr als wohlwollend ist.
Und nun kommt die Antwort der türkischen Verbände.
„Rückgang der Zahl der Einbürgerungen ist alarmierend!“ schreibt die „Türkische Gemeinde in Deutschland“ in einer Pressemitteilung.
„Seit 1990 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit immer weiter erschwert worden. Wir haben bereits früh auf die Gefahr des Rückgangs der Einbürgerungsanträge hingewiesen und deutliche Kritik geübt“, erklärte der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat.

„Bis auf das im Jahr 2000 eingeführte halbherzige Geburtsortprinzip wurden immer größere Barrieren aufgebaut. Diese betreffen unter anderem Erschwernisse in Bezug auf den Deutsch-Test, die nachhaltige Überprüfung des Lebensunterhaltes und der Einführung des Einbürgerungstests“, sagte Kolat weiter.

99 Prozent der Teilnehmer bestehen den Einbürgerungstest – aber Kenan Kolat möchte ihn dennoch als eine abschreckende Hürde hinstellen! Das ist nichts als nationalistische Demagogie.

Weiter: „Die politischen Parteien können ihrem verfassungsmäßigen Auftrag, den Willensbildungsprozess zu fördern, bei der nichtdeutschen Bevölkerung nicht nachkommen, erklärte die Türkische Gemeinde in Deutschland, da sie diese Gruppe nicht als Wähler/innen ansehen.“

Das ist ganz offensichtlich nicht richtig. Frau Böhmer macht auf eine fast schon nicht mehr würdige Weise Werbung für die deutsche Staatsangehörigkeit.

Weiter: „Die Bundesregierung ist aufgerufen, dieser negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Ein demokratischer Rechtsstaat kann sich nicht leisten, dass über 7 Millionen Menschen mit minderen Rechten dauerhaft hier leben.“

Unfasslich: Wie wäre es, wenn sich der Türkische Bund darum kümmern könnte, die Reserven der Türken gegen die deutsche Staatsangehörigkeit abzutragen, statt sich in Stimmungsmache gegen die Regierung zu ergehen?
Welch ein Bild von den eigenen Leute muss man eigentlich haben, wenn einem immer nur einfällt, dass die Schwellen gesenkt werden müssen?

Ins gleiche Horn stößt der Vorsitzende des Türkischen Bunds Berlin Brandenburg, Safter Cinar:

„Eine Politik, die die Menschen mit Migrationshintergrund immerfort als Problemverursacher darstellt und laufend rechtliche Verschärfungen umsetzt, darf sich nicht darüber wundern, dass die Betroffenen sich nicht anerkannt fühlen und ihr Interesse an der deutschen Staatsbürgerschaft zurückgeht.“

Hinzu komme noch die von der Rot-Grünen-Regierung abgeschaffte Möglichkeit der Mehrstaatigkeit als Hindernis, so Çınar.

Die Erklärung der Staatsministerin und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Böhmer, sie wolle weiter für Einbürgerung „werben“, kommentierte Çınar: „Einbürgerung ist kein Vollwaschmittel, dessen Verkaufszahlen durch bessere Werbung gesteigert werden kann.“ Solange die Staatsbürgerschaft als ‚Krönung der Integration‘ definiert werde und nicht als ‚Motor bzw. Motivation der Integration‘ begriffen wird und die Integrationserfolge nicht anerkannt werden, werde durch Werbung alleine keine Steigerung zu erzielen sein, so Çınar weiter.

Also: Man übergießt die Bundesregierung, die in die deutsche Staatsbürgerschaft einlädt, mit Hohn. Statt die Zurückhaltung der eigenen Leute beim Erwerb des deutschen Passes als Problem anzuerkennen und selber Abhilfe zu schaffen.

p.s. Hier sind die Zahlen für die Türken (Quelle: Türkische Gemeinde, aufgrund der Daten des Statistischen Bundesants)

EINBÜRGERUNGEN IN DEUTSCHLAND

(Türken)

Jahre             Zahl der Einbürgerungen

1972 – 182
1973 – 272
1974 – 374
1975 – 225
1976 – 280
1977 – 257
1978 – 317
1979 – 312
1980 – 399
1981 – 534
1982 – 580
1983 – 853
1984 – 1.053
1985 – 1.310
1986 – 1.492
1987 – 1.184
1988 – 1.243
1989 – 1.713
1990 – 2.034
1991 – 3.529
1992 – 7.377
1993 – 12.915
1994 – 19.590
1995 – 31.578
1996 – 46.294
1997 – 42.240
1998 – 59.664
1999 – 103.900
2000 – 82.861
2001 – 76.573
2002 – 64.631
2003 – 56.244
2004 – 44.465
2005 – 32.661
2006 – 33.478
2007 – 28.861
2008 – 24.449
Gesamtzahl der Einbürgerungen – 785.924

 

Welche Blogs im Iran geblockt werden

Zwei interessante Schnappschüsse der bekanntermassen sehr vitalen iranischen Blogosphäre. Die erste Darstellung zeigt ein Muster der gesamten Internet-Öffentlichkeit nach Clustern wie Religiöse Jugend, Dichtung, Konservative Politik etc.

Die zweite Darstellung zeigt, welche Seiten geblockt werden. Und da erübrigt sich dann wohl jeder Kommentar.

Sollte es dennoch zu einem Erfolg oder gar Sieg des „Reform“-Kandidaten kommen, kann man ermessen, was dies bedeuten würde – gegen solchen Widerstand.

Screenshots: JL

Quelle.

 

Iran: Rekordbeteiligung an der Präsidentenwahl

Bewegende Szenen aus dem Wahlkampf kann man hier sehen.
Heute traf ich in Potsdam Ramin Jahanbegloo, den iranischen Philospophen, der nach Monaten im Evin-Gefängnis im Exil lebt. Er blickt naturgemäß mit Spannung auf die heutige Wahl. Ein bißchen ist es so, als hielte die ganze Welt den Atem an, scheint mir.
Ramin jedenfalls sieht mit Genugtuung, dass eine „grüne Revolution“ die Jugend erfaßt hat – ohne sich über Mussawi auch nur die geringsten Illusionen zu machen. Ein „Reformer“ war der Mann in seiner Amtszeit nie. Er ist mehr eine Projektionsfläche für Hoffnungen.


Nachdem man Ramin vorgeworfen hatte, er plane eine „samtene Revolution“ im Iran (wie in den früheren Ostblockländern), sieht er jetzt mit Freude, dass die Menschen eine grüne Welle losgetreten haben, die – vielleicht – Ahmadinedschad hinwegfegt.
Heute werden jedenfalls Rekordzahlen gemeldet, was die Wahlbeteiligung angeht. Bedeutet das eventuell eine Entscheidung im ersten Wahlgang? Ramin ist skeptisch. Er rechnet mit einem zweiten Wahlgang am kommenden Freitag, wenn keiner der Kanididaten eine absolute Mehrheit erreicht. Dann würde es auf die Anhänger der beiden wohl aussischtslosen Kandidaten Rezai und Karrubi ankommen: Wenn sie sich hinter Mussawi stellen, wäre ein Wechsel möglich. Doch Ramin rechnet für diesen Fall mit einer Intervention des Revolutionsführers Chamenei, dem viel am Machterhalt Ahmadinedschads liege.

Mehr Bilder hier.

 

Etwas passiert im Iran

Im Rahmen unserer Atomdebatte mit Iran tut man gut daran sich zu erinnern, dass Iran einer Demokratie ähnlicher sieht als alle Länder der Region ausser Israel. Hier einige Bilder von nächtlichen Kundgebungen für den Kandidaten Mussawi. Wo sonst – ausser in Israel, wie gesagt – kann man im Nahen Osten derartige Kundgebungen von Freiheitsgeist erleben? Natürlich ist die Wahl im Iran keine demokratische Wahl, weil die Zulassung der Kandidaten vom Regime kontrolliert wird. Aber die Dämonisierung des Iran als „apokalyptischer, messianischer Kult“ geht schlicht an der Realität vorbei:

 

Wie Obama säkularistischen Muslimen in den Rücken fällt

Hier meine Übersetzung des sehr bedenkenswerten Einwurfs von Marieme Hélie-Lucas:

„Zunächst einmal wendet sich Obama an den Islam, als ob eine Idee, ein Begriff, ein Glaube ihn erhören könne. Als ob dies nicht vermittelt werden müßte durch Menschen, die Ideen, Begriffen, einem Glauben anhängen. Wie Soheib Bencheikh, der frühere Mufti von Marseille einmal gesagt hat: ‚Ich habe noch nie einen Koran auf der Straße marschieren sehen.‘

Kann man sich für eine Minute vorstellen, dass Obama sich ans Christentum wenden würde ? An den Buddhismus? Unmöglich, er würde zu den Christen, zu den Buddhisten sprechen, … kurz zu Menschen, zu Individuen, die sich voneinander unterscheiden.

Obama essentialisiert den Islam, er ignoriert die enormen Differenzen zwischen den muslimischen Gläubigen bestehen, – Unterschiede in der religiösen Interpretation und ziwschen Denkschulen, aber auch kulturelle Unterschiede und politische Divergenzen. Es ist unmöglich, angesichts einer solchen Vielheit vom Islam in einer totalisierenden Weise zu sprechen, wie er es tut. Er würde nie wagen, das Gleiche beim Christentum zu tun – und etwa das Opus Dei und die Befreiungstheologie zusammenzuwerfen…

Unglücklicherweise bedeutet die Essentialisierung des Islam, dass man das Spiel der Fundamentalisten spielt, die dauernd bemüht sind die Idee zu verbreiten, es gebe nur einen einzigen Islam – den wahren, in anderen Worten: ihren -, eine homogene islamische Welt, und als Folge daraus ein einziges islamisches Recht, das von allen respektiert werden müsse im Namen des religiösen Gesetzes. Das geringste Studium der Gesetze in den islamischen Ländern zeigt aber schon, dass diese variieren, manchmal sogar dramatisch von einem Land zum nächsten – inspiriert nicht nur von unterschiedlichen religiösen Auslegungen, sondern auch von verschiedenen kulturellen Parktiken auf jenen Kontinenten, auf denen der Islam sich ausgebreitet hat, und auch von historischen und politischen Besonderheiten, darunter koloniale. Alles Quellen, die ausdrücklich nicht göttlicher Art sind.

Dies ist die verhängnisvolle Konsequenz der Manier, in der Obama den Islam vergegenständlicht und die Muslime homogenisiert: Wie auch immer seine Kritik der Fundamentalisten ausfällt – er nennt sie eine „Minderheit von Extremisten“ -, er benutzt ihre Sprache und ihre Konzepte. Das kann nur schwerlich den Kampf der Antifundamentalsiten in den islamischen Ländern unterstützen.

Schießßlich spricht Obama zu den Religionen statt zu Bürgern, Nationen oder Ländern. Für ihn muß jeder eine Religion haben. Die Tatsache stört ihn wenig, dass Menschen oft eine religiöse  Identität erdulden, die ihnen gewaltsam aufgezwängt wird. Es passiert immer öfter, dass in den islamischen Ländern die Bürger gezwungen werden, eine religiöse Praxis zu befolgen, und dass sie jeden Widerstand dagegen mit ihrer Freiheit und manchmal mit ihrem Leben bezahlen. Darum versetzt der amerikanische Präsident ihren Menschenrechten, ihrer Gedankenfreiheit, ihrer Meinungsfreiheit einen Stich, wenn er öffentlich die Idee unterstützt, dass jeder Bürger eines Landes, in dem der Islam die Mehrheitsreligion ist, automatisch ein gläubiger Muslim sei (ausser wenn er einer anderen Minderheitsreligion angehört).

Ob sie nun gläubig sind oder nicht, praktizierend oder nicht, Menschen entscheiden manchmal, dass die Religion nicht ihr bestimmendes Identitätsmerkmal sein soll. Zum Beispiel können sie ihrer Identität als Bürger die Priorität einräumen. Eine gute Zahl von Bürgern in den ‚islamischen‘ Ländern möchte die Religion auf ihren Platz verweisen und von der Politik trennen. Sie unterstützen den Laizismus und wollen weltliche Gesetze, das heißt demokratisch legitimierte Gesetze, veränderbar gemäß der Wahl und der Stimmabgabe der Menschen; sie stellen sich im Namen der demokratischen Regeln gegen die Einführung unveränderlicher Gesetze, die übergeschichtlich und angeblich göttlichen Ursprungs sind. Sie kämpfen gegen die Macht der Religiösen.“

 

Im Bett mit meiner Cousine

Exzellenter Artikel über Männer als Opfer von Zwangsheirat in der taz:

„Im Bett mit meiner Cousine, das ging einfach nicht.“ Sogar an Selbstmord habe er damals gedacht.

Die Zwangsverheiratung von Männern ist in Deutschland kein Thema. Opfer von Zwangsehen sind immer jung und weiblich – nicht zuletzt wegen der sogenannten Ehrenmorde, über die berichtet wird, hat sich dieses Bild in der Öffentlichkeit eingebrannt. Und weil die Medien die islamische Männerwelt als einen Parallelkosmos, in dem Möchtegern-Casanovas und raubeinige Unterdrücker leben, zeigen, passt der muslimische Mann als Opfer nicht in die Integrationsdebatte. „Weil sie immer stark sein sollen, führen viele Männer ein Doppelleben oder ersticken gar unter der großen Last, die Ehre der Familie tragen zu müssen“, sagt Kazim Erdogan…

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