Lesezeichen
 

Gutbürgerlich

Heute hat mein Vater eine Schweinsbrust ausgebeint, gefüllt und gebraten. Ein Gericht, wie es vor Jahrzehnten noch auf vielen Speisenkarten stand, gutbürgerlich im besten Sinne des Wortes.
Natürlich macht das mehr Arbeit (insgesamt ca 2h Arbeit und 3h Garzeit), als ein Stück Roastbeef im computergestützten Ofen bei niedriger Temperatur zu braten. Und ja, Schweinebrust und Bauch sind auch ein bischen fetter als es Putenbrust ist.
Aber es schmeckt, es begeistert und die Flanke des Schweins (Brust und Bauch) wird ganz verarbeitet, nichts bleibt übrig. Die Semmeln vom Vortag finden auch noch gute Verwendung.
Mein Vater hat 1954 den Beruf des Küchenmetzgers erlernt, einen Lehrberuf, den es so heute nicht mehr gibt, der die Schnittstelle zwischen Metzger und Koch besetzt. Später ist er Metzger- und Küchenmeister geworden. Seit fast 50 Jahren ist er mit meiner Mutter selbständig, führt nach Jahren als Gastwirt und Hotelier nun den Gasthof Bezold, zusammen mit der Villa Mittermeier in Familienbesitz. Mittlerweile, mit 70 Jahren, kocht er solche Gerichte nur noch, wenn er Lust darauf hat. Er ruft dann ein paar Leute an, die noch heute mittag der Schweinebrust den Garaus machen.
So eine Schweinebrust herzustellen ist anspruchsvoller, als einen Hummer abzukochen. Es gibt in der gutbürgerlichen Küche etliche Zubereitungen, bei denen es auf viel Gefühl, Erfahrung und Sachverstand ankommt. Ich meine dabei eine Küche, in der das Augenmerk auf der Fähigkeit liegt, einem guten, aber einfachen Grundprodukt sein Bestes zu entlocken. Das zu heben, was in jedem Stückchen Fleich oder Fisch liegt, das zu entdecken, was einfache Dinge wertvoll macht. Sich das fachliche Rüstzeug für diese Art von Küche anzueignen, ist harte Arbeit für viele Jahre. Frei von Schnickschnack und Moden, fernab von den Wasabi-Schäumchen dieser Welt und ohne sich auf den zeitgeistig publikumswirksamen Zucht-Perlhuhnbrüstchen auszuruhen.
Man könnte mal darüber nachdenken, wie es um diese Wurzeln solider Küchen-Handwerkskunst bestellt ist. Ob es, wenn sie dann ganz verschwunden sind, wenigsten guten Ersatz gibt?

Nachtrag

hier ist das Rezept

die Schweinebrust so wie auf dem Foto entbeinen. Wer das noch nie gemacht hat, findet da, wo er die Brust kauft, auch einen Metzger. Aus zwei Gründen ist es besser, hier den Fachmann ranzulassen:

  • ein falscher Schnitt, der zu tief geht, macht alles zunichte, weil die Brust sich dann nicht mehr füllen lässt
  • selbst Profis benutzen für diese Arbeit Stichschutz-Weste und Stichschutz-Handschuh. Safety first.

Den freundlichen Metzger Ihres Vertrauens können Sie dann gleich noch um Wurstgarn und um 800g Kalbsbrät bitten, die brauchen Sie später noch. Leihen Sie sich bei ihm auch gleich eine Garn-Nadel aus.

Untergreifen können Sie mit einem langen, dünnen, scharfen Messer selbst. Schneiden Sie dazu von der schmalen Seite her eine Tasche in die Brust. Lassen Sie an drei Seiten 5cm stehen. (s.Foto)

Für die Füllung:

8 Stück 2 Tage alte Semmeln in Scheiben geschnitten

1 grosse Zwiebel goldgelb angeröstet

½ l Milch

6 ganze Eier

20 g Salz (nicht zuviel! Lieber nachschmecken, weil Brötchen und Brät schon gesalzen sind)

Würzmenge Muskat und Pfeffer

abgeriebene Schale einer unbehandelten Zitrone

1Bund flache Petersilie, gewaschen und gehackt

800g Kalbsbrät

Vorbereitung:

die Hälfte vom halben Liter Milch erhitzen, auf die Brötchenscheiben giessen und abdecken, 10 min stehenlassen

die andere Hälfte der Milch mit den Eiern verkleppern

Die Zutaten nach und nach vermengen, die Masse in die Brust einfüllen und mit dem Wurstgarn zunähen. Ein gut ausgewaschenes Leintuch straff drumwickeln, mit dem restlichen Garn straff, aber nicht zu fest zuschnüren. In leicht gesalzenem Wasser bei ca 80°C für eine gute Stunde brühen.

Die Brust auswickeln und die Schwarte gleichmässig einschneiden, um die Spannung rauszunehmen. Achtung: nicht zu tief reinschneiden.

Auf der Schwartenseite nochmals leicht salzen, in einen Bräter setzen und bei ca 180°C schieben. Nach einer halben Stunde Röstgemüse zugeben, die Schweinebrust beim Garen immer wieder mit dunklem Bier übergiessen. Wenn sie in ihrem inneren 70°C heiß ist, kann sie tranchiert werden.

Varianten:

Gefüllte Kalbsbrust geht ganz genau so

die Füllung verträgt sich prima mit Pistazien und/oder gerösteten Mandeln/andere Nüsse

Eine Bereicherung sind kräftige Gewürze wie Kreuzkümmel, Quatre Epice o.ä.

Die gefüllte Schweinebrust ist ein sehr selbstbewusstes Gericht und verträgt herzhafte Würzung.

Was mir an diesem Rezept besonders gut gefällt: sie brauchen dazu unbedingt ihren Metzger, er wird sich freuen, wenn Sie ihn damit herausfordern.

Und nochwas: Ich hab nicht versprochen, dass das im Handumdrehen geht. Aber wenn Sie sich herantrauen, werden Sie mit einem Weltklasse-Ergebnis belohnt. Ich freue mich auf Feedback, natürlich mit Beweisfotos! Nur Mut!

 

WM-Studio Spielweg-Küche

Unsere Köche Carolina aus Marbella und Todd aus New Orleans sind, im Gegensatz zu Anne-Sophie aus dem Elsass, noch guter Hoffnung und hissen ihre Flaggen in unserem kleinen WM-Studio.
Der Fernseher wurde so platziert, dass er bestens von meinem Posten (Saucier) aus eingesehen werden kann.

 

Herzlich Willkommen bei NACHGESALZEN!

Christian Mittermeier ist familiär vorbelastet: Nahezu alle Verwandten haben mit Lebensmitteln zu tun. Sie sind Bäcker, Metzger, Wirte, Bauern, Brauer, Köche. Auch Mittermeier ließ sich zum Metzger und Koch ausbilden. Schon mit 23 Jahren machte er sich selbstständig. Mittlerweile betreibt er die Villa Mittermeier, einen kulinarischen Gemischtwarenladen aus Restaurant, Enoteca, Hotel, Kochschule und Cateringbetrieb. Nebenbei baut er Wein an und züchtet Bienen.
Christian Mittermeier ist Mitglied der Jeunes Restaurateurs d’Europe und engagiert sich für Slowfood.

 

Das Lächeln der Radieschen

© Miss X/Photocase

How to cook your life ist ein Film von Doris Dörrie aus dem Jahr 2006. Durch einen wunderbaren Zufall geriet ich damals in eine Talkrunde mit Alfred Biolek, Doris Dörrie und Edward Espe Brown, dem Protagonisten des Films und Verfasser des Büchleins Das Lächeln der Radieschen.
Das Thema in der Talkrunde war „Bringt Kochen Erleuchtung?“. Mehr davon später.

Doch jetzt noch schnell eine Radieschenzubereitung, bevor der Fränkische Spargel so richtig loslegt:

Radieschenblättersuppe
Radieschen gehören zur Familie der Kreuzblütengewächse. Einige davon enthalten Senföl. Es besteht eine Verwandtschaft mit Rukola, man kann die Blätter auch fast wie Rukola verwenden, sie sollten allerdings von ungedüngten Radieschen stammen.
Ich rate zur Verwendung von französischen Radieschen, das sind die schlanken rot-weißen. Man kann die Blätter zubereiten wie Spinat, als Salat oder klein geschnitten zum würzen von Risotto oder Nudeln.
Am liebsten koche ich daraus eine Suppe:
etwas Zwiebellauch anschwitzen, mit Geflügelbrühe aufgießen, kurz aufkochen, Löffel Schmand dazu, junge, gewaschene und grob geschnittene Radieschenblätter zufügen, Mixstab reinhalten, abschmecken, fertig.

Als Einlage empfehle ich Croutons, Radieschenscheiben und ein pochiertes Ei. Främkische Verwandte der Radieschen sind die „Eiszapfen“, die mir warm zubereitet auch sehr gut schmecken.
Wer Radieschen an sich einmal anders zubereiten möchte, dem empfehle ich hier eine Zubereitung, die sich besonders gut zum Spanferkel eignet:

Radieschen-Erbsenschotengemüse
200 g Erbsenschoten, geputzt
1 Bund französische Radieschen (weiß-rot)
3 Stangen Frühlingslauch, nur das Weiße und Hellgrüne, fein geschnitten
60 g Butter
2 EL fein geschnittener Schnittlauch
1 EL Sonnenblumenöl

Die Erbsenschoten in einer heißen Pfanne im Sonnenblumenöl kurz anschwenken. Fein geschnittenen Frühlingslauch und halbierte Radieschen zufügen und nur noch kurz erhitzen, da die Radieschen sonst ihre Farbe verlieren. Das Gemüse sollte gerade warm sein und schön knackig (Wok-Style). Mit Salz und Pfeffer abschmecken und die Butter sowie den Schnittlauch zufügen. Sofort servieren.

Buchtipps:
Edward Espe Brown „Das Lächeln der Radieschen – Zen in der Kunst des Kochens“   
Bernhard Glassman „Anweisungen für den Koch – Lebensentwurf eines Zen-Meisters“   

 

Mission grobe Bauernwurst

Schweineschulter und Schweinebauch

Mein Jagdfreund Martin, Metzgermeister und Wurstspezialist aus dem Kinzigtal, von meiner Mutter liebevoll „Jäger Unverdrossen“ genannt, hat seine Metzgereitüre schon längere Zeit hinter sich abgeschlossen.

Und damit sein Wissen um die gute Wurst, vor allen Dingen um die Gewürze, nicht verlorengeht, habe ich ihn gebeten, mir zu zeigen, wie diese Wurstspezialität hergestellt wird. Und das hat er tatsächlich gemacht.

Bauernbratwurst war unser Thema, einmal im Ø6cm Darm ganz normal gebrüht und als Rohesser im Ø2,8cm Schweinsdarm, eine Nacht angeräuchert.

Als erstes klärte mich Martin darüber auf, dass es nicht mehr „Bauernbratwurst“ heißen darf, weil wir Pökelsalz verwenden. Dann eben „grobe Bauernwurst“.

frischer Knoblauch und scharfe Messer im Fleischwolf

Am besten wird ganz frisches, nicht ausgekühltes Schlachtfleisch verwendet – das hatten wir in diesem Fall zwar nicht, aber Schweineschulter und -bauch, beides grob gewürfelt. Die Gewürze sind Metzgergeheimnis, da merkt man wirklich den Unterschied! Das gewürzte Fleisch wird durch die 3mm-Scheibe des scharfen Fleischwolfes gelassen und in einer Schüssel kräftig geknetet, damit die Bindung entsteht.

Rohesser im Schweinsdarm, Füllen ohne Luftblasen, alte Wurstgarnknotentechnik

Für die Brühwurst wird das Brät nun in Einmachgläser, Dosen oder in einen Darm gefüllt und im Dampf bei 95°C eine gute Stunde gebrüht.

Anders geht es mit den Rohessern, diese werden in der Hausmacher-Wurstfüllmaschine in Schweinsdärme gefüllt und im Kaltrauch ca. 24 Stunden geräuchert. Je nach Belieben kann man die Würste an einem luftigen Ort etwas trocknen lassen.

fertig zum Räuchern

Den Rest des Brätes haben wir probehalber mit Majoran verfeinert, die Würste kurz gebrüht und angebraten. Ob sie nun Bratwurst oder Bauernwurst heißen – sie sind super köstlich!

 

Musik im Dorf

Gegenüber von unserem Restaurant im Schloss Weikersheim hat die Musikalische Jugend Deutschlands ihren Sitz.
Junge Musiker aus der ganzen Welt geben während ihrer Studienkurse der Stadt ein ganz besonderes Flair. Viele von ihnen sind in dieser Zeit bei uns im Bistro oder im Restaurant zu Gast und kehren nach Jahren wieder als erfolgreiche und bekannte Künstler zurück, oft auch als Dozenten.
Eine besondere Freude war der Besuch des Miro Quartetts aus Austin Texas. Sie spielten Haydns Streichquartett F-Dur op.74/2, Luwig van Beethovens Streichquartett Nr.16 F-Dur op.135 und Debussy.
Da ich vor 20 Jahren in Austin als Koch gearbeitet habe, gab es nach dem Konzert noch einen kleinen Plausch über Tex-Mex Cuisine.
Für den Umtrunk vorweg habe ich die Happen spendiert, um die Arbeit des Freundeskreises der Jeunesses Musicales zu unterstützen.

von links nach rechts: Daniel Ching – 1.Violine, Joshua Gindele – Violoncello, Sandy Yamamotu – 2.Violine, Jürgen Koch – Koch, John Largess – Viola

Unter anderem gab es Hohenloher Entenleberparfait, hier das Grundrezept:

300 g Entenleber, geputzt
300 g Butter
1 Ei
Schalottenreduktion
Pastetengewürz, Tabasco, Meersalz, brauner Zucker

Zubereitung:
Die Leber putzen und würfeln. Die Butter schmelzen.
Im Küchenmixer die Leber und die Schalottenreduktion pürieren.
Lauwarme Butter langsam hinzufügen und abschmecken.
In eine Form füllen und bei 72° C cirka 45 Minuten indirekt pochieren. Nach dem Erkalten stürzen, aufschneiden und mit geröstetem Brot servieren.

 

ZEIT ONLINE sagt DANKE!


Seit September 2005 bloggte Vincent Klink, Sternekoch und Besitzer des Restaurants Wielandshöhe in Stuttgart für ZEIT ONLINE. Auf scharfzüngige und humorvolle Weise berichtete er über Ernährungsfragen, Hersteller und Verbraucher, stellte Festtags- und Alltagsgerichte vor und kommentierte Küchen-Trends. Aufgrund seiner zahlreichen Verpflichtungen in seinem Restaurant, als Buchautor und als Fernsehkoch wird Vincent Klink künftig nicht mehr als „Nachgesalzen“-Autor schreiben. Seine gesammelten Blogeinträge zum Nachlesen finden Sie hier.

 

Breakfast in America

Gleichaltrige werden sich noch an den Supertramp-Titel erinnern, ein klasse Song!

Und genau das haben wir gemacht, in New Orleans (wir sind zu Besuch bei unserem ehemaligen Koch John Besh, genau, der mit der Jambalaya).

Und im „Epizentrum“ der Cajun-Cuisine sind wir erst einmal ins French Quarter marschiert und haben in Café du Monde das traditionelle Frühstück bestellt. Es wird rund um die Uhr angeboten und ist recht überschaubar:
Beignets, also fettgebackene Krapfen mit reichlich Puderzucker, dazu Café schwarz oder mit Milch, im Sommer gibt’s das Ganze noch als „frozen“.
Bemerkenswert die lange Schlange vor dem Coffee to go-Schalter, wo man sich auch die Beignets mitnehmen kann.

Und eine super Jazzband unterhält die Gäste zwischen Trottoir und Café du Monde mit Charme, Witz und großem CD-Verkaufstalent!

Die Bude wurde 1862 gegründet, die Familie Fuchs ist seit 1861 im Spielweg, sappradi!