Lesezeichen
 

Erlösmodell Leistungsschutzrecht

Und ich dachte immer, Gewerkschaften sollen die Arbeitnehmer vertreten, nicht die Arbeitgeber. Was sich durch dieses Internet alles ändert… Doch von vorn. iRights.info hat einen Gesetzentwurf veröffentlicht, in dem deutsche Verlage mal so aufgeschrieben haben, wie sie sich ein Leistungsschutzrecht vorstellen – und die Gewerkschaften Deutscher Journalistenverband (DJV) und ver.di machen mehr oder weniger mit.

Was genau das Leistungsschutzrecht ist, ist nicht so leicht zu erklären. Doch im Kern geht es darum, dass Verlage eine neue Erlösquelle suchen und – wenn ich den Entwurf richtig verstehe – nicht mehr mit ihren Autoren teilen wollen. Bislang sammelt die Verwertungsgesellschaft Wort im ganzen Land Geld ein bei all jenen, die Urheberrechte nutzen. Wer also beispielsweise einen Text kopiert, zahlt dafür eine Abgabe an den Urheber. Kalkuliert wird die als Pauschale auf entsprechende Geräte wie Computer und Kopierer und ausgeschüttet wird das Geld an Autoren und Verleger. Für Autoren ist das ein kleines aber wichtiges Zubrot, treten sie doch ihre Verwertungsrechte inzwischen regelmäßig fast zur Gänze an Verlage ab – wofür sie Honorare erhalten, aber die waren auch schon mal besser.

Die Verlage nun wollen eine neue Verwertungsgesellschaft gründen und Geld sammeln für ihre eigenständige Leistung. Die Leistung besteht laut Gesetzentwurf in der Produktion:

Presseverleger ist derjenige, der die wirtschaftliche und organisatorische Leistung erbringt, um das Presseerzeugnis herzustellen.

Gesammelt werden soll das Geld genau wie das für die Urheber, per Abgabe auf Geräte, die zur Verfielfältigung dienen. Ob als Zusatzgebühr zu der bisherigen, oder als Teil dieser, sagt der Entwurf nicht. Nur eines ist klar: Teilen wollen die Verleger das Geld nicht mit denen, die ihnen die Produkte mit Inhalt füllen. Und die bisherige Urheberabgabe wird dadurch sicher auch nicht höher.

Aber das nur am Rande, denn eigentlich ist das ganze Gesetz fürchterlicher Murks. Zum Beispiel aus diesem von iRights.info angeführten Grund:

Wenn den Verlagen ein Recht gewährt wird, das den Urheberrechten sozusagen übergestülpt wird, wären Zweitverwertungen kaum noch möglich. Der Journalist bräuchte immer die Erlaubnis des Verlages, dem er seinen Beitrag zuerst überlassen hat, weil er stets in das Leistungsschutzrecht dieses Verlags eingreifen würde, wenn er seinen eigenen Artikel nutzt oder Rechte daran einem Dritten überträgt.

Oder aus diesem:

Wenn – wie von den Verlegern gefordert – sich das Leistungsschutzrecht auf kleinste (wie klein, wird nicht definiert) Teile ihrer Presseerzeugnisse erstreckt, wird damit die Sprache an sich monopolisiert. Die Schlagzeile (vom gestrigen Tage) „Hans im Glück“ würde dann etwa Spiegel Online gehören. Jeder, der das auch schreiben will, muss vorher mit der Verwertungsgesellschaft einen Vertrag schließen und Geld bezahlen. Aber hat diese Formulierung nicht vorher schon mal jemand genutzt? Muss dann Spiegel Online einen Vertrag schließen?

Oder diesem, der besagt, dass allein schon das Lesen eines vom Verlag frei ins Netz gestellten Textes am Bildschirm Geld kosten müsste:

Hiermit würde allerdings der Vervielfältigungsbegriff des Urheberrechts – im Übrigen unabhängig davon, ob es sich um gewerbliche oder private Nutzungen handelt – auf bloße Darstellungen am Bildschirm ausgeweitet – und damit gleichzeitig die zwingende europäische Vorgabe ausgehebelt, nach der flüchtige Vervielfältigungen im Cache oder Arbeitsspeicher von Rechten frei gestellt werden sollen (in Deutschland umgesetzt in Paragraf 44a UrhG).

Fazit:

Würde der Gesetzgeber diesen Forderungen Folge leisten, würde das unweigerlich zu einer nie da gewesenen Rechtsverwirrung führen und die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigen, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist.

Nachtrag: Hier eine hübsche Antwort aus dem Netz darauf. Mit Dank an die Opalkatze.

 

Netzpolitik ist mehr als ein einfaches Entweder-Oder

Die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ wird sich in wenigen Tagen zum ersten Mal treffen, um sich mit Fragen der Netzpolitik zu befassen. Welchen besseren Zeitpunkt gibt es, sich nun mit ein paar Fragen zur Netzpolitik an die Usergemeinde zu wenden, dachte sich ein illustrer Expertenkreis, den Google Deutschland vor kurzem zusammengerufen hat.

Für den Anfang hat der Expertenkreis namens „Internet & Gesellschaft Collaboratories“ nun eine Umfrage erarbeitet, um „ein Meinungsbild zum Themenfeld Internet, Gesellschaft und Innovationskultur in Deutschland“ zu erstellen. Mit Hilfe dieses Meinungsbilds wollen die Experten „Grundlagen einer Innovationskultur der Informations- und Wissensgesellschaft“ erarbeiten.

Ich hätte diese Umfrage sehr gerne ausgefüllt. Nur: Bei jedem Thema musste man sich im Entweder-Oder-Modus, also 0 ODER 1 entscheiden. Zum Beispiel:

ODER

Diese Frage lässt sich doch gar nicht so oder so entscheiden: Es braucht globale Strukturen wie die ICANN oder die IETF, es haben sich aber bedingt durch kulturelle und rechtliche Unterschiede auch viele nationalen Regelungen entwickelt, mit denen man umgehen muss.

Eine weitere Frage – und das selbe Dilemma:

ODER

Ja natürlich muss der Bürger darauf achten, mit seinen Daten im Netz sparsam umzugehen. Aber es gibt auch Unternehmen wie etwa Facebook oder Google, die in der Vergangenheit immer wieder bewiesen haben, dass sie mit den Nutzerrechten nicht sehr sensibel umgehen. Da ist dann der einzelne Bürger überfordert – und die Politik gefragt.

Ähnlich auch die folgenden Behauptungen:

ODER

Ja natürlich müssen Straftaten auch im Netz verfolgbar sein – und das sind sie heute auch schon und der Polizei stehen hierfür viele Instrumente zur Verfügung. Andererseits muss man die Möglichkeit haben, sich im Netz anonym zu bewegen – und auch diese gibt es heute zum Beispiel mit AN.ON. Man muss sie nur nutzen wollen.

Und auch diese Gegenüberstellung hat es in sich:

ODER

Open Access ist jetzt schon möglich, auch die Verwendung von Creative-Commons-Lizenzen. Was fehlt, sind jedoch mehr Freiräume im Sinne des angelsächsischen „Fair Use“ – und eine Harmonisierung des kontinentaleuropäischen und des angelsächsischen Rechts.

So wichtig die Issues sind, die hier aufgeworfen sind, so schlecht ist die Fragestellung. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, man hätte die Nutzer gebeten, die einzelnen Punkte ihrer Wichtigkeit nach auf einer Skala zu bewerten. So aber habe zumindest ich große Schwierigkeiten damit, die Umfrage richtig auszufüllen. Netzpolitik lässt sich eben nicht mit 1 oder 0 beschreiben.

 

Mutmaßungen über Apples Werbestrategie

Die neue digitale Strategie von Apple zielt auf den lukrativen Werbemarkt im Netz. Mit innovativen Patenten könnte Apple den Nutzer sogar zum Werbekonsum zwingen.

Anfang April kündigte Apple-Chef Steve Jobs an, dass Apple bereits ab diesem Sommer das Werbeprogramm iAd anbietet. Es soll Anzeigen in den meist kostenlosen Programmen für das iPhone, den iPodTouch oder das neue iPad einblenden. 40 Prozent der Einnahmen sollen bei Apple verbleiben, 60 Prozent an die Entwickler der Apps gehen.

Marktbeobachter erwarten, dass Apple auch eine ortsbezogene Werbung anbieten kann. Je nachdem wo der Nutzer sich befindet, sollen entsprechende Anzeigen eingeblendet werden. Doch Google könnte hier Apple einiges an juristischen wie technischen Kopfzerbrechen bereiten. Verfügt es doch seit kurzem über ein Patent für Systeme, die Nutzern entsprechend seinem Einwahlort automatisch die Anzeigen einblendet.

Kontern könnte Apple dann laut einem Bericht der Mediapost mit einem Patent, das es ihm erlaubt, über das Betriebssystem Anwendungen abzuschalten oder Inhalte auszublenden, wenn Nutzer die entsprechende Werbung ignorieren. Das würde ganz der Philosphie entsprechen, nach der Apple seine App-Entwickler behandelt. Wahrscheinlich würden die Nutzer dann eine Art Stockholm-Syndrom entwickeln – und dennoch bei Apple bleiben.


Grafik via Sixtus via o3.tumblr.com

 

Gebt den Künstlern Erdbeerkuchen!

Liebe Kinder, hier soll euch kurz die Bedeutung des Urheberrechts erklärt werden. Immerhin hatte sich eine Plagiatsdebatte über das gesamte literarische Frühjahr gelegt und man hielt anschließend einen Schwanzlurch für unecht und eine Jungautorin für eine Diebin.

Und immerhin haben der Günter seinen Grass und die Christa ihren Wolf unter folgende Zeilen der Leipziger Erklärung gesetzt: „Kopieren ohne Einwilligung und Nennung des geistigen Schöpfers wird in der jüngeren Generation, auch auf Grund von Unkenntnis über den Wert kreativer Leistungen, gelegentlich als Kavaliersdelikt angesehen.“

Dank des Börsenvereins des deutsche Buchhandels könnt Ihr, liebe Kinder, nun lernen, worum es dabei im Wesentlichen geht: um Erdbeerkuchen nämlich. Davon bekommt jeder haufenweise, der Kraft seiner eigenen Einbildung und Geistesschärfe ein Kunstwerk schafft. Gibt es aber keine eigenen Ideen mehr, heißt es auch Schluss mit dem Kuchen, und dann wird die Welt so karg und hässlich wie in Wuuzelhausen.

Und nein, das war kein Witz. In Wuuzelhausen beginnt das Spiel, das sich der Börsenverein ausgedacht hat, um euch Kleinen zwischen acht und zwölf die Bedeutung geistigen Eigentums zu vermitteln. Ein medienpädagogisches Online-Abenteuer soll es laut Selbstbeschreibung sein, der Name: Cat Protect.

Cat Protect ist eine Privatdetektivin, eine Katze mit blondem Haar, die ins „Schloss der Ideen“ gerufen wird. Dort leben Wuuzel, kleine kreative Viecher, die den ganzen Tag malen, dichten und Sachen erfinden. Dafür werden sie mit Erdbeerkuchen entlohnt, was, liebe Kinder, ein vertriebsbasiertes Verwertungsmodell ist. Weil dieser in Wuuzelhausen aber plötzlich ausbleibt, ergraut das vormals bunte Schlossleben. Alle sind traurig. Und schnell wird klar: hier sind Ideendiebe am Werk und um denen das Handwerk zu legen, muss Cat Protect Schieberätsel lösen, Fahrstühle mit Walkmanmusik berieseln (Originalkassette, klar) und so allerhand mehr. Man lernt: Illegale Kopien „zerstören den Wert der Originale“.

Und während die Kleinen das ein, zwei Stunden spielen, schließen die Erwachsenen die Augen und stellen sich eine Taskforce des Börsenvereins vor, die sich um die Folgen des digitalen Wandels sorgt und den lieben Kleinen erklärt, warum bitte alles so bleiben soll wie bisher. Mit Minispielen beispielsweise, in denen „kreative Energie“ von oben nach unten fließt, aber nie kreuz und quer. In denen sie lernen, dass wer Ideen klaut, kein Schwanzlurch ist, sondern ein fauler Wurm mit Überbiss. Und in denen sie Sätze wie diesen hören: „Ist dir eigentlich klar, dass es nicht in Ordnung ist, wenn du andere beklaust?“

Soweit ist es also schon gekommen.

 

Auf der Suche nach den dümmsten Followern

Zwar glauben Wissenschaftler inzwischen belegen zu können, dass politisch rechts stehende Menschen durchschnittlich etwas unintelligenter sind als Linke. Die Frage aber, ob zum Beispiel die konservative Politikerin Sarah Palin oder der kanadische R&B-Sänger Justin Bieber die dümmeren Follower auf Twitter hat, blieb bis heute unbeantwortet.

Nun ist auch diese Wissenslücke endlich geschlossen. Der Dienst „Stupid Fight“ gibt nämlich vor, genau das beurteilen zu können: die Intelligenz oder Dummheit von Menschen, die bekannten Persönlichkeiten auf Twitter folgen (das Programm trifft diese Aussage nur im Vergleich, nicht generell). Das Resultat: Die Tweets der prominenten, amerikanischen Konservativen Sarah Palin werden  von den klügeren Lesern verfolgt als die des kanadischen R&B-Sängers. Ein bisschen geringer, aber immer noch vernichtend sieht ihr Vorsprung gegenüber  Lady Gaga aus. Und im Kampf der Technikgiganten müssen sich die Bill Gates Follower leider bescheinigen lassen, etwas dümmer zu sein als die von Google-Mann Eric Schmidt.

Aber woran bemisst das Programm die Dummheit überhaupt? Indem es die Nachrichten auswertet, die diese den Promis schicken, schreibt  Tom Scott, der Erfinder von Stupid Fight auf seiner Seite. Rechtschreibfehler, fehlende Groß- und Kleinschreibung und ein Übermaß an Ausrufezeichen und Netzkürzeln schlagen sich dabei besonders negativ auf die Beurteilung des Twitter-IQs nieder.

Der Linguist Tom Scott glaubt zumindest, es gebe starke Indizien dafür, dass die Masse der Menschen mit einem solchen Schreibverhalten dümmer sein muss als der Teil der Menschen, der seine Worte etwas sorgsamer wählt, bevor er auf „Senden“ drückt.

Für ein grobes, massenhaftes Urteil mag das sogar richtig sein. Aber ein bisschen plump kommt der Ansatz schon daher. So ist nicht jeder, der auf großschreibung verzichtet, gleich ein idiot. Oder???!

 

Unterstützt Cryptome und Wikileaks!

Cryptome und Wikileaks müssen von der deutschen Presse unterstützt werden. Nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Denn sie sind im Moment die letzten Garanten einer Presse- und Meinungsfreiheit.

Zweierlei hat mir heute die enorme Bedeutung von Cryptome und Wikileaks buchstäblich vor Augen geführt: Zum einen eine Video-Reportage über die beiden Enthüllungsplattformen im Netz, die investigativen Journalisten das Leben erleichtern. Zum anderen die Erläuterungen des Vorschlags für eine „Isländische moderne Medieninitiative“, die seit kurzem online auf dem Server des isländischen Parlaments auf Englisch verfügbar ist. Diese könnte darauf hinauslaufen, dass Wikileaks dauerhaft auf einer sicheren legislativen Grundlage aufbauen kann.

Die Reportage erklärt, warum Wikileaks einzigartig ist. Zwar hat der New Yorker Architekt John Young mit Cryptome seit den neunziger Jahren wertvolle Pionierarbeit geleistet. Doch weil sein Server ausschließlich amerikanischer Jurisdiktion unterworfen ist, ist er auch angreifbar. Außerdem ist es immer nur John Young, der die Dokumente ins Netz stellt. Das allerdings äußerst zuverlässig, wie auch die jüngste, schnell überstandene Attacke vonMicrosoft auf Cryptome gezeigt hat.

Wikileaks hingegen ist nicht nur einfach eine Website, die von einem Engagierten geführt wird, sondern auch eine Technik, die es Whistleblowern beziehungsweise Informanten auf sehr effiziente und sichere Weise erlaubt, massenhaft Dokumente auf einen geschützten Server zu laden. Außerdem ist Wikileaks auf diversen Servern in der Welt verteilt und untersteht damit multipler Gesetzgebung.

Umso mutiger ist es von Julian Assange und Daniel Schmitt sich als Gesicht von Wikileaks zu zeigen – denn sie könnten in belieben Staaten der Welt wegen Geheimnisverrat vor Gericht gebracht werden. Dass sie dabei nicht nur von den üblichen Verdächtigen etwas zu befürchten haben, zeigte der jüngst veröffentlichte Bericht eines US-Militärgeheimdienstes (PDF), der analysiert hatte, wie angreifbar Wikileaks ist. Hier die Reportage, die übrigens auch John Young im Videointerview zeigt:

Der Bericht zeigt, wie wichtig diese beiden bislang einzigen einigermaßen sicheren alternativen Enthüllungsplattformen im Netz sind: Für viele Menschen sind sie die einzige Möglichkeit, ungefährdet auf einen Missstand hinzuweisen. Wie Journalisten mit Wikileaks zusammenarbeiten können, zeigten in jüngster Zeit die Enthüllungen zur Maut. Sie wären ohne die Kooperationsplattform Wikileaks in diesem gewaltigen Umfang nicht möglich gewesen. Aber auch die Enthüllungen von Cryptome über den Umgang von IT-Firmen mit Strafverfolgungsbehörden wären ohne Cryptome ungleich riskanter gewesen.

Gerade in Deutschland sind Whistleblower gesetzlich nicht ausreichend geschützt. Erst im letzten Jahr ist schon im Vorfeld der Beratungen eine Gesetzesvorlage zum Schutz von Whistleblowern in Deutschland gescheitert. Diese gelten hier gerade im Arbeitgeberlager immer noch als „Nestbeschmutzer“, als Menschen, die andere Menschen „verpfeifen“. Nicht jedoch, wie die internationale Whistleblowerforschung zeigt, als verantwortungsbewusste Menschen, die keinen anderen Ausweg aus einem Notstand sehen, als sich an die Öffentlichkeit zu wenden, weil eine anderweitige Klärung aus gewichtigen Gründen nicht funktioniert.

Hinzu kommt in Deutschland ein seit Jahrzehnten fehlender Arbeitnehmerdatenschutz. Das führt dazu, dass Informanten in Unternehmen und Behörden kaum noch in der Lage sind, sich vor Aufdeckung zu schützen. Denn es gibt nur noch wenige Arbeitsplätze, die nicht auf irgendeine Weise mit Kommunikations- und Informationstechnologien verbunden sind, die wiederum Daten generieren, die über ihre Arbeit Auskunft geben können.

Aber auch der Schutz von Journalisten ist in Deutschland unzureichend. Die Rechte von Journalisten und Redaktionen wurden in den letzten Jahren hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts sowie Redaktionsgeheimnisses zunehmend ausgehöhlt. Dazu zählt nach wie vor die Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten, da Journalisten vom Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Urteil zur Vorratsdatenspeicherung nicht als besonders schützenswerte Berufsgruppe dargestellt wurde und künftig weiterhin damit rechnen müssen, dass ihre zu Abrechnungszwecken gespeicherten Verbindungsdaten verwertbar bleiben. Zu den jüngsten Gesetzesinnovationen, die die Pressefreiheit aushöhlen zählt außerdem die Online-Durchsuchung.

Umso erstaunlicher ist es eigentlich, dass deutsche Verleger und Journalistenverbände nicht schon längst Wikileaks offiziell unterstützen – zumal eine gesetzgeberische Initiative wie in Island in den Sternen steht. Wie vergleichsweise kleinklein die politischen Visionen hier sind, ist in den letzten Monaten an der Debatte um ein ominöses Leistungsschutzrecht zu beobachten. Island jedenfalls hat als – relativ kleine Community – von der Wirtschaftskrise rasch gelernt und wagt den Angriff: Mehr Transparenz, mehr Offenheit sollen künftig Schutz bieten gegen allerlei Korruption und Manipulation.

Lernen will man von den Besten: Beispielsweise von den Schweden, deren Pressefreiheitsgesetz zahlreiche Nachrichtenagenturen und Bürgerrechtsorganisationen nach Stockholm lockt. Oder von den USA, deren strikte Auslegung der Meinungsfreiheit legendär ist. Das Besondere ist auch: Island stellt seinen Vorschlag auch auf Englisch vor – und lädt ausländische Nichtregierungsorganisationen ein, ihn zu kommentieren. Das ist ungewöhnlich, aber dem Anliegen, eine zensurresistente Presse auf internationalem Niveau zu ermöglichen, nur angemessen.

Diese Art von Weltläufigkeit wünsche ich auch Deutschland. Die Enquête-Kommission des Bundestags sollte sich auch damit befassen. So lange sich Verlage und Journalisten jedoch nicht für ein massives Lobbying für die Pressefreiheit einsetzen wollen, sollten sie zumindest Wikileaks wie auch Cryptome nicht nur ideell, sondern auch monetär unterstützen. Sie sind für journalistische Arbeit unerlässlich geworden. Weil sie letztlich die konsequentesten Garanten der Presse- und Meinungsfreiheit sind.

 

Sendeschluss

Ein kurzer Beitrag zur Debatte um einen Sendeschluss, beziehungsweise auch um festgelegte Sendezeiten als Altersschutz im Internet:

Mit bösen, kleinen Anspielungen, die sich in den Suchergebnissen verbergen. Beispielsweise unter dem Stichwort „stasi appreciation society“, also der Gesellschaft zur Würdigung der Staatssicherheit. Nicht gerade nett, so etwas. Aber lustig.

via

 

Kopieren wird belohnt

Das Nieman Journalism Lab, ein Journalismus-Forschungsprojekt der Havard Universität, hat Online-Berichterstattung unter die Lupe genommen. Anhand der Nachrichten über den Hackerangriff auf Google in China haben die Wissenschaftler überprüft, wie viele eigene Artikel zu diesem Thema erschienen sind und wie oft Journalisten voneinander abgeschrieben hatten. Als „eigene Recherche“ galt dabei schon, wenn ein zusätzlicher Fakt etwa in Form eines Original-Zitats im Text enthalten war. Insgesamt analysierten die Forscher 121 Artikel von der New York Times über AFP bis zur Gadget-Seite Gizmodo.

Obwohl das Kriterium nicht besonders anspruchsvoll definiert war, enthielten nur elf Prozent der Nachrichten auf Google News „eigene Recherche“. Von den insgesamt dreizehn zumindest anrecherchierten Versionen kamen acht von der klassischen Presse, vier von Agenturen und eines von einem Online-Medium. Die anderen Kollegen hatten mehr oder weniger voneinander abgeschrieben.

Nur sechs Prozent gar hatten eine eigene, originale Fassung zu den Geschehnissen verfasst. Das waren die New York Times, die Washington Post, the das Wall Street Journal, der britische Guardian, die Tech News World, die Agentur Bloomberg, die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua und die chinesische Global Times.

Und auch Google News bewies bei der Nachrichtenauswahl einen nur bedingt funktionierenden Such-Algorithmus: Zwar wurden Duplikate aussortiert und die wirklich eigenen Geschichten mit höheren Plätzen auf der News-Seite belohnt. Dabei aber fiel eine laut den Havard-Forschern gute und selbst recherchierte Geschichte durch die Raster. Die der Financial Times. Möglicherweise eine Strafe dafür, dass die Seite inzwischen hinter einer Paywall versteckt wurde, also kostenpflichtig ist.

Was für eine Verschwendung. Von 121 Reportern investierten 100 ihre Energie einzig, um die gleiche Geschichte noch einmal zu erzählen, obwohl es ein Link zu der Urpsrungs-Story auch getan hätte.

Ein Link allein jedoch widerspricht der Logik der Medienbranche. Ihre Währung ist Aufmerksamkeit. Durch das Abschreiben profitieren andere Medien von der Aufmerksamkeit, die eine ursprünglich beispielsweise von der New York Times ausgegrabene Geschichte bringt. Das funktioniert, solange es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Problematisch dagegen wird es, wenn Recherche nicht mehr ausreichend belohnt wird und vor allem der profitiert, der seine wenigen Redakteure nur noch zum Abschreiben kommandiert. Und wenn diejenigen, die von der Aufmerksamkeit für andere partizipieren, nicht einmal ihren Anteil zurückgeben wollen: Immerhin war ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, dass sieben Prozent der Redaktionen darauf verzichteten, die Quelle zu nennen, an der sie sich bedienten. Das ist ziemlich undankbar.

 

Videogedächtnis der US-Volksvertreter online

Seit 1979 sendet der amerikanische Fernsehsender C-Span aus dem Repräsentantenhaus, 1986 kam auch der Senat hinzu. Rund um die Uhr gibt es dort Livemitschnitte von Sitzungen, Reden, Anhörungen, Pressekonferenzen. Unmengen von Filmmaterial über das Handeln der amerikanischen Regierung haben sich so in den Archiven des Senders gesammelt. Ab Mittwoch werden 160.000 Stunden davon hier jedem vollständig zugänglich sein.

Alles, was seit 1987 über den Sender ging, ist inzwischen digitalisiert und soll dann durchsuchbar sein.

C-Span-Gründer Brian Lamb sieht darin, wie er der New York Times sagte, einen simplen, aber weitreichenden Nutzen: „Man kann sehen, ob Politiker heute das Eine erzählen, vor 15 Jahren aber etwas ganz anderes gesagt haben.“

Was nur konsequent ist, versteht sich der Sender, der eine Art Stiftung der amerikanischen Kabelanbieter ist, doch als Service für die Öffentlichkeit. Er soll staatliches Tun transparent machen. Das aktuelle Programm war schon länger live im Internet zu sehen, die Öffnung der Archive ist da nur der nächste Schritt. Um das möglich zu machen, hatte man 2007 die Copyright-Regeln des Senders gelockert. Seit dem sind Bilder jedes Ereignisses, das vom Kongress und von irgendeiner Regierungsbehörde gesponsert wurde, frei. Einzige Bedingung ist die Nennung der Quelle.

Ganz so weit ist das deutsche Parlamentsfernsehen da noch nicht. Wer es verwenden will, muss sich unter bestimmten Bedingungen dafür eine Genehmigung holen. Immerhin aber bietet sein Archiv Plenarsitzungen „ab dem 26. Oktober 1998“.