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Vom anderen Stern: Das Bib-Männchen

Jetzt ist es wieder so weit:
Alles dreht sich im gastronomischen Universum um die Sterne des Guide Michelin.

Bei dem ganzen Trubel wird oft eine Auszeichnung übersehen die aus meiner Sicht genauso interessant ist wie der Stern: Der „BIB Gourmand“. Er wird vergeben für „sorgfältig zubereitete, preiswerte Mahlzeiten unter 35 Euro“.
Für Touristen in englisch fein erklärt mit „good food at moderate prices“ oder wie ich meinen Mitarbeitern immer zu sagen pflege: „Der Bib ist der Stern des kleinen Mannes.“
Jedenfalls speise ich sehr gerne auf Reisen bei Bib-Adressen, da in diesen Restaurants sehr oft auch authentische Regionalküche geboten wird, vor allem in Italien und Spanien.

Besonders spannend wird es, wenn es sich um das Zweitrestaurant eines besternten Betriebes handelt. In diesem ziemlich überschaubaren Club befanden sich in Deutschland bisher nur ca. 11-14 Mitglieder. Meistens größere bis sehr große Häuser wie Traube Tonbach, Bareiss, Dollenberg, A-Rosa oder Friedrichsruhe.

Mitblogger Christian Mittermeier und ich waren bis dato sozusagen die Ausnahmen mit unseren doch etwas kleineren „Hütten“. Nun gibt es Zuwachs, neue „Clubmitglieder“, allesamt Kollegen oder Kumpels deren Arbeit ich sehr schätze:
Joachim Kaiser (Ich hab’s dir ja schon immer gesagt!)
Christopher und Alejandro Wilbrand (Felicitaciones!)                             
Armin Karrer, Hoffnungsträger für den zweiten Stern, dazu Bib Gourmand, wow!               
Ernst Karl Schassberger, Neuzugang bei den Jeunes Restaurateurs d’Europe
Klaus Erfort, drei Michelin-Sterne und dazu den Bib Gourmand für sein Projekt „Schlachthof“: Einfach toll!
Natürlich gibt es in Bib Häusern ohne „Zusatzsternle“ auch immer was zu entdecken. Bleiben Sie neugierig.

Ach ja, mein Bib Männchen ist seit 1990 treu bei mir:

Ich könnt ihn knuddeln, jeden Tag…

 

Schwarzwälder Grid Girls

Während der LeMans Series 2010 und bei den 24h vom Nürburgring 2010 hat die Villa Mittermeier im dritten Jahr mit der Traube Tonbach zusammengearbeitet und für Essen und Trinken gesorgt. Selbstverständlich mit angemessenem Service. Die Auszubildenden der Traube haben sehr, sehr fleißig und gut gearbeitet.
Dennoch kam der Spaß nicht zu kurz: Die Rennfahrer und Ingenieure haben sich beim vorherigen Rennen gewünscht, die jungen Damen mal nicht im sportlichen Look mit Cargohosen und Poloshirts zu sehen, sondern in der Original-Dienstkleidung der Traube. 
Dieses Outfit wird sich wohl an dieser Stelle im Rennsport in dieser Form nicht durchsetzen, aber so viel Gaudi und Aufsehen an der Strecke gab es wohl selten vor einem Start.

 

Er is(s)t wirklich so!

© Loice Venance/AFP/Getty Images

Durch die Reportage über Gérard Depardieu im ZEITmagazin wurde ich an verschiedene Begegnungen mit diesem sinnesfrohen Menschen erinnert.

Vor einigen Jahren, anlässlich der Verleihung der Goldenen Kamera 1995, bereitete ich ein Buffet mit meinen Jeunes Restaurateurs-Freunden zu. Damit wollten wir die ca. 1000 Gäste direkt nach der Verleihungszeremonie bewirten.
Die Vorbereitungen waren gerade abgeschlossen und wir waren auf „Bereitschaft“ im noch menschenleeren Foyer.

Wir hielten etwas abseits vom Buffet noch einen kleinen Kollegenplausch in Erwartung des Geschehens , als ein großer, rustikal-ländlich gekleideter Mann mit dunklem Schlapphut ziemlich zügig auf das Buffet zumarschierte. Zielsicher lupfte er ein paar Deckel und genauso geschwind fischte er mit seiner Hand ein paar geschmorte Ochsenschwanzstücke aus der Soße heraus.

Ich staunte nicht schlecht und stürmte auf diesen „Clochard de luxe“ zu. Dabei dachte ich mir noch: Wie kommt so ein Typ überhaupt durch die Security?
Also, erstmal aufplustern und ein freundlich bestimmtes „Wie kann ich Ihnen helfen?“.
Daraufhin ein leises „C’est bon“.
Unter dem Hutschatten blitzten mir zwei neugierige Augen entgegen. Und ich erkannte Gérard Depardieu.

Ich erklärte ihm in meinem holprigen Küchenfranzösisch, was er sowieso schon wusste: Queue de Boeuf braisé en vin rouge… Daraufhin fischte er nochmals ein paar Stücke aus der Tunke, dann kamen auch schon zwei sehr aufgeregte Event-Organisatoren, um ihn „einzufangen“, zumal Thomas Gottschalk gerade schon den Hauptpreisträger der Goldenen Kamera 1995 anmoderierte: Gérard Depardieu.

Jahre später:
Ich hatte beruflich in Shanghai zu tun und schon einige authentische Chinakneipen durchgefuttert, als ich zum Abschluss mit meiner Frau die Shanghaier Depandance der Gebrüder Pourcel (Jardin des Sens, Montpellier) besuchte.
Es sollte zum Abschluss ein entspanntes déjeuner geben und wir waren ganz angetan von der fein balancierten Gewürzküche (übrigens damals besser als im Montpellier) als G.D. mit Gefolge (ca. 10 Personen) das Restaurant betrat.
Als ich ihn erkannt hatte, sagte ich zu meiner Frau: „Der hat bestimmt den Eingang durch die Küche genommen!“
Jedenfalls nahm er am Tisch direkt neben uns Platz und dann ging es auch schon los. Wie im Kino: ein einziges lukullisch-opulentes Festmahl, erstmal was zu trinken, Bordeaux, natürlich Magnum. Genügend Brot um die gesamte Tischdecke zu verkrümeln, Gespräche durcheinander. Die umliegenden Tische wurden förmlich mitgerissen. Im vormals schicken, aber etwas steifen Restaurant herrschte auf einmal Partystimmung.

Ich wollte ihn noch ansprechen auf mein Ochsenschwanzragout (an Essen erinnert er sich doch bestimmt?), habe es dann aber sein lassen weil ich auch schon zu bedüdelt war.
Gérard Depardieu, er ist wirklich so! Das Leben, ein Fest!

Und Ochsenschwanz, rustikal in Rotwein geschmort, geht so:

Zutaten für 4 Personen:
– 2500 g Ochsenschwanz (in etwa 5cm große Stücke schneiden)
– Traubenkernöl zum anbraten

– 300 g Zwiebeln
– 100 g Karotten
– 100 g Sellerie
– 100 g Lauch
alles in etwa 1 cm große Stücke geschnitten

– 0,2 l Portwein
– 0,7 l Rotwein
– 1,5 l brauner Fleischfond
– 50 g Tomatenmark
– 30 g Preiselbeerkonfitüre
– 5 Nelken
– 2 Lorbeerblätter
– 10 Wacholderbeeren, zerdrückt
-1/2 TL zerdrückte weiße Pfefferkörner
– 1 Zweig Thymian
– 1 Zweig Rosmarin
– gegebenenfalls 1 Knoblauchzehe

Die Ochsenschwanzstücke in wenig Traubenkernöl von allen Seiten kräftig anbraten. Zwiebeln, Karotten und Sellerie dazugeben und mit anrösten.
Den Bratensatz mit Portwein ablöschen, Tomatenmark dazugeben und leicht gehen lassen . Danach Preiselbeerkonfitüre dazugeben und mit Rotwein und Fleischfond auffüllen.
Nun Lauch und die Gewürze dazugeben. Das Ganze etwa 1,5 bis 2 Stunden zugedeckt auf kleiner Flamme garen, bis der Ochsenschwanz weich ist.
Danach den Ochsenschwanz aus der Soße nehmen und in mundgerechten Stücken von den Knochen lösen. Die Soße sorgfältig entfetten und reduzieren, bis die Soße kräftig ist. Eventuell mit einem Mixstab ganz kurz anpürieren.
Für die feinere Version die Soße jetzt durch ein feines Sieb passieren. Wenn nicht, muss man halt die Zweigchen und Gewürzkörner so rausfischen.
Die Fleischstücke in die Soße geben, aufkochen und mit wenig Salz und Pfeffer abschmecken.

Dazu Bordeaux und Baguette reichen

 

Backpulver-Dankesbrief

Die Spielwegschule, das ist unsere Grundschule in direkter Nachbarschaft und heißt so wie der Ortsteil & unser Haus, wollte Kuchen backen. Alles parat, nur das Backpulver hatten die Nachwuchsbäcker vergessen, also schnell zu uns, 2 EL ausgeborgt, alles prima!

Als Dankeschön gab es einen Kuchen und ein Dankesschreiben. Wenn man bedenkt, dass die Schule erst angefangen hat…

„LIBA SBILWEK

BABKBLFA

FILEN DANK VON KLASE 1″

 

Ohne Mampf kein Kampf


Trotz meiner Begeisterung für Verbrennungsmotoren aller Art hatte ich bis vor kurzer Zeit noch keinen Draht zu Motorsport-Veranstaltungen. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass mich solche Wettbewerbe interessieren würden.

Geändert hat das eine Anfrage, für Gäste und Mannschaft eines Teams während der LeMans-Series das Catering zu übernehmen. Mitten im Fahrerlager, einer hermetischen Welt, die einem Außenstehenden wie mir so gar nichts hergibt, sollte ich kochen. Dafür sorgen, dass pünktlich und zuverlässig in guter Qualität Speis und Trank auf den Tisch kommt, morgens wie abends, und, falls notwendig, nachts. Denn auch in diesem Zirkus gilt:
Ohne Mampf kein Kampf.

So bin ich also gemeinsam mit einer Crew der Traube Tonbach und meinen eigenen Leuten an den großen Rennstrecken Europas unterwegs und sorge für die Verpflegung der Rennfahrer, Mechaniker, Ingenieure, Journalisten und Vips, vor und während der Rennen. In diesem Jahr in Spa Francorchamps (Belgien), in Le Castellet (Frankreich), am Nürburgring und dieses Wochenende in Silverstone (UK).

Die Traube stellt dabei den Service, meine Leute verantworten die Küche. Die Logistik dafür ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Die Stunden zählen wir nicht und jeder dieser Jobs verlangt von jedem Mitarbeiter ein Höchstmaß an Einsatz. Für den Einzelnen ist es eine Übung, sich mit Kollegen aus einem anderen Betrieb zu arrangieren, sich auf den anderen Stallgeruch einzustellen und einzulassen. Eine Übung, deren Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann und die dennoch bestanden sein will. Dazu gibt es ständig neue Herausforderungen: Stromausfall in der Küche, unpünktliche Lieferanten, strikte Regeln und strenge Aufsicht durch diensteifriges Ordnungspersonal, während der Fahrt umgekippte Sahneeimer, Platzregen beim Aufbau…

Und doch freuen wir uns nach jedem Rennen wie kleine Kinder auf das nächste Mal, denn eines macht diese Jobs sehr besonders und unterscheidet sie von der Arbeit zu Hause:
Das ganze Renn-Team mit allen Beteiligten ist wie eine große Familie, die Köche und die Servicekräfte gehören ganz einfach dazu. Wir ziehen alle am selben Strang, jeder einzelne nimmt sich zurück und alle verfolgen das gleiche Ziel: Wir möchten, dass unsere Autos gewinnen.

Keiner der Gäste verlangt nach einer Extrawurst, keiner lebt seine Befindlichkeiten aus. Herzlicher, geschulter und guter Service und einfache Gerichte wie gefüllte Paprikaschoten, Kalbsrahmgulasch  oder saftige Schnitzel zaubern dem Team ein Lächeln ins Gesicht. Dieses Team-Gefühl, dieser Zusammenhalt ist einzigartig und begeisternd, sogar regelrecht mitreißend. Wahrscheinlich ist das die Grundlage für den Erfolg.

Einfach ist manchmal so leicht. Und gut ist so manches Mal einfach. Warum machen wir es dann eigentlich manchmal so kompliziert?

 

Cittaslow Festival – Glückwunsch Nördlingen – Bravo Joachim Kaiser

Nördlingen im Donaurieß ist eine „Cittaslow“ geworden. Dieses seltene Prädikat von Slowfood bekommen nur wenige Städte, bei denen Umfeld, Lebensqualität, Authenzität und Ursprünglichkeit gemäß Slowfood-Kriterien übereinstimmen. Weitere Cittaslow- Städte in Deutschland sind lediglich 

  • Deidesheim
  • Hersbruck
  • Lüdinghausen
  • Marihn
  • Schwarzenbruck
  • Überlingen
  • Waldkirch
  • Wirsberg
  • Es war ein langer Weg von der Bewerbung bis zu dieser Auszeichnung. Der verdiente Höhepunkt war das Cittaslow-Festival am letzten Wochenende. Maßgeblich beteiligt an allem war mein Freund Joachim Kaiser, der die letzten Monate mächtig was auf die Beine gestellt hat.

    Michael Phillip, Joachim Kaiser und Herbert Kuffer beim Fachsimpeln

    Zum Festival kamen ca. 15.000 Besucher in die Nördlinger Innenstadt, an Programmpunkten war einiges geboten, beispielsweise:

    „Die Kulturgeschichte der deutschen Küche“
    Vortrag Dr. Peter Peter

    „Was hat Molekularküche mit Slowfood und der Region zu tun?“
    Vortrag Prof. Thomas Vilgis

    „Wo die glücklichen Hühner wohnen“
    Vortrag Martina Meuth u. Bernd Neuner-Duttenhofer

    Vincent Klink und Patrik Bebelaar
    Sitting Küchenbull – Musikalische Lesung

    Als Abschlussveranstaltung bat Joachim Kaiser die befreundeten Köche der Jeunes Restaurateures Süd zum Küchenfestival. Jeder kocht einen Gang, jeder hilft jedem, und ein jeder hat seinen Spaß.

    Stefan Rottner (Gasthaus Rottner, Nürnberg), Peter Strauß (Königliches Jagdhaus, Oberstdorf), Anna-Sophie Müller (Sportheim Böck - Allgäu Hideaway, Nesselwang), Evelin und Joachim Kaiser (Wirtshaus Meyers Keller, Nördlingen), Jakob Stüttgen (Terrine, München), Thomas Andorfer (Kagerer, München), Matthias Beck, Küchenchef (Wirtshaus Meyers Keller, Nördlingen), Mario Pattis (Dresden), Felix Tille (Meyers Keller), Jürgen Koch (Lauretius in Weikersheim), Michael Philipp(Restaurant Philipp, Sommerhausen, Regionalvorsitzender JRE Süd, Robert Manz, Nicklas Maletzke)

    Christian war noch im Urlaub auf Amrum, Lammwurst machen und Fischhändler anmosern, ich habe dies für ihn fertig gekocht, offenbar hat er es mir ja auch zugetraut:

    Rehsosatie mit Steinpilz-Graupensalat und Gewürzknusper, (Christian Mittermeier, Rothenburg o.T.)

    Tartar Böff de Hohenloh mit Tauberhasenmostrich und Via Aurelia (meine Handhappen)

    Lardocreme, Cassisfeigen, Büffelmozarella, Petersilienluft (Jakob Stüttgen, München)

    Hausgemachte Nudeln gefüllt mit Kaninchen und Sommergemüse, Estragonschaum (Michael Philipp, Sommerhausen)

    In Nussbutter confierte Lachsforelle in aufgeschäumtem Bergkräuterfond, Fleckerl von der Weinberg-Schnecke und halbflüssig gebackenem Landeidotter in der Gewürz-Brotkrume ( Peter A. Strauss, Obersdorf)

    Irgendwie ist ein Trend zum Grün unverkennbar…

    Gesottene Kalbsbacke und gebratenes Kalbsherz, Tomatenbutter "coeur de beuf", Salbeikartoffeln (Stefan Rottner, Nürnberg)

    Dessert-Inspiration "Mario Pattis" (Mario Pattis, Dresden)

    Danach gab es noch einen kurzen und lustigen Kollegenplausch und wir durften zur Feier des Tages Joachim Kaisers hausgemachten Culatelloschinken nicht nur anschauen und beschnuppern, sondern auch tatsächlich probieren. 

    Der Stoff aus dem die Träume sind (Culatello Schinken, Meyers Keller)

     

    Jungköchin Viktoria

    Gestern Abend war es endlich so weit, unsere Viki hatte Abschlussprüfung und darf sich ab sofort Jungköchin nennen! 
    Schon wieder 3 Jahre vorbei, und so schnell ist es gegangen. Da denkt man auch an die eigene Gesellenprüfung zurück. Da mein Spruch: „Meine Lehre war die härteste“ bei meinen Töchtern nicht gut ankommt, habe ich von meinem Prüfungsmenü erzählt, das bei den Vorbereitungen, die Viki anstellte, etwas (sehr) bescheiden klang.
    Wir mussten ein Los ziehen, bei mir stand drauf Ochsenzunge in Madeirasauce mit Spätzle vom Brett und tournierten Champignonköpfen sowie Fruchtsalat. Schmunzel, schmunzel…

    Zu Vikis Vorbereitungen: in ihrem Warenkorb war eine Lachsforelle (1,2 kg), ein Schweinekaree mit sechs Knochen und als Dessert sollte eine Bayrischcrème gekocht werden. Das Menü musste 3 Wochen vorher bei der IHK abgegeben werden, und dann wurde hochkonzentriert, mit Messerkoffer und genauem Ablaufplan trainiert.

    Die Fotos sind vom Abschlusstraining in unserer Privatküche, eingeladen waren Freunde/innen, die noch mit der Führerscheinprobezeit kämpfen, daher keine Weinflaschen auf dem Tisch.

    Und Viki hat sich echt angestrengt, pochierte Lachsforellenroulade mit Fenchelsalat auf Zitronensafransauce, Schweinekarree Thymiansauce Karottenpüree Rösti und Mandelcrème mit Vanille-Aprikosenkompott. Alles für 6 Personen, und in 3 Stunden mussten die Prüflinge fertig sein.

    Das hat im Ergebnis super 96 Punkte gebracht, damit stehen meine Ochsenzungen mit 89 Punkten ziemlich im Schatten.

     

    Gepimpte Caprese

    die Ausgangsprodukte

    Gefragt, wie ich meinen Küchenstil selbst beschreiben würde, gerate ich schnell auf dünnes Eis. Zubereitungen und Rezeptideen entstehen oft nach Lust und Laune, nach Jahreszeit, Erfahrung, einem Einfall oder sonstwas. So manche Speisenkarte aus früheren Jahren bewirkt, dass ich bei mir denke: Oh je, was war denn das für ein Anfall von Kreativität… auch ich hab schon Teller gekocht, die in die Abteilung „durchgeknallter Jungkoch“ gehören. Und wer weiß, wie ich über meine Speisenkarte von heute in 10 oder in 15 Jahren denken werde.

    Ich tröste mich mit den Worten von Dr. Erwin Seitz, einem hochgeschätzten Weggefährten und kritisch-wohlwollenden Gast:
    Das ewig Wahre gibt es nirgends, nicht in der Gastrosophie, nicht in der Kochkunst oder in der Welt des Weins. Wer glaubt, er könne auf diesen Gebieten objektive Gesetze erstellen, läuft Gefahr, dogmatisch zu werden. Das Gastliche, Elegante, Anmutige verträgt sich schlecht mit allzu strengem Regelwerk.
    Es ist ratsam, sich den Überlieferungen oder Gewohnheiten des Gastronomischen anzunähern, Erfahrungen zu sammeln, begleitend dazu das eine oder andere zu lesen, sich eine eigene Meinung zu bilden und einen eigenständigen Stil für gastronomische Dinge zu entwickeln.

    (Kulinarischer Almanach °15, Deutschlands neue Gastlichkeit)

    Deshalb, zurück zum Anfang: Welchen Stil pflege ich? Welche charakteristischen Merkmale enthält meine Art von Küche? Kurz: in welche Schublade passe ich?
    Schubladen mag ich nicht. Ich lasse mir die Freiheit, heute das eine und morgen das andere toll zu finden. Ich schneide gern alte Zöpfe ab und schmeiße sie mit Schwung über Bord.

    Auch glaube ich nicht, dass ich eine Philosophie haben muss. Ich mag auch keine haben, denn heutzutage hat jede Autowaschstraße ihre eigene. Philosophie kann man studieren und der Begriff ist so groß, dass ihn mancher besser bei den alten Griechen lassen sollte. Vielleicht noch bei Durs Grünbein. Aber doch bitte nicht in einer Küche.

    Dennoch, um unterschiedliche Ansätze einer Küche zu zeigen, habe ich hier ein schönes Beispiel. Die Caprese auf drei Arten, gezeigt im Kochkurs. Ich mag sie auf alle drei Arten. Heute so, morgen so. Pippi Langstrumpf würde das verstehen.

    Die erste Caprese ist so, wie sie jeder von seinem Italiener kennt (jaja, in Italien ohne Balsamico).
    Caprese, wie man sie kennt

    Die zweite im abgesägten HT-Rohr als Türmchen gebaut

    Caprese als Türmchen

    Die dritte avantgardistisch bearbeitet: Die Tomaten püriert, abgeschmeckt, gebunden und geschnitten. Der Büffelmozza püriert, zur Sphäre gegossen. Er platzt im Mund, das flüssige Innere gibt einen Mozza-Flash.

    Überraschung

     

    Jockel hat´s geschafft!

    Das ist Johannes Sengfelder, bis letzte Woche Auzubildender in unserem Restaurant „Weinstall“ in Castell.
    Für mich ein sogenannter „Classic Azubi“ (17 Jahre, Hauptschule, hier bin ich, mach einen Koch aus mir…)
    Er hat letzte Woche seine praktische Gesellenprüfung mit Note 1 bestanden. Gratulation von uns und dem gesamten Team!
    Theorie ist nicht seine Stärke, aber auch in diesem Bereich hat er sich wacker geschlagen. So viel kann ich verraten.

    Nachdem ich ihm in drei langen, strammen Ausbildungsjahren viel über den Sinn von Sekundärtugenden im Allgemeinen und beim Kochen im Speziellen beigebracht habe *seufz*, freue ich mich sehr, dass er am Prüfungstag seine wahre Stärke voll ausspielen konnte: Geschmack!

    Für einen knapp 21 Jährigen hat Johannes Sengfelder nämlich eine ganze Menge davon. Schon am Anfang seiner Lehrzeit stellte ich fest, dass er immer sorgfältig abgeschmeckt und auch immer alles neugierig probiert hat. Das ist das Wichtige beim Kochen. Mein Lehrchef, Adolf Burgthaler, hat es mir auch immer gesagt: abschmecken! nochmals abschmecken! abschmecken hilft immer!
    Nun kann Johannes Sengfelder als Koch auf den Rest der Menschheit losgelassen werden. Und denk immer dran: abschmecken!

    Hier sein Prüfungsmenü, erstellt aus einem Warenkorb:

    I. Gedämpfte Lachsforelle mit Knusperschinken, Pfifferlingscanelloni im Kräuterschaum

    II. Lammkaree mit Olivenkruste und Thymianjus, Ragout von feinen Bohnen, gefüllte Schmortomate, Kartoffelstampf mit Mostrich

    III. Mousse von Mascarpone, Honig und weißer Raspelschokolade, Aprikosenragout, Erdbeersorbet und Mandelkeks