Lesezeichen
 

Ein republikanischer Stratege über Obama

An der Kennedy School of Government sprach heute Alex Castellanos, der für seine Schmutzkampagnen berüchtigte republikanische Kampagnen-Manager.

Seine „Study Group“, die sich noch bis nach der Wahl jede Woche versammeln wird, ist völlig überlaufen.

Castellanos ist ein witziger, charismatischer Mann um die Fünfzig. Zu Beginn geht eine Schüssel mit Süßkram herum, aus dem die Studenten sich bedienen.

„Ich bin ein konservativer Republikaner, das sage ich lieber gleich, und aus dieser Warte spreche ich hier“, schickt Castellanos vorweg. Er fragt: Wer hier wird in diesem Jahr zum ersten Mal wählen? Eine Mehrheit.

Wer hat schon einmal republikanisch gewählt? Ein einzelner meldet sich schüchtern. „Das können wir in diesen Hallen als Diversität durchgehen lassen!“

Allgemeines Gelächter, Castellanos hat die Leute auf seiner Seite. „Okay, dann wollen wir mal drüber reden, wie man zynisch die öffentliche Meinung manipuliert.“ Wieder Gelächter.

castellanos-cnn.jpg

Castellanos hatte im letzten Wahlkampf 100 Millionen Dollar zur Verfügung, um Kerry zu erledigen. Was er dann ja auch, mit Kerrys Beihilfe, geschafft hat. Der demokratische Bewerber wurde als „soft on defense“ fertiggemacht, der Vietnam-Veteranen-Statur zählte nicht (nachdem gewisse Freischärlergruppen ihn mit den „Swift-Boat-ads“ angegriffen hatten).

In dieser Saison hatte der gewiefte PR-Mann auf Mitt Romney gesetzt, der jedoch in den Primaries unterlag.

Castellanos erstes Beispiel für einen guten TV-Clip ist Obamas Spot, in dem er sich als ein Junge aus Kansas darstellt, mit amerikanischen Werten – „values from the heartland“ -, die ihm seinen Weg erst ermöglicht hätten. „Das ist nicht der typische demokratische Kandidat, der da spricht. Den hätte man vor Jahren für einen verrückten Rechten gehalten, so positiv wie der sich auf Amerika bezieht!“

McCains Leute hatten lange Schwierigkeiten, dem etwas entgegenzusetzen, meint Castellanos. Erst durch den Auftritt Obamas in Berlin seien sie so richtig aufgewacht. Indem sie Obama als eine x-beliebige Celebrity wie Britney Spears abtaten, fanden sie zurück zu ihrem Angriffsschwung.

„Das half zwar erst mal bei den Umfragen. Das Problem  jedoch blieb, daß man den Leuten zwar sagen konnte, warum man Obama nicht wählen könne. Aber McCain selbst hatte keine Message.“

Castellanos ist ein begnadeter und rücksichtloser Meister der Attack-Ad. Einmal berüchtigter Weise bis zu rassistischen Untertönen – „Du brauchtest den Job. Aber sie gaben ihn einem aus einer Minderheit…“. (Hier eine Geschichte in Salon dazu.) Doch er glaubt erklärtermaßen nicht an „Spin“. In einer Welt mir „zuviel Information“ sei es hoffnungslos, Sachen zu erfinden und zu glauben, die würden sich schon irgendwie festsetzen.

Es gehe nicht um „how to spin“, sondern um „how to lead“. Präsidenten sind für Castellanos einerseits „leitende Marken“ (ruler brands), andererseits aber im besten Fall auch“verwandelnde Marken“ (transformational brands). In Amerika wollen wir einen Präsidenten, sagt Castellanos, „der uns an einen besseren Ort führ, jenseits des Horizonts.

Auf seinem persönlichen Mount Rushmore des letzten Jahrhunderts würden sich darum Roosevelt, JFK, Reagan und Clinton wiederfinden. „Auf eine gewisse Weise sind sie alle derselbe Typ“, meint Castellanos – alle ebenso leitend wie transformierend.

Ich kam leider nicht dazu, ihn zu fragen, warum er George W. Bush weggelassen hat, der nicht zuletzt ihm seine zweite Amtszeit verdankt. Wahrlich ein transformierender Präsident! Aber das hätte womöglich die Stimmung etwas verdorben.

An Obamas Kampagne findet Castellanos  sehr professionell, dass sie viel mehr anbietet als bloss „issues“. Wer die Website aufruft, wird angesprochen, er solle nicht nur an die Fähigkeiten des Kandidaten glauben, Wandel zu bringen, sondern an sich selbst. „Wow. Das ist keine Kampagne mehr – das ist eine Bewegung!“ Damit wird die Wahl umdefiniert von einem Wettbewerb zwischen McCain und Obama zu einem zwischen McCain und Dir. Auf Dich kommt es an, Wähler.

Castellanos glaubt, dass die Demokraten keine andere Wahl hatten, als auf Change zu setzen: Wenn eine überwältigende Mehrheitim Land denkt, das Land sei auf dem falschen Kurs, dann geht es in der Wahl um Wechsel und Wandel. Ob die Demokraten aber nicht ein bisschen übermütig waren, in die Wechselstimmung hinein auch noch einen sichtlich andersartigen Kandidaten zu schicken, derim amerikanischen Sinne „links“ is, einen komischen Namen hat  u n d  überhaupt keine Regierungserfahrung?

Vielleicht ist das in einer turbulenten Lage wie dieser am Ende zu viel Change.

McCain, so Castellanos, hat nun die Strategie, Obama auf dem Feld des Wandels so viele Stimmen streitig zu machen, dass er ihn schließlich auf dem Feld Erfahrung  schlagen kann. Umgekehrt versucht Obama in Sachen Erfahrung so viel Boden gut zu machen, daß schließlich das Moment des Wandels für ihn ausschlaggebend wird. Das ist das Spiel der nächsten Wochen.

Zwei große Faktoren sieht Castellanos als entscheidend an: Frauen als Wähler. Und die Wirtschaft. 77 Prozent der Konsumentenmacht ist in den Händen der Frauen. Sie bestimmen über die Budgets. Sie sind sehr viel schwerer zu fassen, als die Männer mit ihren klassischen Milieus.

Und die neue Krisenlage hat es zu einem verteufelt schweren Ding gemacht, gegen Washington zu kandidieren, wie es ja beide Kandidaten für sich beanspruchen: Nie gab es mehr Mißtrauen gegenüber Washington, und nie mehr Wunsch nach Führung zugleich.

Wer dieses Paradox auflösen kann, wird der nächste Präsident. (Glaube ich jedenfalls.)

 

Spiel, Satz, Sieg: Obama

ma-00098-clowell-house-harvard-university-cambridge-massachusetts-posters.jpg

Gestern abend war ich auf Einladung der dort wohnenden Studenten im Lowell House, dem schönsten Studentenwohnheim („dorm“) Harvards. Zu etwa 120 sahen wir im überfüllten Junior Commons Room die erste Debatte der beiden Kandidaten. Man sitzt in gemütlichen Ledersesseln in einem holzgetäfelten Raum, der  dem Vorbild des englischen Cambridge nachstrebt. Die Studenten sind eine bunt gemischte Truppe aus all american boys und girls, vielen Asiaten und einer ansehnlichen Zahl Schwarzer.

Cameron Van Peterson, der Tutor im Lowell House, der mich eingeladen hat, ist einer von ihnen.  Die Atmosphäre gleicht einem public viewing bei der Fussball WM. Man isst Pizza und trinkt Ginger Ale dazu (kein Alkohol bei öffentlichen Studentenveranstaltungen).

Nach der Debatte sollte ich eine Einschätzung „aus europäischer Sicht“ abgeben. Na ja.

Mir sind folgende Dinge aufgefallen: McCain wirkte sehr unwohl in seiner Haut. Ständig grinste er angespannt, wenn Obama redete. Während Obama den Senator aus Arizona öfter als „John“ anredete, kam McCain „Barack“ nie über die Lippen. Nicht einmal konnte McCain es über sich bringen, Obama ins Auge zu sehen. Obama wollte sich offenbar als ein Insider darstellen, der mit McCain per Du ist, McCain wollte Obama auf Distanz halten als jemanden, der unerfahren ist, keine Ahnung hat und eigentlich nicht mit ihm auf einem Podium diskutieren sollte.

Immer wieder betonte McCain, Obama „versteht offenbar nicht, dass…“ Für sich selbst nahm er lange Erfahrung in Anspruch („I have a record“). Und zugleich stellte er sich selbst als „Maverick“ dar, als Unangepaßten. Das tut man eigentlich nicht. Das Urteil überläßt man dem Zuschauer. „Ich bin ein Unangepaßter“ – irgendwie peinlich, sowas.

Obama war recht forsch. Sehr viel aggressiver als gegenüber seiner Rivalin Clinton. Er erntete große Lacher in unserem Saal, als er auf McCains Forderun nach „prudence“ (Besonnenheit) konterte: Ja, das sei zweifellos richtig.Aber diese Forderung habe doch einen schrägen Klang, wenn sie von jemandem komme, der Nordkorea mit Auslöschung bedroht und öffentlich ein Lied über die Bombardierung Irans angestimmt habe.

Insgesamt schien mir, daß McCain auf seinem Feld, der Aussenpolitik, nicht den erwarteten Sieg erzielen konnte. Sicher wird er manchen Zuschauer mit seiner Erfahrung beeindruckt haben – er zählte wichtige Entscheidungen auf, an denen er beteiligt war, vo, ersten Golfkrieg über Bosnien, Kosovo und Afghanistan bis zum Irakkrieg.

Aber oft wirkte er eben doch als sehr sehr alter Mann – wenn er etwa Roosevelt über die Invasion in der Normandie zitierte, als wäre er dort auch schon selbst dabei gewesen.

Den Namen des iranischen Präsidenten verhaute er – Ahmadamadinedschad äh Ahmadinedschad. Beim Thema Iran wurde er richtig wach, während er zuvor über die Finanzkrise nur Unfug verbreiten konnte. (Er will die Krise überwinden, indem er die Ausgaben radikal kürzt – für alles ausser das Militär! – und zugleich stimmt er der größten Staatsausgabe aller Zeiten zu, dem 700 Milliarden-Dollar-Paket der Regierung. Die Bush-Regierung, die er selbst als Senator gestützt hat, hat das Land in ein Riesendefizit gewirtschaftet – doch die Finanzkrise an der Wall Street hat mit den Staatsausgaben herzlich wenig zu tun.)

Beim Thema Iran war McCain voll da: Immer wieder beschwor er die Szene herauf, dass Obama sich mit Ahmadinedschad an einen Tisch setzen werde – und damit dessen Position zu Israel aufwerten werde. Obama widersprach – Gespräche ohne Vorausbedingungen seien keine Anerkennung der Gegenposition und „kein Teetrinken“. Aber McCain schlug immer wieder in die gleiche Kerbe.

Man konnte hier eine klare Alternative in der Aussenpolitik sehen: McCain glaubt, er könne eine „Liga der Demokratien“ zusammenbringen, die ausserhalb der UN (und ohne Russen und Chinesen) die westlichen Politikvorstellungen erzwingen könne. (Das Problem ist nur, dass die Länder, die er dabei im Blick hat – Frankreich, Deutschland, Grossbritannien – dies allesamt für eine Schnapsidee halten.)

Obama hat erkannt, dass die Zeit für solche Hegemonieträume vorbei ist und setzt auf Diplomatie selbst gegenüber Schurken. Der alte Weg, den McCain weitergehen möchte, habe gegenüber Iran nichts gebracht, sagt er. Naiv hat er sich dabei nicht gezeigt. Wenn wir direkten Gesprächen eine Chance geben, sagt Obama, und diese scheitern, sind wir in einer sehr viel besseren Position, harte Sanktionen mit allen beteiligten Mächten durchzudrücken, als heute.

Schlauer Weise beruft Obama sich dabei auf Henry Kissinger, der länger schon eben diesem Strategiewechsel das Wort redet. Obama würde nicht sofort selber mit dem Präsidenten Irans am Tisch sitzen, sondern die Aussenminister zunächgs sprechen lassen. McCain konnte nur wütend zischend behaupten, „mein Freund“ Kissinger  sei nicht für Gespräche ohne Vorbedingungen. Stimmt aber nicht. Punkt Obama.

An diesem Punkt dachte ich: Wenn die Aussenpolitik McCains starke Seite ist, dann war das hier ein Desaster.

Obama war sehr stark in puncto Irakkrieg: Während McCain immer wieder betonte, der „surge“ wirke und man werde den Krieg gewinnen, konterte Obama, der „surge“ sei erst nötig geworden, weil man den Krieg jahrelang falsch geführt habe. Und im übrigensei der Irakkrieg selbst  eine „Ablenkung“ von der wahren Front im Kampf gegen den Terrorismus, die in Afghanistan verlaufe. Osama bin Laden ist immer noch auf freiem Fuß, und die Gefahr eines nuklearen Anschlags auf Amerika sei nicht gebannt, weil Pakistan und Afghanistan aus dem Blick geraten seien wegen des unnötigen Kriegs im Iran.

Obama sagte, er werde mehr Truppen (aus Irak) nach Afghanistan schicken, damit dieser vergessene Krieg nicht verloren gehe. Ich halte das für richtig und klug. Und ich weiß, daß unsere Regierung es genau so sieht. Für Merkel wie für Steinmeier, die sich hier absolut einig sind, wäre es großartig, jemanden im Weissen Haus zu haben, der diese Sicht teilt und damit ihre eigene Position zuhause leichter machen würde.

Als ich den Studenten diese europäische Sicht auf das Thema erklärte, fand ich weitgehend Zustimmung. Eine Studentin fragte mich, wie ich mir die Tatsache erkläre, dass Obama in Europa überwältigend vorne liege, während er hier in Amerika immer noch ungefähr gleichauf mit McCain bewertet werde.

Darauf antwortete ich mit einer Episode aus meinem Besuch in Los Angeles vorige Woche, wo ich mit einem sehr netten Republikaner über Obama debattiert hatte. Peter fragte mich, wie ich mir die 200.000 Zuhörer für Obama in Berlin erkläre: „Are they anti-american?“ Ich mußte schlucken, denn Peter meinte das ernst. Nein, gab ich zurück: das sind Leute, die sich das gute Amerika zurückwünschen. Leute, die Amerika lieben und es satt haben, immer wieder Dinge verteidigen zu müssen, die man nicht verteidigen kann. Im übrigen, und das war meine Schlussbemerkung, hat schon Winston Churchill gesagt: „The Americans will always do the right thing. After they’ve exhausted the alternatives.“ Es gab freundlichen Applaus.

Ja, man wird hier derzeit als Europäer sehr nett behandelt. Es gibt eine neue Nachdenklichkeit über das amerikanische Modell – im Zeichen der Finanzkrise, die eine sehr viel tiefere Krise in sich bereithält. Und im Zeichen des Niedergangs der amerikanischen Macht, deren Zeichen nur einer der Kandidaten zu lesen bereit ist. Was nicht bedeuten muß, dass die Leute ihn darum auch wählen werden.

Amerika ist durch die Bush-Regierung innen wie aussen unerhört geschwächt worden. Obamas Versprechen ist, diese Situation zu verstehen (statt sie wie McCain zu leugnen) und das ANSEHEN Amerikas wieder herzustellen. Ich habe den Eindruck, er hat seinen Anspruch darauf glaubhaft machen können. John McCain war ein ehrenhafter Mann, bis er vor seiner Partei in die Knie gegangen ist und auf eine unfaßlich zynische Weise die bisher unfähigste Person seit Bestehen der amerikanischen Demokratie für das Vizepräsidentenamt nominiert hat. (Dan Quayle war ein Gigant dagegen!) Und so etwas von einem Mann, der sich etwas auf seine Erfahrung und Urteilskraft zugute hält!

Mein Eindruck ist: Die Sache ist gelaufen. Obama „knocked the ball out of the ballpark“, wie man hier sagt. Wenn das mal nicht wieder typisch europäisches Wunschdenken ist.

 

Obama – Ist der nicht Muslim? Wie wichtig ist die Rassenfrage?

Marty Kaplan sorgt sich im „Jewish Journal of Greater Los Angeles“, dass Obama am Ende doch an der Rassenfrage scheitern könnte. Und er sieht in dem hartnäckigen Gerücht, Obama sei ein heimlicher Muslim eine indirekte Weise, über das tabuisierte Rassenthema zu reden:

„Going into the Democratic National Convention, depending on which poll you read, somewhere between 10 percent and 15 percent of American voters thought that Obama is a Muslim. A Newsweek poll found that 26 percent thought he was raised as a Muslim (untrue), and 39 percent thought he grew up going to an Islamic school in Indonesia (also untrue)…
In fact, if you told me that double-digit percentages of voters believe that Jewish workers were warned to stay home on Sept. 11, or that the American landing on the moon was faked, or that every one of the words of the Bible is literally and absolutely true, I wouldn’t be a bit surprised…

On the other hand, „But-he’s-a-Muslim!“ does raise the issue of whether people lie to pollsters when they’re embarrassed to say what they really think. This argument — called „the Bradley effect,“ after the Election Day disappearance of the lead that Los Angeles‘ African-American mayor, Tom Bradley, had held until then in the gubernatorial campaign — says that the percentages that black candidates get in polls should be discounted by the reluctance of no small number of white voters to admit that race is a factor in their choice…
The Muslim issue is a way to talk about race without talking about race, and without having to squirm about saying that race is not an issue. To enough voters that it matters for the outcome of this election, Muslims are as other, if not more so, as blacks. A Muslim running for president of the United States may just as well be the Manchurian Candidate, with al-Qaeda, the Palestinians, the Saudis, your-Islamic-bad-guys‘-name-here, playing the role of the brainwashing North Koreans nefariously plotting to plant one of their own in the White House…
But it does make me wonder what my own parents, may they rest in peace, might be thinking about this election.
Though lifelong Democrats, they were not among the Jews who joined arms with the civil rights movement. Though their relatives were killed by Cossacks just because they were Jews, they saw no irony in judging others just because of their religion or their race. Philip Roth, another kid from the Weequahic section of Newark where I grew up, was reviled for telling goyim about some of the values held in our ‚hood that our clan thought best kept private, so it will come as no surprise, though it is no less discomfiting to recall, that in the four-family houses on the block where I was raised, the word shvartze was not used merely to name a color.

I wonder how my parents would be dealing today with the dilemma I imagine Obama would pose for them. I suspect that the Muslim thing would be weighing as much in their thinking as the black thing. I suspect that my protestations — it is factually untrue that Obama is or was a Muslim — would be met with clucking condescension toward my naivete. …“

Mehr hier.

Völlig anderer Meinung ist matt Bai in der Herald Tribune. Es geht nicht um das Rassenthema. Wenn Obama von dem Versagen der Bushies nicht profitieren kann, so gibt es dafür viele andere Gründe als einen vermeintlichen versteckten Rassismus älterer weißer Wähler. Ich finde das plausibel:

„Obama faces genuine obstacles that are more salient than skin color. By any historical measure, he has remarkably little governing experience and almost none in foreign policy. And he represents not only a racial milestone in American life, but also a stark generational shift. It’s hard to extricate these things from Obama’s blackness. (If older white voters recoiled at Obama when he exchanged a fist-bump with his wife, were they reacting to his youth or to his race?) There are legitimate reasons that some older white voters might reserve judgment on Obama without being closet racists.

Proponents of the racial explanation for the closeness of the campaign point to a New York Times/CBS poll last month in which 19 percent of white voters said that most of the people they know wouldn’t vote for a black candidate. Pollsters assume that these answers are really a proxy for voters‘ own racial biases. And yet in that same poll, 16 percent of black voters said the same thing – which indicates that the answers reflect suspicions about other people’s racism more than the bigotry of the respondents.“

Bob Herbert widerspricht  in der New York Times. Und ihn finde ich auch plausibel:

„After many years of watching black candidates run for public office, and paying especially close attention to this year’s Democratic primary race, I’ve developed my own (very arbitrary) rule of thumb regarding the polls in this election:

Take at least two to three points off of Senator Obama’s poll numbers, and assume a substantial edge for Senator McCain in the breakdown of the undecided vote.

Using that formula, Barack Obama is behind in the national election right now.“

 

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – zwischen Iran und Israel?

Seltsame Dinge gehen vor im Verhältnis zwischen Iran und Israel: Bereits vor einigen Wochen hatte der iranische Vizepräsident Esfandiar Rahim  Mashai (zuständig für kulturelles Erbe und Tourismus) gesagt, Iran sei der Freund „aller Völker der Welt, auch der Israelis“.

mashai.jpg

Rahim Mashai

Das war besonders pikant, weil Mashai nicht nur politisch eng mit dem Präsidenten Ahmadinedschad verbunden ist. Der Sohn des Präsidenten ist mit Mashais Tochter verheiratet.

Unterdessen hat der gute Mann seine Worte zurückgezogen. (Er wird heftig von konservativen Abgeordneten angegriffen.) Er habe nicht die Israelis gemeint, sondern die Palästinenser. Tja, kann schon mal passieren. Die kann man echt leicht verwechseln!

(Überhaupt das Wort „Israel“ zu benutzen, ist schon ein Tabubruch. Denn das Land existiert ja für die Iraner nicht, sondern nur eine „zionistische Entität“. Ein bisschen wie bei Kindern, die glauben, wenn sie sich die Augen zuhalten, dann verschwindet die ganze Welt um sie herum.)

Und schließlich: ein höherer israelischer Geheimdienstmann – der frühere Mossad-Chef Ephraim Halévy – hat dem arabischen Sender al-Hurra (den die Amerikaner aufgebaut haben, um die Botschaft der Freiheit zu den Wüstensöhnen zu bringen) anvertraut, Irans Präsident sei „eine Gabe Gottes für die Israelis“.

Zitat:

Iranian President Mahmoud Ahmadinejad’s incendiary anti-Israel outbursts have united the international community against his country, thus serving a key Israeli interest, former Mossad chief Ephraim Halevy told an American-sponsored Arab satellite television network on Tuesday.

„Ahmadinejad is our greatest gift,“ Halevy told the Arab language television network Al-Hurra on Tuesday. „We couldn’t carry out a better operation at the Mossad than to put a guy like Ahmadinejad in power in Iran.“

Halevy added that the Iranian president’s extremist statements „proved to everyone that Iran of today is an Iran that is impossible to live with. [Ahmadinejad] unites the entire world against Iran.“

Ich hab’s ja immer schon gesagt: Die einzigen Völker, die in der verfluchten Region (eigentlich) wunderbar zusammenpassen, sind Israelis und Iraner.

 

 

Friedman: Wir hätten die Nato nicht erweitern sollen

Tom Friedman hat heute in der New York Times einen Kommentar, der sich in die russische Sichtweise einübt.

Wir hätten die Nato nach dem Ende der Sowjetunion nicht ausdehnen sollen, um Rußland nicht in die Defensive zu drängen. Das hat Putins Regiment nämlich einfacher gemacht, weil wir seine Weltsicht plausibler gemacht haben – Rußland als eine eingekreiste, gedemütigte Macht, die durch Öl und Kanonen auf Genugtuung drängt.

„It seemed to us that since we had finally brought down Soviet communism and seen the birth of democracy in Russia the most important thing to do was to help Russian democracy take root and integrate Russia into Europe. Wasn’t that why we fought the cold war — to give young Russians the same chance at freedom and integration with the West as young Czechs, Georgians and Poles? Wasn’t consolidating a democratic Russia more important than bringing the Czech Navy into NATO?

All of this was especially true because, we argued, there was no big problem on the world stage that we could effectively address without Russia — particularly Iran or Iraq. Russia wasn’t about to reinvade Europe. And the Eastern Europeans would be integrated into the West via membership in the European Union.

No, said the Clinton foreign policy team, we’re going to cram NATO expansion down the Russians’ throats, because Moscow is weak and, by the way, they’ll get used to it. Message to Russians: We expect you to behave like Western democrats, but we’re going to treat you like you’re still the Soviet Union. The cold war is over for you, but not for us…

Despite all the pious blather about using NATO to promote democracy, the belief in Russia’s eternal aggressiveness is the only basis on which NATO expansion ever made sense — especially when you consider that the Russians were told they could not join. The other premise was that Russia would always be too weak to endanger any new NATO members, so we would never have to commit troops to defend them. It would cost us nothing. They were wrong on both counts.

The humiliation that NATO expansion bred in Russia was critical in fueling Putin’s rise after Boris Yeltsin moved on. And America’s addiction to oil helped push up energy prices to a level that gave Putin the power to act on that humiliation.“

Ja, da ist auch was dran. Allerdings wird Putin hier doch allzusehr nur als Getriebener dargestellt, und nicht so sehr als eiskalter Akteur, der er auch ist.

Hier übrigens kann man eine Zusammenfassung (eng.) der Doktorthese von Vladimir Putin über die strategische Bedeutung der Öl- und Gasreserven lesen.

 

Was sind die russischen Argumente für den Krieg wert?

Mein Beitrag aus der morgigen ZEIT, Nr. 35, S. 6:

Der russische Botschafter in Berlin, ein eleganter Mann um die fünfzig mit exzellenten Deutschkenntnissen, vertritt sein Land seit vier Jahren mit Charme und urbanem Chic. Wladimir Kotenew ist bei aller Loyalität gegenüber seinem Förderer stilistisch ein Anti-Putin, ohne machohafte Machtgesten. Doch an diesem Mittwoch, dem ersten Tag nach Einstellung der Kampfhandlungen im Kaukasus, steht der sonst so konziliante Botschafter sichtlich unter Strom. Er hat die deutsche Presse geladen, um sie in dem riesigen stalinistischen Herrschaftsgebäude Unter den Linden mit der offiziellen Lesart des Kaukasus-Krieges vertraut zu machen: »Hinterlistige Georgier«, sagt er mit verbissener Miene, hätten Zchinwali überfallen. Sie hätten »Kinder und alte Frauen zermalmt«, Menschen in Kirchen verbrannt und Friedhöfe planiert. Eine »Tragödie von unvorstellbarem Ausmaß« und ein »versuchter Völkermord« gingen auf das Konto des »größenwahnsinnigen« Präsidenten Saakaschwili. Russland habe lediglich seinen »Friedenseinsatz« zum Schutz des Völkerrechts fortgesetzt, ganz wie der Westen im Kosovo.
Im Auftritt des Botschafters liegen Wut und Genugtuung, Bitterkeit und Triumphgefühl auf eine überraschend undiplomatische Weise offen zutage. Er wirkt wie befreit, wenn er voller Sarkasmus vom »ausgezeichneten Englisch« und den »großartigen Beratern« des georgischen Präsidenten redet. Ob Russland sich nicht international isoliere durch sein Vorgehen, wird Kotenev gefragt. »Ach, wissen Sie, Russland war fast immer allein«, gibt er zurück. Russlands Argumente würden sowieso abgetan, winkt er ab.
Wie stichhaltig also sind die russischen Argumente?

Erstens: Wir mussten unsere Friedenstruppen verteidigen

Wer angefangen hat, wird sich vielleicht nie ermitteln lassen. Die Georgier behaupten, Weiter„Was sind die russischen Argumente für den Krieg wert?“