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Kabul smiles

Eine Freundin aus Kabul schrieb diese Woche auf Facebook:

„Friend or stranger, national or foreigner, if you were at Taverna tonight, I’m sorry. No one should have to go this way. My deepest condolences to your loves ones and families. May they have many memories of you smiling and happy, and be assured you were in a country that – in addition to nights of incomprehensible violence like tonight – also offers days of love and joy.“

Ihre Zeilen erinnerten mich an das Projekt „Kabul Smiles“ von Azim Fakhri, einem jungen Künstler aus Kabul: Er fotografiert lächelnde Afghanen, um der Welt zu zeigen, dass es immer noch Leute gibt, die hoffen, dass 2014 ein Neuanfang werden könnte. „Ein Lächeln kostet ja nichts“, sagt er jedes Mal, wenn wir uns treffen. „Und trotzdem kann es so viel ändern.“

kabul smiles

 

Der 2014-Reflex

Gestern Nacht gab es einen Anschlag auf das libanesische Restaurant Taverna in Kabul. Heute suche ich im Netz nach Neuigkeiten. „Mehrere Deutsche in Kabul getötet“, lese ich im Google-Teaser von faz.net. Ich erschrecke. Weil es bedeuten würde, dass ich wahrscheinlich einen der Toten kenne. Ich klicke auf den Link. Während er lädt, gehe ich im Kopf ein paar Namen durch und überlege, wer gerade alles in Kabul ist.

Dann lese ich den Artikel: „Angaben der Taliban, wonach unter den Opfern ‚eine Reihe hochrangiger deutscher Diplomaten‘ sind, konnte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin zunächst nicht bestätigen. Der Krisenstab arbeite mit Hochdruck an der Aufklärung der unübersichtlichen Lage, sagte er.“

Das kann alles Mögliche heißen, nur nicht: Mehrere Deutsche in Kabul getötet.

Mehrere deutsche Medien haben das Statement der Taliban übernommen und nicht kommentiert. Man hätte zum Beispiel schreiben können, dass diese Statements fast immer falsch sind. Dass sie bei einem Anschlag auf die Bundeswehr in Kabul vor einem Monat behaupteten, zehn deutsche Soldaten getroffen zu haben. Und dass damals in Wahrheit nicht mal einer verletzt wurde.

Es gibt einen twitternden deutschen Botschafter, der nichts von deutschen Opfern schreibt; es gibt deutsche Zivilisten, die gut vernetzt und per E-Mail und Handy erreichbar sind; es gibt ein dpa-Büro in Kabul und jede Menge afghanischer Journalisten, die verlässliche Infos liefern.

Es gibt Quellen, die mehr sagen als die Taliban.

Man muss sie nur fragen.

 

Harter Joghurt

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Als ich das erste Mal „Korut“ gegessen habe, wollte ich es sofort wieder ausspucken, beim dritten Mal mochte ich den sauren Geschmack dann schon. Die golfballgroßen Kugeln aus getrocknetem Joghurt werden gekaut oder in heißem Wasser aufgelöst.

Es gibt auch ein afghanisches Sprichwort über Korut: „Sasaa-je korut ab-i garm.“ Das heißt „Die Strafe für harten Joghurt ist heißes Wasser“ und soll bedeuten: „Schlechte Menschen verdienen eine harte Strafe.“

 

 

 

 

Ein neuer Garten

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Recherche-Mitbringsel aus Faisabad: Im ehemaligen Bundeswehr-Feldlager wachsen nun Blumen, afghanische Polizisten haben sie gepflanzt.

 

In den Bergen Badachschans

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Wir waren den ganzen Tag mit dem Auto in den Bergen unterwegs. Irgendwann mussten wir anhalten – die Bremsen waren heiß gelaufen. Wie aus dem Nichts standen auf einmal diese Jungs vor uns. Ich fragte, ob ich sie fotografieren dürfte. Sie nickten, posierten und gingen dann mit ihren Ziegen und Kühen weiter den Berg hinauf.

 

Das Zählen der Toten

Nach jeden Selbstmordanschlag beginnt das Zählen der Toten. Es beginnt mit ein oder zwei, dann steigen die Zahlen, meist schnell. Ich lese sie auf Twitter und höre sie in den Radio-Nachrichten. Jedes Mal versuche ich mir vorzustellen, was die Zahlen wirklich bedeuten. Es gelingt mir nicht.

Nach ein paar Tagen weiß ich dann schon nicht mehr, wie viele Menschen diesmal gestorben sind. Waren es 10 oder 12? 24 oder 27?

Vielleicht sollten wir weniger Zahlen sammeln und öfter an diejenigen denken, die wir nie zu Gesicht bekommen, die Familien und Freunde der Toten. Diejenigen, die niemals vergessen können, wer gestorben ist.

Heute hat ein Mann mitten in Kabul sich und sein Fahrrad in die Luft gesprengt. Er tötete zwei Männer und verwundete laut Polizei mehr als zwanzig. Das Attentat galt einem Bus mit Polizei-Rekruten. Sechs der Verwundeten waren Fußgänger.