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Attentat auf Faschismusforscher in Israel

In Israel ist ein Attentat auf einen der berühmtesten Faschismusforscher der Gegenwart verübt worden – Professor Zeev Sternhell von der Hebräischen Universität Jerusalem. Eine Rohrbombe erwartete ihn vor seinem Haus. Sternhell überlebte leicht verletzt. In der Umgebung seines Hauses wurden Flugblätter gefunden, auf denen gegen Friedensaktivisten von Peace Nowgehetzt wird. Es wird darum davon ausgegangen, daß das Attentat dem rechten Rand der Siedlerbewegung zuzuschreiben ist.

Sternhell ist als Kritiker der Siedlerbewegung und der Besatzung des Westjordanlands bekannt. Erst in diesem Jahr wurde er mit dem renommierten Israel-Preis ausgezeichnet. In folgendem Text begründet er seinen säkularen Zionismus. Es ist ein bewegndes Zeugnis. Wenn Menschen wie Sternhell – Überlebende, die sich für Israel und für das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat einsetzen – zu Feinden werden, dann steht Israel am Rande einer großen inneren Krise. Darum haben auch viele namhafte Politiker den Anschlag verurteilt.

Ich entnehme die deutsche Übersetzung von Sternhells Interview dem Newsletter der israelischen Botschaft vom 11. März 2008. Ich möchte Sie besonders den hier gelegentlich herein schauenden Muslimen ans Herz legen, die Israel gerne kritisieren. (Man halte sich vor Augen: Die Botschaft Israels verbreitet einen solchen Text! Welch ein großartiges Land.)

„Der israelische Ideenhistoriker Zeev Sternhell erhält dieses Jahr als weltweit renommierter Faschismusforscher und einer der führenden Intellektuellen seines Landes den Israel-Preis für politische Wissenschaften. In einem Interview mit Ari Shavit hat er sich nun ausführlich zu seinem Verhältnis zu Israel und dem Zionismus geäußert.


(Foto: Daniel Bar On, © Hebrew University of Jerusalem)

Für Sternhell, der 1935 in Galizien geboren wurde, den Holocaust im besetzten Polen überlebte und 1951 von Frankreich aus nach Israel einwanderte, stellt Israel vor dem Hintergrund der Erfahrungen seiner Jugend nicht primär eine politische Angelegenheit, sondern eine „Rückkehr zur Menschlichkeit“ dar: „Eine Rückkehr zum Leben als Menschen. Denn dort, im Ghetto, hat man die menschliche Grundlage in sich verloren. Die menschliche Identität. Man hörte überhaupt auf, menschlich zu sein. Man war kein Mensch.“

„Als Jugendlicher in Avignon habe ich drei Zeitungen am Tag gelesen und durch die die Entwicklungen in Palästina verfolgt. Dann kam die Erklärung zur Gründung des Staates, im Mai 1948. Ihre Generation kann nicht die Aufregung verstehen, die uns erfasste. Es war nur vier Jahre, nachdem die Rote Armee uns befreit hatte, sechs Jahre, nachdem die Nazis das Ghetto ausgelöscht hatten. Und der Übergang von diesem Schrecken, dieser Hilflosigkeit, zu einem jüdischen Staat, der einen Krieg gewinnt.

Als 13jähriger Junge fürchtete ich sehr, dass die Araber die Juden abschlachten würden. Es sah aus, als gäbe es nur 60 000 Juden und um sie herum Millionen von Arabern. Und dann die Tatsache, dass die Armee der Juden kämpfte und siegte und der Staat entstand – das war für mich etwas jenseits aller Vorstellungen. Die reine Tatsache, dass diese Juden, die in die Ghettos gingen, die man durch die Straßen jagte, die man tötete und schlachtete, nun aufstehen und sich einen Staat errichten. Ich betrachtete dies wirklich als ein Wunder. Dies war ein historisches Ereignis von beinahe metaphysischer Dimension. Und plötzlich gibt es Juden, die Minister sind, Juden, die Offiziere sind, und einen Pass, Uniformen, eine Flagge. Und jetzt haben die Juden, was die Goyim haben. Sie sind nicht mehr von den Goyim abhängig. Sie können auf sich selbst aufpassen. Die Gründung des Staates war für mich wie die Schöpfung der Welt. In meinem ganzen Leben gab es keinen aufregenderen Moment. Er versetzte mich in eine Art Rauschzustand.“

„Ich bin nicht nur Zionist, ich bin Super-Zionist. Für mich war und bleibt der Zionismus  das Recht der Juden, selbst über ihr Schicksal und ihre Zukunft zu bestimmen. Das Recht von Menschen, Herren ihrer selbst zu sein, ist in meinen Augen ein Naturrecht. Ein Recht, das die Geschichte den Juden verweigert hatte und vom Zionismus zurückgeholt wurde. Das ist seine tiefere Bedeutung. Damit stellt er eine mächtige Revolution dar, die das Leben von jedem einzelnen von uns berührt. Ich habe diese Revolution gefühlt, als ich im Gymnasiastenalter allein nach Israel einwanderte. Erst da, als ich im Hafen von Haifa das Schiff „Artza“ verließ, hörte ich auf, das Objekt des Handelns anderer zu sein und wurde zu einem Subjekt. Erst dann wurde ich zu einem Menschen, der über sich selbst bestimmt und nicht von anderen abhängig ist.“

„Ich bin ein alter zionistischer Linker, sowohl im nationalen als auch im sozialen Sinne. Wenn man so will, bin ich ein National-Israeli. Es wird zweifellos Freunde von mir auf der Welt geben, die dies nicht positiv betrachten, aber ich habe noch nie darum gebeten, positiv betrachtet zu werden. Wer den Zweiten Weltkrieg überstanden und die Gründung des Staates erlebt hat und allein mit noch nicht einmal 16 Jahren eingewandert ist, ist allein daher hierher gekommen, um in einem jüdischen Nationalstaat zu leben.

Es liegen hier zwei Dimensionen vor. In der einen Dimension glaube ich nicht, dass man hier die Existenz sichern kann ohne Nationalstaat. Ich mache mir nichts vor. Ich glaube, wenn die Araber uns vernichten könnten, würden sie dies mit Freude tun. Wenn die Palästinenser und die Ägypter, und all jene, die mit uns Abkommen unterzeichnet haben, etwas tun könnten, damit wir nicht hier wären, wären sie glücklich. Daher droht uns noch immer eine existentielle Gefahr. Und Stärke ist noch immer die Versicherungspolice für unsere Fortexistenz. Und obwohl ich gegen die Besatzung bin, und obwohl ich will, dass die Palästinenser die gleichen Rechte haben wie ich, glaube ich, dass ich den nationalstaatlichen Rahmen brauche, um mich selbst zu verteidigen.

Aber es gibt auch die andere Dimension. Ich habe keine Religion. Ich habe nicht die Sicherheit und nicht die Stütze der Religion. Daher bin ich ohne den nationalstaatlichen Rahmen ein entwurzelter Mensch. Ein unvollständiger Mensch.  Es ist ein Paradox. Heute sprechen die Religiösen im Namen des Nationalismus, den ich nicht akzeptiere, da er den anderen, den palästinensischen Nationalismus nicht achtet. Aber die Wahrheit ist, dass wir, die Säkularen, des nationalstaatlichen Rahmens sehr viel mehr bedürfen als die Religiösen. Wenn man mir Israel nimmt, bleibe ich mit nichts, gar nichts zurück. Ich bin nackt und bloß. Daher ist Israel so wichtig für mich. Und ich kann es nicht wie eine vollendete, gewöhnliche und normale Tatsache behandeln. Ich behandle es wie etwas, das man die ganze Zeit schützen muss. Etwas, bei dem man darauf achten muss, dass es einem nicht zwischen den Fingern zerrinnt. Denn Dinge zerrinnen leicht, das haben wir schon gelernt. Und manchmal schnell, von einem Tag auf den anderen.“

„Ich bin nicht nach Israel gekommen, um in einem binationalen Staat zu leben. Hätte ich als Minderheit leben wollen, hätte ich andere Orte wählen können, an denen das Leben als Minderheit sowohl angenehmer als auch sicherer ist. Aber ich bin auch nicht nach Israel gekommen, um ein Kolonialherr zu sein. In meinen Augen ist ein Nationalismus, der nicht universal ist, der nicht die nationalen Rechte anderer achtet, ein gefährlicher Nationalismus. Daher glaube ich, dass die Zeit drängt. Wir haben keine Zeit. Und was mich besorgt macht, ist, dass das gute Leben hier, das Geld und die Börse und die Wohnungen in der Preislage Manhattans die Leute in einer schrecklichen Illusion leben lassen. Aber es kann nicht noch hundert Jahre so weiter gehen. Ich bin nicht sicher, dass es noch zehn Jahre so weiter gehen kann.

Meine Generation, die erste Generation der Staatsgründung, für die die Existenz des Staates ein Wunder ist, verlässt nach und nach die Bühne. Und für uns ist es eine Tragödie, dies zu sehen. Für mich ist das wirklich das Ende der Welt. Denn  der Mensch will die Zukunft seiner Kinder und seiner Enkel gesichert wissen. Als Bürger will ich die Zukunft der Gesellschaft gesichert wissen, in der ich lebe. Und als Mensch strebe ich danach, etwas zu hinterlassen, Fingerabdrücke. Und ich will wissen, dass, wenn ich den Löffel abgebe, meine Töchter und Enkelinnen hier weiter ein normales Leben führen werden. Ein normales Leben, das ist, was wir wollten. Aber heute erscheint dieses normale Leben nicht gesichert. Die Zukunft meiner Töchter und Enkelinnen erscheint mir nicht gesichert. Und das verfolgt mich wirklich. Es verfolgt mich, dass das, was heute ist, morgen auseinander fallen kann.“

Zeev Sternhell ist em. Professor für politische Wissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem.

 

Sarah Palin im Badeanzug

Und hier ist die Kandidatin beim Schönheitswettbewerb „Miss Alaska“ von 1984 zu bewundern.
Sie wurde Zweite, damals hieß sie noch Sarah Heath. (Wahrscheinlich wird das Video bald gelöscht werden.)

 

Sarah Palin und die Hexerei

Einen komischen Pastor zu haben, scheint eine der Bedingungen zu sein, damit man als Kandidat fürs Weisse Haus aufgestellt werden kann. In diesem Video kann man sehen, wie Pastor Muthee, ein kenianischer Pfingstler, mit Sarah Palin in ihrer Kirche in Wasilla, Alaska, betet. Sie wird hier gegen „any kind of witchcraft“ spirituell geimpft. Hier ein Text aus der Washington Post zum Thema. Eine sehr merkwürdige Form von Christianismus:

 

Muslime in Deutschland: hoch religiös und tolerant

Ja, liebe Mitblogger, Sie lesen richtig. Dies ist jedenfalls das Ergebnis einer ersten umfassenden Meinungsumfrage, die seit heute vorliegt.

Die Bertelsmann Stiftung hat endlich getan, was hier schon seit langen gefordert wird: Die Einstellungen der in Deutschland lebenden Muslime einmal repräsentativ zu erfragen. Vielleicht kommen wir so aus dem rein Anekdotischen und aus den wechselseitigen Projektionen heraus.

Im folgenden einige der interessantesten Ergebnisse:

„Danach sind 90% der in Deutschland lebenden Muslime religiös, davon 41% sogar hochreligiös. 5% sind nichtreligiös. Im Vergleich dazu sind in der  gesamtdeutschen Bevölkerung 70% religiös (18% davon hochreligiös) und 28% nichtreligiös.“

Dies ist bekanntlich  seit langem meine Rede: Mit den Muslimen liegt die Religion als öffentliches Thema wieder auf dem Tisch, und das blosse Faktum hoher Religiösität einer signifikanten Gruppe ist für unsere Gesellschaft ein gewisser Stein des Anstoßes.

„Dabei zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Angehörigen der verschiedenen muslimischen Glaubensrichtungen und bezüglich ihrer nationalen Herkunft bzw. dem ethnisch-kulturellen Hintergrund. So ist Religiosität unter den hier lebenden Sunniten besonders ausgeprägt. Von ihnen werden 92% als religiös und 47% sogar als hochreligiös eingestuft. Unter den Schiiten sind 90% religiös (29% hochreligiös) während unter den Aleviten 77% Religiöse (12% Hochreligiöse) identifiziert wurden. Zum Vergleich lässt sich für die christlichen Konfessionen in Deutschland festhalten, dass 84% der Katholiken und 79% der Protestanten (mit einem Anteil von 27% bzw. 14% Hochreligiösen) religiös sind. Bei der Unterteilung nach Sprachgruppen zeigt sich die höchste religiöse Prägung bei Türkisch- und Arabischsprachigen mit jeweils 91%. Unter den Angehörigen der Bosnischstämmigen liegt sie mit 85% und bei der persischen Sprachgruppe mit 84% etwas niedriger. Der höchste Anteil an Hochreligiösen findet sich mit 44% unter den türkischstämmigen Muslimen.“

Sehr gut, dass diese Unterschiede hier einmal benannt werden. Den deutschen Muslim gibt es nicht.

„Ein uneinheitliches Bild zeigt sich bei der Unterteilung nach Alter und Geschlecht. Mit zunehmendem Alter verringert sich die Intensität des Glaubens. Da es sich bei der Studie um eine Momentaufnahme handelt, lassen sich daraus allerdings keine Trends ableiten; ein Vergleich beispielsweise der Altersgruppen beschreibt damit nur die aktuelle religiöse Prägung der repräsentativ befragten Personen. Bei den unter 30-Jährigen glauben 80% stark an einen Gott oder an ein Leben nach dem Tod, bei den über 60-Jährigen sind es 66%. Muslimische Frauen beschäftigen sich intensiver mit ihrer Religion als Männer (54% zu 38%). Zudem nimmt das persönliche Gebet für Frauen mit 79% einen höheren Stellenwert ein als für Männer (59%). Die öffentliche Praxis hingegen ist der Bereich der Männer; für 51% der muslimischen Männer ist die Teilnahme am Gemeinschaftsgebet sehr wichtig, allerdings nur für 21% der Muslimas.“

Das ist ein deutlicher Unterschied etwa zur katholischen Kirchgangspraxis. In der Kirche, zumal am Wochentag, sind die Frauen vorherrschend. Bei den Evangelischen ist das ganz ähnlich. Die evangelischen Kirchen haben deutlich mehr engagierte Frauen.

„34% der Muslime nehmen mindestens einmal im Monat am Gemeinschafts- bzw. Freitagsgebet teil. Im Vergleich dazu besuchen in der christlichen Bevölkerung Deutschlands 33% der Katholiken und 18% der Protestanten mindestens einmal im Monat einen Gottesdienst. Das persönliche Gebet praktizieren 60% der Muslime täglich; dem fünfmaligen Pflichtgebet in vollem Umfang kommen 28% nach. Im Vergleich dazu beten 36% der Katholiken und 21% der Protestanten in Deutschland mindestens einmal am Tag.“

Mit anderen Worten: Es gibt eine höhere persönliche Frömmigkeit im Vergleich zu den Christen, aber keine wesentlich stärkere Anbindung an die Moschee. Ich halte das für eine gute Nachricht.

„Mit Blick auf  die Konsequenzen der Religiosität fällt die unterschiedliche Akzentsetzung bei der Beachtung religiöser Vorschriften auf. Das Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch wird von 86% nach eigenen Angaben eingehalten. 58% geben an, niemals Alkohol zu trinken. Während auch das Fasten im Ramadan, die Pilgerfahrt, die Pflichtabgabe, die Speisevorschriften oder die rituellen Reinheitsgebote von zwei Dritteln aller Muslime als ziemlich oder sehr wichtig angesehen werden, gilt dies für Bekleidungsvorschriften nur bei 36%. Das Kopftuchtragen lehnt eine Mehrheit von 53% ab, bei einer Zustimmung von 33%.“

Und dies hier finde ich geradezu einen Hammer: Eine Mehrheit hierzulande unter den Muslimen lehnt das Kopftuchtragen ab! Von Nikab, Tschador etc ganz zu schweigen. Ein Drittel stimmt zu. Natürlich hat das mit dem hohen Anteil von Türken hierzulande zu tun, mit den Atatürk-Muslimen, für die wir dankbar sein sollten. Diese Fakten sollten zu einer deutlichen Entdramatisierung unserer kulturkämpferischen Debatten ums Kopftuch beitragen. Bemerkenswert auch die Zahl zum Alkohol: 58 % behaupten, sie trinken keinen Alkohol. Und dabei ist das doch Meinung der Muftis und nach Meinung der Islamkritiker-Ayatollahs eine unverhandelbare und unwandelbareVorschrift. Denkste. Der deutsche Muslim macht, wie er es für richtig hält. Die Sache mit dem Schweinefleisch ist offenbar einfacher durchzuhalten als das Nichttrinken.

„Dabei ist die Zustimmung zum Kopftuch bei den Frauen höher als bei den Männern (38% zu 28%) und bei den 18- bis 29-Jährigen höher als bei den über 60-Jährigen (34% zu 27%).“

Wie deuten wir das? Ist das Gehrinwäsche oder Gruppenzwang? Nein, das Kopftuch ist zu einem Symbol der Identität geworden, aus vielerlei Gründen. Die Ideologen des Neomuslimseins unter den Muslimen haben daran mitgearbeitet. Und unsere aggressive Debatte und die schlechte Absorptionsfähigkeit unserer Gesellschaft war dabei leider eine große Hilfe.

„Der persönliche Glaube hat für viele Muslime auch unmittelbare Auswirkungen auf die Einstellung zu bestimmten Lebensbereichen. Für die Mehrheit insbesondere auf die Kindererziehung, den Umgang mit der Natur, mit Krankheit, Lebenskrisen oder wichtigen Lebensereignissen in der Familie. Nur für eine Minderheit spielt die Religion dagegen eine wichtige Rolle bei der Wahl des Ehepartners, für die Partnerschaft, Sexualität, Arbeit und Freizeit. Vor allem für die politische Einstellung ist die Religiosität wenig maßgeblich. Hier sagen nur 16%, der Glaube habe für sie bedeutenden Einfluss. 65% lehnen beispielsweise eine eigene islamische Partei ab.“

Noch ein beruhigender Befund. Es gibt eine Art innerliche Trennung von Moschee und Staat. Und ein Großteil der Muslime hier ist auf dem Weg in eine innerliche Frömmigkeit. Von liberal-protestantischer Seite gesprochen: Willkommen im Club.

„Insgesamt, so die Erkenntnis der Studie der Bertelsmann Stiftung, ist die hohe Religiosität der Muslime in Deutschland gepaart mit einer sehr pluralistischen und toleranten Einstellung: 67% der Muslime bejahen für sich, dass jede Religion einen wahren Kern hat, unter den Hochreligiösen mit 71% sogar etwas mehr. 86% finden, man sollte offen gegenüber allen Religionen sein. Nur 6% finden dies nicht. Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund oder Glaubensrichtung sind auch bei diesem Inhalt nicht relevant. 24% aller Muslime sind der Ansicht, dass in religiösen Fragen ihre eigene Religion vor allem Recht hat und andere Religionen eher Unrecht haben, 52% stimmen dieser Aussage nicht zu. Nur eine Minderheit von 31% der in Deutschland lebenden Muslime glaubt, dass vor allem Muslime zum Heil gelangen.“

Das ist eine große Minderheit. Aber 86 %, die für Offenheit sind – das ist eine Bestätigung für meine hier schon oft zum Besten gegebene Meinung, dass Menschen, die hoch religiös sind, sehr oft auch anderer Menschen Glauben respektieren können. Und dies gilt offenbar für Muslime im Westen genauso wie für Christen oder Juden.

 

Zukunftsneid. Warum glaubt niemand mehr an den Fortschritt?

 Mein Beitrag aus dem aktuellen Heft des Merkur:

Wenn ich die Selbstauskunft der britischen Zeitschrift The Economist lese, packt mich jedes Mal der Neid: »Diese Zeitung«, steht da, wird seit dem Jahr 1843 veröffentlicht, »um teilzunehmen an dem harten Wettstreit zwischen der Intelligenz, die vorwärts drängt, und einer unwerten, ängstlichen Ignoranz, die unseren Fortschritt verhindert«. Das altliberale Bekenntnis des Economist mit seiner in 165 Jahren ungebrochen kämpferischen Fortschrittsidee, die sich in großer Selbstverständlichkeit gegen »ängstliche Ignoranz« stellt, macht mich eifersüchtig.

Warum es solche progressiv-liberale Selbstgewissheit hierzulande – jedenfalls als bedeutsame politische Strömung – nie gegeben hat und vielleicht auch niemals geben kann, muss an dieser Stelle nicht erklärt werden. Nur so viel: Im selben Jahr 1843, in dem der schottische Hutmacher und spätere Parlamentsabgeordnete James Wilson den Economist gründete, um Freihandel und gesellschaftlichen Liberalismus zu propagieren, reiste Heinrich Heine durchs winterliche Deutschland, dessen Rückständigkeit er im darauffolgenden Jahr sein sarkastisches Denkmal setzte. Der erste Economist und Deutschland. Ein Wintermärchen sind Gründungsdokumente zweier Gestalten des Liberalismus: offener Kampf für den Fortschritt dort, elegisch-bittere Klage über seine Verhinderung hier.

Wer in den ängstlichen und am Ende zunehmend verbitterten siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgewachsen ist, für den wird das Wort »Fortschritt« wohl für immer einen verbotenen und leicht frivolen Klang behalten. Merkwürdig ist das allerdings: Denn man legte damals ja eigentlich großen Wert darauf, als »progressiv« zu gelten. Doch zu den »Progressiven« zu gehören bedeutete, auf den Fortschritt in Wissenschaft und Technik herabzuschauen und sich über den »Fortschrittsglauben« der Zeit zu mokieren.

Das war nicht immer so gewesen. Weiter„Zukunftsneid. Warum glaubt niemand mehr an den Fortschritt?“

 

Muslime und Evangelikale als Herausforderung der säkularen Gesellschaft

Gestern habe ich folgenden Vortrag beim Goethe-Institut in New York gehalten (Marcia Pally, deren Buch zum Thema sehr zu empfehlen ist, sprach über die Evangelikalen in Amerika):

Ladies and Gentlemen,
a friend of mine who reports on Islam in Europe for the New York Times Magazine has a book coming out. Its title is: Reflections on the Revolution in Europe. Immigration, Islam and the West.  Christopher Caldwell borrowed the title obviously from Edmund Burke’s 1790 book Reflections on the Revolution in France. Is he overstating his case by using the term revolution?
Hardly. There are major changes going on – in terms of demographics, culture and domestic as well as foreign policies of the European countries – and many of them relate to immigration.
And the most contentious thing about this situation is this: Religion is back to haunt the European public as a political challenge. Some of our most lively debates during the last years were about headscarfs in public schools and courtrooms, cartoons making fun of religious sensitivities, mosque-building-projects and so on. It would be an understatement to say that the Europeans have been taken by surprise. There is widespread anger, shock and resentment about the fact that the issue of religion in the public sphere is on the table once again. Had we not settled these problems once and for all?

Religious belief was a private matter, we thought. Less and less people cared about religion anyhow, attended sunday service or listened to what the pope had to say. But with the Muslims there is a new and incresingly vocal group of pious people that wants to be taken serious, wants to find a place in the framework of church-state-relations – or maybe even challenge that very framework.

There is an analogy between evangelicals in the US and muslims in Europe: Both groups stand for the unresolved in the relation between religion and secular society. Both groups remind the majorities in the US and in Europe that our societies are not as secular as we tend to think they are.
Europeans tend to put their light under a bushel, when asked about their religious affiliation. We tend to play our religion down. A good european is either non-religious or he does not make a public stance of it. In America, there is completely different attitude: Weiter„Muslime und Evangelikale als Herausforderung der säkularen Gesellschaft“

 

Ein Klassiker

Liebe Blog-Gemeinde,

bevor ich mich hier aus meiner bescheidenen Denkerklause mit wegweisenden Betrachtungen zu aktuellen Wendungen im amerikanischen Wahlkampf melde,  ein nützlicher Hinweis auf einen vergessenen Klassiker der Islam-Debatte in Deutschland. Siegfried Kohlhammer, dessen fabelhaftes Buch „Die Freunde und die Feinde des Islams“ in jeden Schrank gehört (schon 1996 erschienen!), hat vor ein paar Jahren  im Merkur Edward Saids Ruhm angekratzt.

Nun stellt der Merkur aus aktuellem Anlass den Essay Kohlhammers wieder zur Verfügung. Also: Klicken und speichern.

Gruß aus Neuengland!

 

ProReli – Berliner Bürger streiten für Religionsunterricht

 Aus der ZEIT von morgen, Donnerstag, 28.8.2008:

Dies also ist der Mann, in dem Berlins rot-rote Regierung einen Agenten des gesellschaftlichen Rückschritts ausgemacht hat. Christoph Lehmann, ein schlanker 46-jähriger Anwalt mit gewinnendem Lächeln und einem Büro in bester Lage am Kurfürstendamm, bereitet dem Senat mit einer Bürgerinitiative schlaflose Nächte. Der bekennende Katholik und CDU-Mann hat nämlich Pro Reli gegründet, eine Lobbygruppe für den Religionsunterricht. Katholisch, CDU, Anwalt, Westberliner – alles klar: Gern möchte man Lehmann und seine kleine Truppe als verstockte Westler abtun, die nicht zum bunten, weltoffenen und multikonfessionellen Berlin passen. Aber Lehmann macht es seinen Gegnern schwer. »Natürlich setzen wir uns auch für die Muslime ein«, sagt er. Sie sollen endlich einen regulären Religionsunterricht haben, ganz wie Katholiken, Evangelische und Juden.« Im Übrigen möchte er seine Sache nicht von der eigenen Partei instrumentalisiert sehen. Es wäre ihm nicht recht, sagt Lehmann, wenn Pro Reli vom Berliner CDU-Chef Pflüger für dessen nächste Kampagne vereinnahmt würde.
Wie bitte? So spricht ein Mann, der angeblich Berlin in die Ära der Kirchenkämpfe zurückzuwerfen versucht und der religiösen Segregation das Feld bereitet? Das zumindest behaupten die herrschenden Parteien – Wowereits SPD und die mitregierende Linke.

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Christoph Lehmann

Sie werden nicht ohne Grund nervös. Denn Christoph Lehmann hat Chancen, die Regierung der Hauptstadt nachhaltig in Verlegenheit zu bringen. Weiter„ProReli – Berliner Bürger streiten für Religionsunterricht“

 

In eigener Sache

Werte Mitblogger und Leser!

Ab der kommenden Woche werde ich für vier Monate in Amerika sein – als visiting scholar am Center for European Studies der Harvard Universität.

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In der ersten Zeit kann es hier darum ein wenig ruhig werden.

Aber eigentlich habe ich vor, mit etwas anderem Schwerpunkt weiterzubloggen.

Dass die amerikanischen Wahlen eine wichtige Rolle spielen werden, ist nicht unwahrscheinlich.