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Antimuslimismus?

Habe ich’s nicht gesagt? Der Begriff der „Islamophobie“ taugt nichts, obwohl es eine arge und steigende Islamfeindlichkeit gibt. Nicht nur hierzulande, sondern in weiten Teilen der westlichen Welt (Willkommen im Club, Schweden!)

Armin Pfahl-Traugber macht in der taz eine ähnliche Unterschiedung wie ich damals in meinem Text:

Mit einer Ablehnung des Islam muss sich nicht automatisch eine Ablehnung von Muslimen verbinden. Dies zeigen sogar die Daten der GMF-Studie selbst: Während zwar eine Mehrheit von 65,9 Prozent im Jahre 2003 der Aussage widersprachen: „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt“, wiesen 65,6 Prozent zugleich die Aussage: „Bei Personen muslimischen Glaubens bin ich misstrauischer“, weit von sich.

Auch andere empirische Studien zeigen, dass es zwar eine deutliche Zunahme von Kritik und Ressentiments gegen den Islam gibt. Das geht aber nicht automatisch mit einer wachsenden Feindseligkeit gegen Muslime einher. Sowohl empirische wie theoretische Argumente sprechen daher dagegen, pauschal von „Islamophobie“ zu reden.

Besser sollte man vielleicht von „Antimuslimismus“ oder „Muslimenfeindschaft“ sprechen. Diese beiden synonymen Begriffe zielen auf die Feindseligkeit gegenüber Muslimen als Muslime ab. Es handelt sich hier nicht um einen bloßen Streit um Worte, die Bezeichnungen stehen vielmehr für unterschiedliche Inhalte. Wenn von „Antimuslimismus“ die Rede ist, dann ist jedenfalls klar, dass es dabei nicht um die Kritik an der muslimischen Religion geht, wie immer rational und begründet diese auch sein mag.

Allerdings muss ich nahc den letzten Wochen sagen: Ich hoffe sehr, dass das noch stimmt, dass es also eine Kritik an der Religion des Islam, ihren Traditionen und Werten gibt, die sich nicht automatisch in eine Muslimfeindlichkeit umsetzt. Zweifel und weitere Beobachtung dringend geboten.

 

Eine demokratische Revolution in der Türkei

In der Türkei spielt sich ein Umsturz ab – aber diesmal ist es eine Coup des Volkes für mehr Demokratie. Nichts zeigt den Abschied vom Autoritarismus so deutlich wie diese Nachricht: Nur einen Tag nach dem überwältigenden Mehrhheitsvotum für die Verfassungsreform hat eine breite Koalition von Befürworten und Gegnern des Referendums Klagen eingereicht – gegen die überlebenden Generäle des Putsches von 1980. Nun wird der greise Putschist Kenan Evren sich vor Gericht für die Menschenrechtsverletzungen der achtziger Jahre verantworten müssen, was bisher durch einen speziellen Verfassungsartikel verhindert wurde. Künstler, Intellektuelle, Kommunisten, Kurden machen sich gemeinsam die Möglichkeit zunutze, die ungesühnten Verbrechen der Militärjunta zu verfolgen.
Und es sind ausgerechnet die von ihnen früher oft verdächtigten islamischen Konservativen von Erdogans AKP, die ihnen durch das Referendum zu diesem Recht verholfen haben.

Ist das Land weiter gespalten, wie manche Kommentatoren behaupten? So einfach ist es nicht. Erdogan hat es geschafft, die Wählerbasis seiner Partei bei dem Referendum enorm zu verbreitern. Die meisten liberalen Intellektuellen haben ihn unterstützt, auch wenn viele sagten „Ja, aber es ist nicht genug“ (so ihr Slogan). Zugleich hat er eine große Gruppe der Ultranationalisten von der MHP an sich binden können, obwohl deren Führer zum Boykott aufgerufen hatten. Die MHP steht vor dem Aus.

Die Kemalisten von der CHP haben sich blamiert. Außer einem „Nein“ hatten sie nichts zu bieten – eine eigene Vision für eine moderne Türkei fehlte völlig. Zum Sinnbild der Unfähigkeit der einst staatstragenden Partei wurde die peinliche Tatsache, dass der Parteiführer Kilicdaroglu selber nicht wählen konnte, weil er im Istanbuler Wählerverzeichnis nicht registriert war. Im Wahlkampf hatte er sich dazu hinreißen lassen, antieuropäische Verschwörungstheorien über die Reformen zu verbreiten, weil die EU die Erdoganschen Reformen positiv bewertet hatte. Die CHP ist versucht, sich aus hilfloser Opposition gegen die AKP zur antieuropäischen Partei zu entwickeln.
Die CHP mutete ihren Wählern zu, ein Reformpaket, dass die Türkei verwestlicht und an Europa heranrückt, weil es  Arbeiter- und Minderheitenrechte stärkt und den Bürgern durch einen Ombudsmann mehr Einfluss bringt, abzulehnen – und zwar wegen alter Vorbehalte gegen die vermeintlichen „Islamisten“. Vorbehalte, die in den letzeten Jahren widerlegt worden sind durch die Demokratsierung und den ökonomischen Boom des Landes. Die alte Republikpartei ist zur Partei des Neins und des Verdachts geworden. Die Zukunft gestalten die anderen.
Und hier liegen vielleicht die wahren Probleme des türkischen Systems: Auf absehbare Zeit gibt es keine nennenswerte Opposition mehr für Erdogan, der für ein breites Spektrum wählbar geworden  ist – vom rechten Rand bis zur linksliberalen Elite. Erdogan könnte vesucht sein, seinen Erfolg – es ist schon die siebte gewonnene Wahl, seit er Bürgermeister von Istanbul wurde – für einen Wandel des Regierungssystems zu nutzen. Es wird bereits darüber debattiert, ob die Türkei mit einem Präsidialsystem nicht noch stabiler würde. Erdogan hat bewiesen, dass er in einem solchen System wahlen gewinnen könnte.

Aber die Türkei braucht heute nicht mehr Macht für die Exekutive und mehr Zentralismus, sondern im Gegenteil mehr Dezentralisierung und eine weitere Demokratisierung der Gesellschaft. Es wird befürchtet, dass die Regierung durch die Reformen einen stärkeren Einfluss auf die Justiz bekommen wird. Die Gefahr ist real, denn die Verfassungsrichter werden künftig mehrheitlich vom Präsidenten benannt. Wenn Erdogan das Votum als Ermunterung verstehen sollte, einen autoritären Weg einzuschlagen, hin zu einem Putinismus alaturka, dann würde er seine breite Koalition verlieren.
Was die Kritiker allerdings beiseite schieben, ist die Tatsache, dasss auch das Parlament nun erstmals drei Verfassungsrichter berufen kann – und dass die türkische Justiz bisher alles andere als eine neutrale Macht war. Die Überpolitisierung der Justiz, die sich als letztes Bollwerk des Kemalismus sah und abweichende Meinungen unter den Vorwürfen des Islamismus und des Separatismus gnadenlos verfolgte, musste gebrochen werden.
Jetzt wird man allerdings sehen müssen, ob die Politisierung wirklich zugunsten einer unabhängigen Justiz beendet wird – oder nur umgekehrt wird durch eine nicht dem Militär, sondern der Regierung hörige Richterschaft.
Was mit den angeklagten Generälen geschehen wird, ist ein erster Test.
Wer dieser Tage mit türkischen Diplomaten und Spindoktoren der Regierungspartei redet, trifft auf ein neues türkisches Selbstbewußtsein. Nicht zu Unrecht: 30 Jahre nach dem Militärcoup hat das Land sich klar für die Demokratie stark gemacht. Dieser 12. September wird die Türkei nachhaltig verändern.
In Europa wird das viel zu zaghaft aufgenommen. Man spürt in den klammen europäischen Reaktionen die Angst, dass einem immer mehr Argumente gegen den Beitritt der Türkei aus der Hand geschlagen werden. Dabei sollte man das doch feiern: Das wichtigste islamisch geprägte Land in unserer Nachbarschaft hat sich unter großem Ringen und nach langer demokratischer Debatte eindeutig für den westlichen Weg entschieden.

 

Vorwärts in die Ära der Unvernunft

Pastor Jones hat seine Bücherverbrennung abgesagt. Er hatte seinen Spass: Wochenlang war er das Zentrum des Universums (jedenfalls wenn man Internet und Kabelfernsehen zu Rate zieht). Ein paar Menschen in Afghanistan sind tot, ein paar mehr verwundet wegen Pastor Jones. Er wird sich dadurch bestätigt fühlen. Wir haben noch nicht einmal einen Koran verbrannt – und die drehen trotzdem durch! Und hat er nicht Recht: Es gibt, wie wir seit den Karikaturen wissen, in der islamischen Welt sehr willige Kooperationspartner beim Kulturkampf. Großartig. Jemand anderes wird das Konzept wahrscheinlich aufnehmen. Jedermann kann heute einen Krieg starten, Internetzugang vorausgesetzt.

Herr Wilders aus Den Haag war in New York. Er hat Bürgermeister Bloomberg für seine „selbstmörderische“ Toleranz gegenüber den Muslimen mal so richtig vorgeführt, Lincoln-Zitat inklusive. Er hat davor gewarnt, die Moschee der Cordoba-Initiative bauen zu lassen, weil das ein Triumph derjenigen wäre, die nach dem 11. September „in Europas Strassen getanzt haben“ – muslim youths. (Das muss ich verpasst haben. Ich war am 11. September 2001 in der Türkei. Und dort waren die Menschen gelähmt und erstarrt angesichts dieser Barbarei im Namen ihrer Religion.)

If a mosque were built here on Ground Zero such people would feel triumphant. But we, we will not betray those who died on 9/11.

For their sakes we cannot tolerate a mosque on or near Ground Zero. For their sakes loud and clear we say: No mosque here! For their sakes, we must draw the line. So that New York, rooted in Dutch tolerance, will never become New Mecca.

(…)

Mayor Bloomberg forgets, however, that openness cannot be open-ended. A tolerant society is not a suicidal society.

It must defend itself against the powers of darkness, the force of hatred and the blight of ignorance. It cannot tolerate the intolerant – and survive.

This means that we must not give a free hand to those who want to subjugate us.

Die Kräfte der Finsternis, die Macht des Hasses, und der Fluch des Unwissens. Die wollen uns unterwerfen in Form der Corodoba Moschee des Imam Rauf und seiner Frau, Daisy Khan.

Wilders steht wie die iranischen Ajatollahs im apokalyptischen Endkampf. Natürlich will er die Freiheit nicht steinigen, sondern bewahren vor ihren Feinden. Wer es nicht so sieht, muss ein verblendeter Mulitkulti-Idiot, Dhimmi, Burkaversteher, Apeasenik sein. Er verweist immer wieder auf die Unfreiheit in der islamischen Welt und die Unmöglichkeit, dort überall frei Kirchen zu errichten. Damit New York kein neues Mekka wird, keine Moscheen mehr. Aber würde New York nicht gerade dadurch ein bisschen mehr Mekka? Oder ist das jetzt schon wieder ein „selbstmörderisch toleranter“ Gedanke?

Allerdings war – was Wilders natürlich verschweigt – der Islam schon Teil des Lebens in den Zwillingstürmen. Es gab einen „prayer room“ auf der siebzehnten Etage des Südturms. In der New York Times beschreibt einer der damaligen Besucher ihn so: “It was so freeing and so calm,” Mr. Sareshwala, 47, said in a phone conversation from Mumbai, where he is now based. “It had the feel of a real mosque. And the best part is that you are in the epicenter of capitalism — New York City, the World Trade Center — and you had this island of spiritualism. I don’t think you could have that combination anywhere in the world.” Das ist New York.

Der Westen wurde getroffen an 9/11. Es gab aber keine Hassreaktionen gegen Muslime im Westen, wie man sie vielleicht hätte erwarten können. Nirgendwo jagte der Mob Muslime durch die Strassen. Es brannten keine Botschaften islamischer Staaten. Bush ging in eine Moschee, und alle westlichen Regierungen beschworen Religionsfreiheit und Toleranz für loyale muslimische Bürger. Eine endlose Reihe von Dialogveranstaltungen und Islamkonferenzen war die Folge. Eine bemerkenswerte Reaktion: eine Absage an den „Krieg der Kulturen“. Zugleich führten wir da draussen  zwei Kriege gegen den Terror und zur Verbreitung der Demokratie und der Menschenrechte. Die waren nicht so erfolgreich wie gehofft. (Woher eigentlich kam diese Hoffnung?)

Jetzt sind wir erschöpft, ausgepowert, frustriert. Wir wissen nicht, wie wir den Rückzug so hinkriegen sollen, dass wir nicht schlechter dastehen als vor dem ganzen Horror, der so viele Menschenleben gekostet hat. Aber es wird einen Rückzug geben müssen. Wir müssen (irgendwann) raus aus Afghanistan. Im Irak hat der Rückzug schon begonnen.

Zugleich macht sich Ernüchterung breit, seit wir anerkennen, dass das Zusammenleben mit Muslimen in unseren Gesellschaften ein Dauerzustand und keine Episode sein wird. Was nicht gut läuft, kann man nicht mehr ignorieren. Der Nachbar, der bleibt, wird anders gemustert als ein Gast, der übermorgen weg ist.

Hier wird es allerdings keinen Rückzug geben können. „Disengagement“ gibt es nicht in der Einwanderungsgesellschaft.  Reden vielleicht gerade darum heute so viele über „die“, als gäbe es eine Möglichkeit, sie wieder wegzubekommen? Wilders „neues Mekka“ und Sarrazins Selbstabschaffung Deutschlands sind maßlose Übertreibungen realer Ängste. Wie konnten wir nur – neun Jahre nach dem 11. September – bei diesem abgrundtiefen Pessimismus, bei dieser Botschaft des Mißtrauens, der Misanthropie, der Wut und des westlichen Selbsthasses landen?

 

Wird Amerika islamfeindlich?

Ich habe zusammen mit unserem Washington-Korrespundenten Martin Klingst eine Seite 3 über den New Yorker Moscheenstreit zu 9/11 geschrieben. Der Text aus der aktuellen Ausgabe der Zeit ist jetzt auch online zu lesen:

Kulturkampf um Moscheebauten – das war bisher eine europäische Eigenheit, auf die Amerikaner irritiert schauten. Doch jetzt, beinahe ein Jahrzehnt nach den Anschlägen, scheint plötzlich nichts mehr gewiss in Amerikas Beziehung zu den Muslimen im eigenen Land.

Im Verhältnis des Westens zum Islam gibt es ein transatlantisches Paradox: Europa mag in der islamischen Welt beliebter sein als Amerika. Doch bei der Integration seiner Muslime hat es viel größere Probleme als die USA. Amerika hingegen, durch zwei blutige Kriege in der islamischen Welt außenpolitisch diskreditiert, reüssierte dennoch bei der Integration islamischer Einwanderer. Man kämpfte zwar gegen militante Islamisten in Übersee, doch zu Hause schaute man streng auf die Trennung zwischen Islam und Islamismus. George W. Bush hatte nach dem 11. September 2001 nichts Eiligeres zu tun, als eine Moschee aufzusuchen und zu erklären, der Islam sei »eine Religion des Friedens«. Die Republikanische Partei achtete, solange sie regierte, auf die Differenz von Religion und terroristischer Ideologie. Vorbei. Im Moscheestreit von Manhattan werden die Grenzen verwischt. Mit voller Absicht…

Mehr hier.

 

Kann es sein, dass die Welt gerade durchdreht?

Der verrückte Pastor hat also erst einmal seine Absicht zurückgezogen, den Koran zu verbrennen. (Oder doch nicht? Er meinte wohl, man habe ihm versprochen, im Gegenzug die Moschee nicht zu bauen… Was eine irre Gleichsetzung!)

Ein anderer, noch verrückterer Pastor steht aber schon bereit, es doch zu tun, falls Jones sich nicht traut. (Phelps und seine Gemeinde sind bekannt dafür, mit „God hates Fags“-Plakaten bei Soldatenbegräbnissen aufzutauchen. Sie glauben nämlich, die amerikanischen Soldaten gottgewollt sterben, weil Amerika nicht genug gegen Homosexualität tut.) Übrigens haben die Phelps-Leute schon einmal (2008) einen Koran verbrannt und dies gefilmt – sie wurden ignoriert, wie es sich gehört.

Pastor Jones hat aber zig Kameras auf seinem Rasen, die jede seiner wirren Bekundungen in die Welt tragen. In anderen Worten: Die Medien machen diesen Irren erst zu einer Bedrohung für den Weltfrieden.

Auch die Hasskampagne gegen die Cordoba-Initiative ist ganz klar von interessierten Medien vom Zaun gebrochen und gesteuert worden, von der durchgeknallten Bloggerin Pam Geller und Murdochs New York Post, wie Salon nachgewiesen hat. (Danke, Boothby.)

Seit Tagen fährt die BILD-Zeitung eine heuchlerische Kampagne „für die Meinungsfreiheit“, in der Sarrazin zum armen Opfer stilisiert und zum Protest gegen den Bundespräsidenten (per BILD-Vordruck) animiert wird. Es wird hier dieselbe Politik kaputtgeschossen, deren bedauernswerten Zustand man dann später gerne mit Krokodilstränen beweint. Man möchte gerne die Wut der Leute auf die eigenen Mühlen lenken. Niemand sollte sich einbilden, solche Prozesse steuern zu können. Meine Vermutung: Tholo Sarrazin hat das gemerkt und es ist ihm unheimlich geworden. Er will den Bundespräsidenten nicht beschädigen, er will keine wochenlange Wulff-Hatz durch BILD, obwohl er Grund hat ihm groll zu sein. Darum hat er zurückgezogen, und dafür gebührt ihm Respekt. (Ist allerdings nur eine These, ob’s stimmt wied sich zeigen…)

Morgen wird sich Wilders in New York als Anführer der antiislamischen Internationale empfehlen. In drei Wochen wird er in Berlin erwartet, eingeladen von Herrn Stadtkewitz, Ex-CDU, der heute seine deutsche „Freiheitspartei“ vorgestellt hat.Viele Leute erwarten ihn wie einen Erlöser.

Und in Afghanistan, Pakistan, Teheran und Indonesien freuen sich die Islamofaschisten bereits auf ein herrliches Eid-Fest mit Antiamerika-Aktionen und Flaggenverbrennungen.

Etwas braut sich zusammen. Die Irren sind dabei, die Klinik zu übernehmen.

p.s. Ich fahre ab morgen für 5 Tage in die Türkei, um dort das Verfassungsreferendum zu erleben. Ich werde mich sicher melden. Bitte die Diskussionen im presserechtlich vertretbaren Rahmen halten, damit ich dieses Blog nicht abschalten muss.

 

Warum die Ground Zero Moschee gebaut werden sollte

Etwas Besseres als dieser Text von Leon Wieseltier über den New Yorker Moscheestreit (in der New Republic) ist nirgends zu finden:

„There are families of the victims who oppose Cordoba House and there are families of the victims who support it. Every side in this debate can invoke the authority of the pain. But how much authority should it have? I do not see that sentiment about the families should abrogate considerations of principle. It is odd to see conservatives suddenly espouse the moral superiority of victimhood, as it is odd to see them suddenly find an exception to their expansive view of religious freedom. Everybody has their preferred insensitivities. In matters of principle, moreover, polling is beside the point, or an alibi for the tyranny of the majority, or an invitation to demagogues to make divisiveness into a strategy, so that their targets come to seem like they are the ones standing in the way of social peace, and the “decent” thing is for them to fold. Why doesn’t Rauf just move the mosque? That would bring the ugliness to an end. But why don’t Palin and Gingrich just shut up? That, too, would bring the ugliness to an end. Certainly the diabolization of Rauf, an imam who has publicly recited the Shema as an act of solidarity and argued that the Declaration of Independence “embodies and restates the core values of the Abrahamic, and thus also the Islamic, ethic,” must cease. In a time when an alarming number of Muslims wish to imitate Osama bin Laden, here is a Muslim who wishes to imitate Mordecai Kaplan. Turn away, from him? But he may be replaced at his center by less moderate clerics, it is said. To which I would reply with a list of synagogues whose establishment should be regretted because of the fanatical views of their current leaders. I also hear that there should be no mosque on Park Place until there are churches and synagogues in Saudi Arabia. I get it. Until they are like us, we will be like them.

At the JCC on Q Street a few weeks ago, there was a family night for “kibbutz camp.” As the children sang “Zum Gali Gali,” an old anthem of the Zionist pioneers, I noticed among the jolly parents a Muslim woman swaddled in black. Her child was among those children! Her presence had no bearing on the question of our security, but it was the image of what we are protecting. No American heart could be unmoved by it. So: Cordoba House in New York and a Predator war in Pakistan—graciousness here and viciousness there—this should be our position. For those who come in peace, peace; for those who come in war, war.“

 

Die Islamisierung schreitet voran

Ein paar ungeordnete Eindrücke von gestern: Ich war eingeladen, bei der Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amtes auf einem Panel über „Islam in Europa“ mitzudiskutieren. Bei der „BoKo“ sind einmal im Jahr fast alle deutschen Botschafter und Gesandten in Berlin, um über verschiedene Dinge zu tagen.

Bevor wir überhaupt zu den Hauptthemen unseres Panels kommen konnten, war das ganze Haus schon ziemlich in Aufregung: Der Plan des Pfarrers Terry Jones, zum Gedenken an 9/11 Korane zu verbrennen, versetzt den gesamten diplomatischen Dienst, sofern er sich mit islamisch geprägten Ländern befasst, in Unruhe. Denn es ist offenbar, dass diese Aktion die Sicherheit aller westlichen Vertreter (und auch der deutschen Soldaten) gefährden kann, weil sie großartiges Futter für Extremisten ist. (Gut daß die Bundeskanzlerin bei ihrer Rede in Potsdam das Nötige dazu gesagt hat.)

Auf dem Panel saßen Joseph Maila, ein libanonstämmiger katholischer Islamexperte, der im französischen Außenministerium für Religonsfragen zuständig ist und neuerdings auch Chef des Planungsstabes ebendort. Maila verteidigte das französischen Modell des Bürgers, der einem „blinden Staat“ gegenüber steht, der nicht nach Religion oder Herkunft unterscheidet. Aber er gab auch zu, dass das eine schöne Fiktion ist. Ich verstieg mich zu der These, dass die Islamisierung Deutschlands wirklich voranschreitet. Allerdings ist es eine Islamisierung des öffentlichen Diskurses, die alles und jedes moslemisiert (und diese schreckliche Vereinfachung nun auch noch biologi(sti)sch zu untermauern versucht.) Wir produzieren im Diskurs mehr und mehr Muslime. (Ich höre das dauernd in diesen Tagen: So türkisch, so muslimisch habe ich mich in meinem Leben noch nicht gefühlt, sagen viele neue Deutsche, erschrocken über sich selbst. Hier wirst Du immer Muslim bleiben, immer Türke, immer Migrant, auch wenn Du gar nicht eingewandert bist, sondern hier geboren.) Professor Maila fand meine These richtig, er sah sie wohl als Bestätigung seines französisch-laizistischen Republikanertums.

Aiman Mazyek sprach für den Zentralrat der Muslime, Ali Ertan Toprak für die Aleviten, ich für die Medien, Haci-Halil Uslucan für das „Zentrum für Türkeistudien“. Mazyek wies zurecht darauf hin, dass die deutschen Muslime angesichts des Karikaturenstreits eine sehr vernünftige Position vertreten haben: Keine Ausschreitungen, friedliche Proteste und ein klares Bekenntnis zu Meinungsfreiheit, auch wenn es schmerzt.

Jetzt, angesichts der Sarrazin-Debatte, macht sich offenbar das Gefühl breit, dass es wenig bringt, wenn man sich verfassungsgemäß verhält, einen kühlen Kopf bewahrt und die Hitzköpfe in den eigenen Reihen in Schach hält. (Nicht dass man es tut, damit es etwas bringt. Aber selbst wenn man es tut, wird es nicht anerkannt und man steht immer weiter unter Verdacht.) Wie anders soll ein wohl integrierter, erfolgreicher Deutscher wie Mazyek die Debatte der letzten Wochen erleben – denn als Signal, dass er hier nie dazugehören wird? Die Wut, das tiefe Misstrauen, die Angst, die sich da allüberall ausdrücken, hinterlassen Spuren. Wochenlang beugt sich der biodeutsche Teil der Nation über deine Gene: das ist irgendwann nicht mehr lustig. Wenn Mazyek die Kanzlerin dafür kritisiert, zur Ehrung von Westergaard zu gehen, muss er sich gleich fragen lassen, ob er denn „für Zensur“ sei. Ist er nicht. Aber die Suggestion ist sofort da, und ich kann mir vorstellen, wie wütend man über so etwas wird: Na, wie finden sie das denn, wenn wir den Mann ehren? Eine Falle. Mazyek hat dann im Fernsehen ziemlich rumgeeiert über die Abwägung von „Respekt“ und „Meinungsfreiheit“. Warum nicht voltairisch sagen, ich lehne das aus vollem Herzen ab, was dieser Mann macht, aber ich werde für seine Freiheit kämpfen, es weiter zu tun. Denn wenn ich unser Gespräch recht verstanden habe, ist das in etwa die Haltung.

Interessant übrigens, wie dieselben Leute, die Merkel vorgestern noch angeprangert haben wegen ihrer Kritik an Sarrazin (BILD), sie heute wieder zur „mutigen“ Kanzlerin stilisieren, weil sie Westergaard die Hand geschüttelt hat. Oder wie sie versuchen, daraus einen Widerspruch zu machen (und  Sarrazin damit zum verfemten und verfolgten Dissidenten). Die Kanzlerin hat, wenn ich das einmal wohlwollend auslege, eine konsistente Haltung gezeigt: so erbarmungslos gegen Biologismus wie gegen Islamismus.  (Cool gefunden hätte ich es, wenn die Kanzlerin sich dieser Tage auch mal bei einem Iftar hätte sehen lassen. Dann könnte man den Handshake mit Westergaard nicht als verquere Botschaft zum Zuckerfest/Eid verstehen. Happy Ramadan allerseits!)

Ali Ertan Toprak hielt ein flammendes Plädoyer dafür, dass die Einwanderer und ihre Kinder dieses Land als ihres annehmen sollen. Er ist so patriotisch, dass manchem Botschafter ein Stirnrunzeln übers Gesicht huscht. Er hat Freude daran die anderen Deutschen damit zu verblüffen, wie begeistert er von diesem Land spricht. Die Aleviten – in der Türkei immer noch bedrängt und nicht frei, ihren Glauben so auszuüben, wie sie das richtig finden – leben in Deutschland auf. Aber auch er muss sich immer wieder anhören, dass man ihn automatisch mit der Türkei identifiziert.

Ein Blick ins Publikum – in die Gesichter der 50-60 Botschafter – zeigte übrigens, wie unglaublich homogen die Elite dieses Landes ist: Die Franzosen haben an höchster Stelle in ihrem internen Thinktank immerhin einen Mann mit Wurzeln im Libanon. Das Establishment des deutschen diplomatische Corps enthält unterdessen einige Ostdeutsche, aber andere Neubürger sucht man noch (fast) vergeblich.

Haci-Halil Uslucan konnte Zahlen anführen, die die Diskriminierung der bildungswilligen Türken belegen. Jeder auf dem Panel kannte ein Beispiel dafür. Ich habe dann etwas vorlaut dazwischengefunkt, nicht weil ich diese Erfahrungen bezweifle, sondern weil ich sie für nicht politisierbar halte. Der Diskriminierungsdiskurs ist eine Sackgasse. Man macht sich zum Opfer, und niemand mag Opfer (oder nur die falschen Leute).  Einwanderer werden immer diskrimiert, die Deutschen haben sogar die Vertriebenen nach dem Krieg schlecht behandelt, die doch angeblich ihr eigen Fleisch und Blut waren. Warum soll es Türken besser gehen. Da gibt es nur eins: dagegenhalten, besser werden, nicht aufgeben, wiederkommen bis sie dich durchlassen.

Dann war auch schon Schluss, denn wir mussten zum Fastenbrechen. Iftaressen, gegeben von Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im AA, im Museum für Islamische Kunst auf der Museumsinsel. Seyran Ates war übrigens auch da unter den vielen Gästen, und ich war froh zu sehen, dass sie offenbar wohlauf ist.

 

Der Imam der „Ground Zero Moschee“ spricht

Der New Yorker Imam Rauf hat sich nun nach Wochen zu Wort gemeldet und das Projekt seines „Community Centers“ (i.e. „Ground Zero Moschee“) verteidigt. Er war, wie bekannt, im Auftrag des State Department unterwegs, um Amerika im Nahen Osten zu bewerben.
In einem Kommentar für die New York Times erklärt er, warum er nicht nachgeben will und was das Zentrum für eine Aufgabe haben soll. Er verspricht die Finanzierung offenzulegen und kündigt an, es werde Gebetsräume für andere Religionen, namentlich Juden und Christen, in dem Zentrum geben, sowie einen Gedenkraum für die Opfer des 11.September.
Er sagt auch, die Verteidigung des Projekts durch Präsident Obama und den Bürgermeister Bloomberg – einen Christen und einen Juden – habe in der islamischen Welt großen Anklang gefunden und helfe, die falschen Meinungen zu bekämpfen, Amerika befinde sich auf einem Kreuzzug gegen den Islam. „It was striking: a Christian president and a Jewish mayor of New York supporting the rights of Muslims. Their statements sent a powerful message about what America stands for, and will be remembered as a milestone in improving American-Muslim relations.“

Unterdessen scheinen die prominenten Republikaner kalte Füsse zu bekommen, was die geplante Krawall-Demo am 11. September am Ground Zero angeht: Newt Gingrich ließ mitteilen, er werde nicht persönlich erschienen und habe von vornherein nur eine Video-Botschaft in Aussicht gestellt. Sarah Palin hat andere Pläne, offenbar zusammen mit Glenn Beck in Alaska. John Bolton wird ein Video schicken. Ach ja, Geert Wilders ist weiterhin angekündigt.

Rauf schreibt: „The wonderful outpouring of support for our right to build this community center from across the social, religious and political spectrum seriously undermines the ability of anti-American radicals to recruit young, impressionable Muslims by falsely claiming that America persecutes Muslims for their faith. These efforts by radicals at distortion endanger our national security and the personal security of Americans worldwide. This is why Americans must not back away from completion of this project. If we do, we cede the discourse and, essentially, our future to radicals on both sides. The paradigm of a clash between the West and the Muslim world will continue, as it has in recent decades at terrible cost. It is a paradigm we must shift.“

Ich wiederhole meine Frage: Spricht so der Feind?

Anders gefragt: Wer ist hier der Freiheitskämpfer? Der blondmähnige Volkstribun aus Limburg oder dieser Imam?

 

„Burn a Koran day“

Momentaufnahmen aus dem amerikanischen Kulturkampf dieser Tage. Zum 11. September plant dieser evangelikale Pastor aus Florida einen „Burn a Koran day“:

Das zunehmend frostige Klima, in dem sich Figuren wie Pastor Jones (irriger Weise) als Vertreter der Mitte wähnen, wollen diese amerikanischen Muslime durch eine Medienkampagne auftauen: