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Französische Autorin knapp islamistischem Attentat entgangen

Ich kann wegen meiner Abwesenheit erst jetzt vermelden, dass eine französische Schauspielerin algerischer Herkunft letzte Woche in Paris offenbar knapp einem Brandattentat entgangen ist.

Rayhana (so ihr sinnfälliger, provokanter Künstlername) wurde am Abend des letzten Dienstag in Paris von zwei Männern bedrängt, die sie mit Benzin übergossen. Sie ergriff die Flucht, als einer der beiden mit einer brennenden Zigarettenkippe versuchten, sie in Brand zu stecken. rayhana

Rayhana Foto: Gala.fr

Die Autorin und Schauspielerin tritt derzeit in ihrem eigenen Stück auf, das im „Maison des Metallos“ aufgeführt wird. Es heißt ironischer Weise „In meinem Alter verstecke ich mich noch, wenn ich rauche“ und handelt von der Unterdrückung der Frau in der algerisch-muslimischen Gesellschaft.

Schon früher war Rayhana von arabischsprachigen Männern bedroht worden.

Unterdessen haben sich prominente Politiker vor die Autorin gestellt: der Bürgermeister von Paris, Bernard Delanoe, die Feministin Fadela Amara.

Ob die französischen Muslimverbände (CFCM, UOIF) sich auch noch aufraffen werden, etwas zu dem barbarischen Attentat zu sagen?

 

Deutsche Muslime verurteilen Attentat auf koptische Christen in Ägypten

Nachdem ich kürzlich hier den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Köhler, kritisiert habe für seine merkwürdig unentschiedenen Äußerungen zum Fall Westergaard – heute ein Lob, und zwar an Bekir Alboga vom Kordinierungsrat der Muslime, der wieder einmal zeigt, wie man’s macht:

Köln, 07.01.10 :  Die im KRM vertretenen Religionsgemeinschaften der Muslime in Deutschland sind bestürzt über den schrecklichen Anschlag nach einer koptischen Weihnachtsmesse in der
Nacht vom 06.01.2010 in der Ägyptischen Stadt Nag Hamadi. Dabei wurden sieben Menschen getötet und weitere Personen verletzt.
Der Sprecher des KRM, Bekir Alboğa hat diesen Angriff aufs Schärfste verurteilt. Er sagte: „Synagogen, Kirchen und Moscheen sind Gotteshäuser. An diesen sakralen Orten kommen Gläubige
zusammen und verrichten ihre Gebete und hoffen auf die Barmherzigkeit Gottes. Übergriffe wegen Andersgläubigkeit finden in keiner Religion eine Berechtigung.“
Alboğa sagte weiter: „Der Islam schreibt uns vor, die Würde aller Menschen zu achten und zu schützen und für die Bewahrung und Gewährung der Religionsfreiheit überall auf der Welt einzutreten.
Besonders betrübt uns, dass dieser Übergriff im Zeitraum der höchsten christlichen Feierlichkeiten stattfand. Übergriffe und Anschläge unter Missbrauch der Religion sind inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen.“
Wir sind mit unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Der koptischen Gemeinde in Ägypten und in Deutschland gebührt unser tiefstes Beileid.“

 

Der Terror der radikalen Loser

Mein Text aus der ZEIT von morgen, Nr. 2, S.3:
Zwei Terrorakte zum Jahreswechsel, die mit knapper Not abgewehrt werden: Der »Unterwäsche-Bomber« von Detroit und der »Axtmann« von Kopenhagen – war das nur eine Koinzidenz? Ein 23jähriger Nigerianer besteigt am ersten Weihnachtstag ein Flugzeug nach Amerika. In seine Wäsche hat er genug Sprengstoff eingenäht, um ein Loch in die Bordwand und Hunderte in den Tod zu reißen. Wenige Tage später, am Neujahrstag, dringt ein 28jähriger Somalier in das Haus des Karikaturisten Kurt Westergaard ein, bewaffnet mit Axt und Messer. Macht das neue Jahrzehnt weiter, wo das alte aufhörte – noch eine Dekade der Angst?
Das war ganz sicher die beabsichtigte Botschaft. Die christliche Festzeit wurde nicht zufällig für die geplanten Morde gewählt. Wir erleben – nach heutigem Kenntnisstand – keine zentral ferngesteuerte nächste Welle des islamistischen Terrors. Doch darin liegt wenig Trost. Denn es gibt durchaus Zusammenhänge zwischen den Taten der beiden jungen Männer, auch wenn sie nicht aus einer afghanischen Höhle koordiniert wurden. Wer die Verästelungen jener Netzwerke verfolgt, in denen sie agieren, erkennt den Wandel des islamistischen Terrorismus.
Die Lage ist paradox: Der Islamismus, vor wenigen Jahren noch als dritte große »totalitäre Herausforderung« nach Kommunismus und Nationalsozialismus beschworen, steht vielerorts am Rande des Scheiterns. Der muslimische Mainstream kann mit der destruktiven Rhetorik der Hetzer in randständigen Moscheen und im Internet nichts anfangen. Deutlich mehr Muslime als so genannte »Ungläubige« werden zu Opfern der Dschihadisten. Seit Jahren sind den Terroristen keine spektakulären Anschläge im Herzen des Westens mehr gelungen. Es sterben aber Schiiten im Irak durch die Hand ihrer sunnitischen Glaubensbrüder, oder pakistanische Dorfbewohner, die sich nicht dem Tugendterror der Taliban fügen wollen – wie letzte Woche erst 90 Menschen in Schah Hasan Khel, die ein Volleyballspiel besucht hatten. Sie wurden von einer Autobombe zerfetzt. Mit jedem solchen Attentat führen die Dschihadis ihre eigene Argumentation ad absurdum, sie kämpften gegen die Unterdrückung der Muslime durch den Westen und seine Marionetten. Wer soll glauben, der Massenmord an Glaubensbrüdern bringe das Fernziel der islamischen Fundamentalisten näher – die Wiederkehr des Kalifats?
Doch eben diese prekäre Lage kann bedeuten, dass wir nun in eine besonders gefährliche Phase eintreten… Weiter„Der Terror der radikalen Loser“

 

Unterhosen-Bomber? Eine sexualpolitische Spekulation

Habe ich in meinem Leben einfach zuviel Theweleit gelesen, oder ist da etwas sehr Sprechendes an der Weise, wie der Detroiter Möchtegern-Bomber sich und die Mitfliegenden ums Leben bringen wollte?

Sprengstoff in der Unterhose!

Und das, um die Unterlegenheit des Islams vis à vis dem bösem Westen zu rächen? Ein junger Mann, von dessen Sexualnöten im sündigen London wir nun bereits erfahren durften?

Sich den Schwanz wegsprengen zur höheren Ehre Gottes!

Wollte uns der junge Abdulmutallab sagen: Mein mächtiger Schwanz fliegt euch Ungläubigen um die Ohren?

Welch eine Männerphantasie! (Passen würd’s schon: Sind die Dschihadi-Gruppen nicht die Freikorps unserer Tage?) Immer muss die Frau beherrscht und kontrolliert werden, immer wird der Westen mit der lasterhaften Frau gleichgesetzt. Beziehungsweise im islamistischen Kontext: mit der Enthüllung und Unterjochung der islamischen Frau, die rein und frei nur unter dem Schleier sein könne.

Man denke auch an Mohammed Attas Testament, in dem er verfügt hatte, dass sein Leichnam nicht von Frauen berührt werden dürfe.

Jedenfalls: Der Unterhosen-Bomber – das ist eine weitere Verlierer-Figur in dem Panoptikum des gewälttätigen  Islamismus. Eine Figur radikal gescheiterter Männlichkeit.

 

Islamische Konferenz veurteilt Anschlag auf Mohammed-Karikaturisten

Offenbar hört man in Dschidda endlich auch die Signale:

A spokesman of the General Secretariat of the Organization of the Islamic Conference (OIC) in Jeddah expressed concern on the reported attempt on the life of the Danish cartoonist, who (had) drawn the offensive and derogatory cartoons of Prophet Mohammed (PBUH) in 2005.

The OIC spokesperson stated that if the alleged attempt on the life of the Danish cartoonist is proven to have been committed as a reaction to the infamous cartoons of 2005, then it should be rejected as it runs totally against the teachings and values of Islam.

Die OIC, ein Zusammenschluß von 57 islamisch dominierten Staaten, hat sich bisher mit solchen Verurteilungen immer zurückgehalten. Weiter so.

 

Hassprediger lobt Religionsfreiheit

Na bitte. Erstaunlicher Wandel eines Hasspredigers aus Hamburg, den der SPIEGEL dokumentiert:

Mohammed al-Fasasi hat offenbar der Gewalt abgeschworen. Der marokkanische Prediger, der in seiner Heimat wegen der Anschläge in Casablanca 2003 zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, wendet sich in einem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, an alle Muslime in Deutschland und bekennt darin, er habe sich „vergaloppiert“ und sei „über das Ziel hinausgeschossen“.

1999 und 2000 hatte er als Imam in der Hamburger Kuds-Moschee (heute Taiba-Moschee) noch dazu aufgerufen, „die Herrschaft der Ungläubigen zu beseitigen, ihre Kinder zu töten, ihre Frauen zu erbeuten und ihre Häuser zu zerstören“. Er gehörte zu den Bekannten von drei Todespiloten des 11. September 2001.

Nun schreibt Fasasi: „Deutschland ist kein Kampfgebiet“. Jeder Einwanderer habe einen Vertrag mit dem deutschen Staat, den es einzuhalten gelte. In Deutschland herrsche „tatsächliche Religionsfreiheit, wie es sie in vielen islamischen Ländern nicht gibt“. Dass allein „in Hamburg 46 Gebetsräume“ existierten, sei ein Beweis für die Toleranz des deutschen Staates gegenüber den Muslimen, „weil es in keinem islamischen Land eine vergleichbar große Zahl von Kirchen in einer Stadt gibt“.

Im Hinblick auf das deutsche Engagement in Afghanistan mahnt Fasasi, die Ablehnung der deutschen Politik dürfe nur mit friedlichen Demonstrationen betrieben werden, „die Stärke des Arguments liegt nicht in der Gewehrkugel“.

Er fordert die Muslime auch dazu auf, nicht von staatlichen Zuwendungen zu leben. „Es ist besser, dass der Muslim von seiner Hände Arbeit und seiner Stirne Schweiß isst, denn dieser Bissen ist schmackhaft und süß“, schreibt der Prediger.

 

Von 9/11 zu 11/9

Interessante Einsichten von Tom Friedman in Berlin – angesichts des Dunkin‘ Donuts am Brandenburger Tor. (Prousts Madeleine für unsere Zeit.)

The most important difference between 11/9 and 9/11 is “people power.” Germans showed the world how good ideas about expanding human freedom — amplified by people power — can bring down a wall and an entire autocratic power structure, without a shot. There is now a Dunkin’ Donuts on Paris Square adjacent to the Brandenburg Gate, where all that people power was concentrated. Normally, I am horrified by American fast-food brands near iconic sites, but in the case of this once open sore between East and West, I find it something of a balm. The war over Europe is indeed over. People power won. We can stand down — pass the donuts.

The events of 9/11, by contrast, demonstrated how bad ideas — amplified by a willingness of just a few people to commit suicide — can bring down skyscrapers and tie a great country in knots.

I toured Paris Square the other day with Ulrike Graalfs, a program director at the American Academy in Berlin, where I am a visitor, and she mentioned in passing that she was in America on 9/11, as a student at the University of Pennsylvania, and she was a 9-year-old schoolgirl standing on the Berlin Wall on 11/9. I was struck by her recollections. On 9/11, she said, she was overwhelmed by the sense of “anger and hurt” that so many of the Penn students around her felt — feelings so intense it made it impossible for them to see, what she, a foreign student could see, “how much the rest of the world was standing with America that day.” By contrast, on 11/9, “there were people singing and dancing and someone lifted me up on the wall,” she said. “I still get emotional thinking about it. I saw my father jump down on the other side. I was terrified. It was very high. I thought it was going to be the end of my father. He started debating with an East German soldier. But the soldier didn’t do anything. He just stood there, stiff.” People power won, and Germany has been united and stable ever since.

The problem we have in dealing with the Arab-Muslim world today is the general absence or weakness of people power there. There is a low-grade civil war going on inside the Arab-Muslim world today, only in too many cases it is “the South versus the South” — bad ideas versus bad ideas, amplified by violence, rather than bad ideas versus good ideas amplified by people power.

In places like Egypt, Syria, Saudi Arabia, Afghanistan or Pakistan you have violent religious extremist movements fighting with state security services. And while the regimes in these countries are committed to crushing their extremists, they rarely take on their extremist ideas by offering progressive alternatives. That’s largely because the puritanical Islamic ideology of the Saudi state or segments of the Pakistani military is not all that different from the ideology of the extremists. And when these extremists aim elsewhere — like at India or at Shiites or at Israelis — these regimes are indifferent. That is why there is no true war of ideas inside these countries — just a war.

 

Fundamentalisten verstehen

Der ägyptische Blogger Sandmonkey macht einen neuen Versuch:

Fundamentalism reaches past all that nonsense and chaos and into a primordial world where men were men and women weren’t, where no decisions ever had to be made, where every single option was laid out ahead of time by a firm but loving God, where families meant a certain thing and sex meant a certain thing, and everything was easy except temptation. But that’s obviously a crock. You can’t honestly tell me there was ever a time when human beings were less complex, less passionate or afraid or unpredictable, less wonderful than they are now.

For me, all this was a revelation on the level of learning, as a kid, that Allah and JHVH and the christian God were the same thing: that all Big Three monotheisms worship the God of Abraham and don’t even bother hiding that fact. The idea that “fundamentalism” was a logically tortured appeal to a beautiful pure world that never existed, and that Al Qaeda and Juniper Creek are essentially parallel movements with the same agenda and arising from the same confusion and fear… Revelatory.

Things are confusing, lots of stuff coming at your face all the time. Sex keeps getting less and less kind, and we keep blaming more and more shit on our parents and our kids, and technology is overwhelming and even the hippest among us can sometimes feel like the world is changing so fast and flying by so carelessly without giving us more than a glimpse of itself, much less a place to grab hold. I can’t say they don’t have a point. But then, terrorists usually do. If they didn’t have something to say (even if it’s usually a crock of bullshit), they wouldn’t feel silenced, and they wouldn’t pull the shit they pull. They wouldn’t feel the need to scream so loudly that the whole world must listen.

Al Qaeda und Juniper Creek (evangelikaler Fundamentalismus)  entstammen allerdings nicht „der gleichen Verwirrung und Angst“ im Angesicht der Moderne. Von einer „gleichen Agenda“ mal ganz zu schweigen. Das mag ein tröstlicher Gedanke sein für einen Ägypter, der sich mit Schrecken dem Fundamentalismus im eigenen Land gegenüber sieht (Al-Zawahiri ist ein ägyptischer Arzt). Aber letztlich bringen solche überzogenen Parallelisierungen nichts.

Den ersten und den dritten Absatz finde ich allerdings treffend.