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Die Taliban haben die Wahlen gewonnen

Meint Leslie H. Gelb im „Daily Beast“:

The only ones gloating over this presidential election seem to be the Taliban. They wanted to suppress the voter turnout to demonstrate their power, and they largely did. In southern provinces, the percentage going to the polls fell to under 10. This was a deep wound to Karzai because these areas are overwhelming Pashtun, and he’s a Pashtun who expected upward of 80 percent of that vote. The low participation also demonstrated that U.S. forces, as good as they are, could not afford the protection Afghans felt they needed to cast ballots in the face of Taliban threats. And to some of those who, nonetheless, sported the purple fingers advertising their voting bravery, the Taliban carried out its threat to cut off those fingers.

 

Pakistanischer Taliban-Chef tot (vermutlich)

Vorsicht ist geboten, denn es gab schon mehrfach Nachricht von seinem Tod: Baithullah Mehsud, der pakistanische Talibanchef, soll am Mittwoch bei einer Attacke von einer amerikanischen Drohne getötet worden sein. Bisher war nur der Tod seiner Frau bestätigt worden. Doch nun gibt es mehrere pakistanische Quellen, die seinen Tod für gegeben halten. Beweise gibt es freilich noch keine, denn die Gegend, in der ihn die Bombe traf, wird von den Taliban kontrolliert.

Baithullah Mehsud

Auch wenn es jetzt bereits Warnungen vor einer Rache der Taliban gibt, wäre dies eine gute Nachricht.

Sie würde erstens belegen, dass Pakistan den Kampf gegen die selbst geschaffenen Taliban-Monster ernst zu nehmen beginnt, statt sie nur taktisch als Mittel zur Einflußgewinnung zu sehen. (Islamabad hat die USA gebeten, diesen Schlag zu führen.)

Zweitens wäre damit auch den afghanischen Taliban ein herber Schlag zugefügt – denn die Unterstützung von deren Kampf von pakistanischer Seite aus ist eine Hauptfunktion Mehsuds gewesen.

Drittens würde dieser Schlag – auch wenn es auf den ersten Blick paradox klingt – die neue Politik der Verständigung mit den Teilen der Bewegung, die für Angebote überhaupt erreichbar sind, erleichtern („Gespräche mit den moderaten Taliban“. Denn es wäre damit klar, dass die „ausgestreckte Hand“ an einem starken Arm hängt, der auch zuschlagen kann. Verhandlungen sind ohnehin nur aus einer Position der Stärke denkbar. Und der Westen (inklusive Pakistan und die afghanische Regierung) hätten deutlich an Stärke gewonnen.

Viertens wird der Schlag – wenn sich sein Erfolg bestätigen sollte – Pakistan stabilisieren, weil deutlich geworden ist, dass Massenmord und politische Anschläge (Bhutto) nicht ungestraft bleiben.

Dies alles hängt aber auch daran, dass man sich von der Illusion frei macht, wir könnten „capture or kill our way to victory“. Die Drohnen sind offenbar ein wichtiges und probates Mittel – die Lösung sind sie nicht.
p.s.: Hier eine Einschätzung aus der Tageszeitung „Dawn“ (Karatschi) zur Frage, on Mehsuds Tod im Kampf gegen den Terrorismus hilft.

 

Zitat des Tages

„Your army kills innocent people in Iraq and Afghanistan and Israel takes Palestinian land by force.“

Die Armee, von der hier die Rede ist, ist die australische. Die Parallelisierung mit Israel ist bemerkenswert: Ein Blick in das geschlossene Weltbild des Dschihadisten.

Dies sagte einer der mutmaßlichen Attentäter, die gestern in Australien festgenommen worden waren, dem Haftrichter. Wissam Mahmoud Fattal, der zusammen mit vier anderen Männern geplant haben soll, eine Kaserne der australischen Armee zu überfallen und dabei so viele Soldaten wie möglich zu töten.

BBC berichtet auch, dass die Männer sich um eine Fatwa bemüht haben, um die Aktion religiös zu rechtfertigen. Ob sie dabei Erfolg hatten, wurde nicht mitgeteilt:

„The men’s intention was to actually go into the [Holsworthy] army barracks and to kill as many soldiers as they could before they themselves were killed,“ said Tony Negus, acting chief commissioner of the Australian Federal Police.

The attack would have been the most serious terrorist attack on Australian soil, Mr Negus added.

„Members of the group have been actively seeking a fatwa or religious ruling to justify a terror attack on Australia,“ he said.

 

Al-Kaida: Obama go (stay) home!

Das Celebritiy Deathmatch Obama vs Osama hat begonnen.
Gar nicht erfreut sind die Herren der Kaida über die Absicht Obamas, in Kairo eine Rede an die Muslime zu halten. Nun hat sich die Nummer 2 des Terrornetzwerks, der Ägypter Ayman Al Zawahiri zu Wort gemeldet und Obama einen „Kriminellen“ genannt, der in seinem früheren Heimatland nicht willkommen sei.
Der neue Präsident ist nicht der Mann von Al-Kaidas Gnaden. Man hätte sicher lieber Bush behalten. Der war deutlich besser fürs Geschäft: Denn das Geschäft des globalen Dschihad ist vornehmlich eine raffinierte Kommunikationsstrategie (der auch die Anschläge dienen). Nun macht einem der amerikanische Präsident die Herrschaft über die islamischen Stammtische (Teehäuser) streitig:

The al-Qaeda number two said Mr Obama would not be welcome in Egypt, and referred to US campaigns in Iraq and Afghanistan.

Mr Obama’s „bloody messages have been received and are still being received and they will not be covered by public relations campaigns or theatrical visits or polished words“, he said.

He called Mr Obama „that criminal who came seeking, with deception, to obtain what he failed to achieve on the ground after the mujahideen ruined the project of the Crusader America in Iraq, Afghanistan, and Somalia“.

He also said the Egyptian officials who will welcome the American leader are „slaves“ who have turned Egypt into an „international station of torture in America’s war on Islam“.

Interessantes Faktum am Rande: BBC berichtet, dass auch 10 wichtige Figuren der Muslimbruderschaft bei Obamas Rede anwesend sein werden – ungewöhnlich genug bei der Gegnerschaft des Mubarak-Regimes gegen diese Gruppe.
Ich finde das richtig, gerade im Licht der schäumenden Verwünschungen Al Zawahiris: Einen Keil (zwei, drei, viele Keile) in den Islamismus treiben ist die richtige Strategie.

 

Obama: Guantanamo-Gefangene in US-Gefängnisse verlegen

Erfreulicher Weise tritt der amerikanische Präsident dem populistischen Irrsinn entgegen, mit dem die Aufrechterhaltung von Guantánamo gerechtfertigt werden soll – die Gefangenen könnten auf amerikanischem Boden nicht sicher gehalten werden:

OBAMA: „As we make these decisions, bear in mind the following fact: Nobody has ever escaped from one of our federal ‘SuperMax’ prisons, which hold hundreds of convicted terrorists. As Sen. Lindsey Graham said: ‚The idea that we cannot find a place to securely house 250-plus detainees within the United States is not rational.'“

Ein hilfreiche Synopse seiner gestrigen Rede zur Sicherheitspolitik und der Rede von Dick Cheney, mit dem dieser ihm antwortete, findet sich hier.

 

Islamistischer Anschlag in New York vereitelt

In New York ist ein Terror-Anschlag verhindert worden. Vier Männer wurden verhaftet. Einer der Männer gab als Motiv für den Anschlag an, seine Eltern hätten vor seiner Geburt in Afghanistan gelebt, und weil er den Krieg der USA dort im Land ablehne, habe er beschlossen, „Amerika etwas anzutun“. Die Gruppe besteht nach Angaben der NYT aus Männern verschiedener Herkunft – teils arabisch, teils haitianisch. Alle sind Muslime.

Und da schien es für die Männer offenbar nahezuliegen, sich als Ziel eine Synagoge und ein jüdisches Gemeindezentrum in der Bronx als Ziel auszusuchen.

Der Anschlag wurde durch die Behörden verhindert, denen es gelungen war, die Gruppe zu infiltrieren. Der Sprengstoff wurde (ähnlich wie bei der deutschen „Sauerlandgruppe“) gegen harmloses Material ausgetauscht.

Die Synagoge, die beim Anschlag getroffen werden sollte Foto: Riverdale Temple

Man steht fassungslos vor diesem offenbar zur zweiten Natur gewordenen Antisemitismus. Man will „Amerika etwas antun“ und versucht Juden in der Bronx zu ermorden. Ist das eine Selbstverständlichkeit geworden: Wütender, frustrierter Muslim = Antisemit?

Ich bin gespannt auf die Debatte über diese zum Glück vereitelte Tat in amerikanischen Muslimkreisen. Wird es irgendeine wichtige Figur geben, die diesen Ungeist brandmarkt?

 

Guantánamo: Jeder siebte Entlassene wird wieder militant

Dieser Bericht wird die Debatte über die Schliessung Guantánamos verändern: Jeder siebte Entlassene geht wieder terroristischen oder militanten Aktivitäten nach, berichtet die New York Times mit Berufung auf eine Untersuchung des Pentagons. Ich habe hier bereits im Januar über den Fall Al-Shihri berichtet, der aus dem Lager entlassen wurde und später zu Führer der Al-Kaida im Jemen aufstieg.

Insgesamt 74 Insassen sollen „rückfällig“ geworden sein. In einigen Fällen bedeutet dies aber offenbar nur, dass sie wieder Kontakt zu Militanten gesucht haben, nicht dass sie etwa schon Anschläge geplant oder verübt hätten oder im bewaffneten Kampf gestanden hätten.

An unreleased Pentagon report concludes that about one in seven of the 534 prisoners already transferred abroad from the detention center in Guantánamo Bay, Cuba, has returned to terrorism or militant activity, according to administration officials.

The conclusion could strengthen the arguments of critics who have warned against the transfer or release of any more detainees as part of President Obama’s plan to shut down the prison by January. Past Pentagon reports on Guantánamo recidivism have been met with skepticism from civil liberties groups and criticized for their lack of detail.

The Pentagon promised in January that the latest report would be released soon, but Bryan Whitman, a Pentagon spokesman, said this week that the findings were still “under review.”

Two administration officials who spoke on condition of anonymity said the report was being held up by Defense Department employees fearful of upsetting the White House, at a time when even Congressional Democrats have begun to show misgivings over Mr. Obama’s plan to close Guantánamo.

Kritiker vermuten allerdings, der Report solle die Schliessung des Lagers torpedieren und es nachträglich rechtfertigen:

“It’s part of a campaign to win the hearts and minds of history for Guantánamo,” said Mark P. Denbeaux, a professor at Seton Hall University School of Law who has represented Guantánamo detainees and co-written three studies highly critical of the Pentagon’s previous recidivism reports. “They want to be able to claim there really were bad people there.”

Mr. Denbeaux acknowledged that some of the named detainees had engaged in verifiable terrorist acts since their release, but he said his research showed that their numbers were small.

“We’ve never said there weren’t some people who would return to the fight,” Mr. Denbeaux said. “It seems to be unavoidable. Nothing is perfect.”

Terrorism experts said a 14 percent recidivism rate was far lower than the rate for prisoners in the United States, which, they said, can run as high as 68 percent three years after release. They also said that while Americans might have a lower level of tolerance for recidivism among Guantánamo detainees, there was no evidence that any of those released had engaged in elaborate operations like the Sept. 11 attacks.

In addition to Mr. Shihri and Mr. Rasoul, at least three others among the 29 named have engaged in verifiable terrorist activity or have threatened terrorist acts.

 

Demokraten verweigern Obama Geld für Guantanamo-Schliessung

Die Demokraten im Senat haben der Regierung die Bewilligung von 80 Mio $ verweigert, die für die Abwicklung der Schliessung von Guantanamo vorgesehen waren.

Im Klartext: Obamas eigene Partei blockiert jetzt die Schliessung des Gefangenenlagers, die Obama für sein erstes Amtsjahr versprochen hat – ein symbolisch wichtiger Trennstrich zur Bush-Regierung. Die NYTimes berichtet:

In recent days, Mr. Obama has faced growing demands from both parties, but particularly Republicans, to lay out a more detailed road map for closing the Guantánamo prison and to provide assurances that detainees would not end up on American soil, even in maximum security prisons.

The move by Senate Democrats to strip the $80 million from a war-spending bill and the decision to bar, for now, transfer of detainees to the United States, raised the possibility that Mr. Obama’s order to close the camp by Jan. 22, 2010, might have to be changed or delayed.

Das wirft ein fahles Licht auf die Anfrage der US-Regierung an Deutschland, man möge doch bitte neun uigurische Häftlinge aufnehmen – selbst wenn diese Häftlinge unschuldig sind und ihnen nach Jahren grausamer Verhöre nichts nachgewiesen werden konnte.

Wie kann man mit der Bitte um Entlastung bei diesen Gefangenen an eine befreundete Regierung herantreten, wenn im eigenen Land – und von Führern der Regierungspartei! – gefordert wird, die anderen Gefangenen dürften „nicht auf amerikanischem Boden bleiben, nicht einmal in Hochsicherheitsgefängnissen“?

Da entsteht doch der Eindruck, die Gefangenen sollten wie eine Art juristischer Sondermüll irgendwo in der Welt verklappt werden – um zu Hause die nötigen Debatten über die rechtspoltische Sackgasse zu vermeiden, in die die Bush-Regierung sich manövriert hat.

Der Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, wird folgendermaßen zitiert:

Mr. Reid in his comments, however, was unequivocal in insisting that the terrorism suspects never reach American shores.

“You can’t put them in prison unless you release them,” he said. “We will never allow terrorists to be released in the United States.”

“In looking at the position of the House, that was more logical,” Mr. Reid said. “We have clearly said all along that we wanted a plan. We don’t have a plan. And based on that, this is not the bill to deal with this.”

Es ist richtig zu fordern, dass sich Deutschland an der Verbesserung der Situation von unschuldigen Gefangenen beteiligt. Aber diese Pflicht ist hierzulande politisch schwer plausibel zu machen, wenn Amerika die Gefangenen vom eigenen Festland fernhält, um die gesellschaftlichen und sonstigen Kosten zu minimieren.

Nur wenn die Amerikaner selber das juristische und humanitäre Desaster von Guantanamo aufarbeiten, kann auch die Welt in die Pflicht genommen werden.

 

Talibanherrschaft in Pakistan weitet sich aus

Pakistans norwestliche Grenzregion auf einer Karte der BBC Screenshot: JL

Diese Karte wurde vom BBC-Urdu-Service zusammengestellt. Sie zeigt, wer über welche Gebiete in den nordwestlichen Provinzen Pakistans herrscht.

Die Regierung hat nach den Recherchen der BBC nur noch Kontrolle über 38 Prozent des Territoriums. Rot sind die von den Taliban kontrollierten Bereiche vermerkt, gelb solche mit einer bedeutenden Taliban-Präsenz.

Die Autoren schreiben:

„From the research, a clear pattern of Taleban-related militancy emerged.

When the Taleban identify an area to concentrate on, they start making their presence felt by bombing music shops and girls schools. This is followed by attacks on government buildings and police stations and law enforcement personnel before moving on to major attacks, including suicide bombings.“

Mehr zu den einzelnen Bezirken hier.

 

Die arabische Kritik an Hamas wird lauter

Tariq Alhomayed, der Kommentator der wichtigsten panarabischen Zeitung Asharq Alawsat, ist wieder einmal in großer Form.

Er hat das hier von mir analysierte Interview mit dem Hamas-Führer Khaled Meshal gelesen und mach sich nun mit gehörigem Sarkasmus darüber her. 

Die militanten Islamisten sind wirklich seltsam, schreibt er, denn am Morgen greifen sie ihre eigenen Leute an, weil sie unterwürfige Agenten Amerikas seien (das bezieht sich auf dievon den Radikalen kritisierten „moderaten“ arabischen Regime), um dann am Abend selber direkt mit den Amerikanern reden zu wollen.

Tariq Alhomayed  Foto: Asharq Alawsat

 

Alle Extremisten und Schurken (Syrien, Iran, Hamas, Muslimbrüder) wollen auf einmal mit den Amerikanern reden. Der Grund dafür ist einfach, so Alhomayed: 

The reason for this is very simple; all of the above movements and countries with counterfeit slogans want to become part of the international community. They can no longer tolerate isolation, because the price of this has become too high, but they do not want to say so [openly] otherwise people will tell them; [if that is the case] why have you shed all this blood, and why have you brought all this destruction down upon us?

And so [now] here is Khalid Mishal telling the New York Times that Hamas is eager for a ceasefire with Israel, and ready to complete the deal [for the release] of the kidnapped Israeli soldier, which is the complete opposite of what Hamas and the chorus of [other] Arab blood traders told the public at the time.

At the time they were saying to let Israel kill as many innocent people as possible, as this will force them to stop their attack due to international pressure, which is what happened in the 2006 Lebanon war. After this Hamas declared victory, which is literally what one of the Hamas leaders in New York announced on the same day that the Arabs were trying to push through a UN resolution to stop the war in Gaza.

Ausserdem macht Alhomayed sich auch her über die Behauptung Meshals, man habe den Raketenbeschuß Israels ausgesetzt, um eine Revision der Strategie zu unternehmen. Wenn das so ist, dann stellt sich folgende Frage: 

„Mein Gott! Warum haben sie uns als Verräter und Agenten fremder Mächte bezeichnet, als wir gesagt haben, dass ihre Raketen nur aus Blech bestehen und kaum das Äussere der israelischen Häuser anzukratzen vermögen – trotzdem aber eine israelische Antwort auslösen, die Hunderte das Leben kostet!“

„Warum haben Sie uns Verräter und Agenten geschimpft, als wir sagten dass Hamas kein Recht hat, Unschuldige und Wehrlose zu gefährden, während ihre Führer in ihren Kellern saßen, in Moscheen und Schulen?“

Und schließlich:

It is unfortunate that Khalid Mishal now begins to speak with reason, after nearly 1,400 Gazans were killed, more than 5,000 were wounded, and a cost to the [Palestinian] economy of almost 1.9 billion dollars.