Eine fremde, mysteriöse Welt, ein Ränkespiel aus Familien, Königen und charismatischen Helden, ein bisschen Fantasy, etwas Martial-Arts, die eine oder andere Sexszene und ein internationales Ensemble vor spektakulären Kulissen: Nein, die Rede ist nicht von Game of Thrones, sondern von der neuen Netflix-Serie Marco Polo. Die Vergleiche hinken – und sind dennoch offensichtlich.
Schließlich ist Marco Polo die bis dato wohl eindeutigste Reaktion des Streamingportals auf den Kabelsender HBO. Dessen Game of Thrones ist eine der zurzeit erfolgreichsten Serien im Fernsehen, und Fantasy im historischen Gewand ist auch sonst angesagt bei den Zuschauern. Geschätzte 90 Millionen US-Dollar hat Netflix deshalb in Marco Polo investiert und das Action-Drama um den gleichnamigen italienischen Entdecker an internationalen Schauplätzen gedreht.
Als eine bombastische Serie wurde Marco Polo angekündigt. Als eine Serie, die es einmal mehr mit den Kinofilmen aufnehmen kann. Und als eine Serie, die Netflixs Ambitionen als Inhaltelieferant weiter stärken soll. In fünf Jahren wolle Netflix in den meisten Ländern verfügbar sein, sagte Programmchef Ted Sarandos erst vor wenigen Tagen, und dann möchte man bis zu 20 eigene Serien pro Jahr produzieren. Ambitionierte Pläne, aber der Erfolg gibt dem Unternehmen aus dem Silicon Valley Recht – bis jetzt.
Durchschnittliche Kritiken für Marco Polo
In diese Erfolgsgeschichte passt es nun scheinbar gar nicht, dass Marco Polo allem Bombast zufolge offenbar nicht zündet. Die Kritiken sind äußerst durchschnittlich. Als eine „bombastische Leere“ bezeichnet Oliver Kaever die Serie auf ZEIT ONLINE, „nicht-so-episch episch“ titelt der AV Club, TIMEnennt es ein „irrsinniges Chaos“. Auf Metacritic hat die Serie aktuell einen Kritiker-Score von 47 von 100.
Solche Reaktionen kennt man nicht bei Netflix. Und das, obwohl längst nicht alle eigenproduzierten ein Hit waren: Lilyhammer, Hemlock Grove und auch die vierte Staffel des wiederbelebten Arrested Development waren alles andere als perfekt. Doch sie wurden eben nicht als Flaggschiff-Shows beworben, die Netflix neue Abonnenten rund um den Globus besorgen sollten. Und unter den Kritikerlieblingen House of Cards, Orange is the New Black und auch Bojack Horseman sind sie leicht zu vergessen.
Bei Marco Polo wird das aufgrund der riesigen PR-Kampagne und Kosten schwieriger. Doch hat Netflix mit der der Serie den ersten großen Flop gelandet?
Nicht unbedingt. Auch wenn die genauen Zahlen nur Netflix selbst kennt und wie ein Geheimnis behütet, dürfte die Serie genau die Lücke zu den massenkompatiblen Inhalten füllen, die Netflix bis dato fehlte. Denn eines man darf nicht vergessen: Trotz aller positiven Stimmen waren die Netflix-Serien keine Crossover-Hits. House of Cards etwa wurde im deutschen Free-TV aufgrund miserabler Quoten mit einem Marathon schnell wieder beendet.
Netflix sucht die Mainstream-Lücke
Für den internationalen Erfolg aber braucht Netflix nicht nur anspruchsvolle Dramaserien, sondern eben auch andere Inhalte. Mit Marco Polo kommt Netflix deshalb in Sachen Eigenproduktionen endgültig im Mainstream an. Es ist Bombastfernsehen auf dem Stand der Zeit, hochpoliert, erzähltechnisch altbekannt und mit einigen Schockmomenten versehen. Das muss den Kritikern nicht gefallen, solange es die Nutzer letztlich angucken. Und tatsächlich sind die Metacritic-Bewertungen der Nutzer weitaus besser als die der Kritiker.
Für die Konkurrenz von HBO, dem traditionellen Fernsehen und anderen On-Demand-Diensten wie Amazon dürfte Marco Polo am Ende sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht darstellen. Schlecht, weil Netflix das Geld hat, um solche Serien überhaupt erst zu produzieren und dies auch in Zukunft weiter tun wird. Gut, weil sich auch Netflix nicht darauf verlassen kann, mit jeder neuen Serie die Fernsehgeschichte neu zu erfinden.
Dina Foxx, war da nicht mal was? Richtig, vor drei Jahren versuchte sich das ZDF mit Wer rettet Dina Foxx? an dem damals nach eigenen Angaben ersten crossmedialen Krimi im deutschen Fernsehen. Die Geschichte der jungen Protagonistin und einem mysteriösen Mordfall gab es im TV, wer die Auflösung wollte, musste dafür akribisch im Netz recherchieren. Jetzt ist Dina Foxx zurück, zumindest dem Namen nach. Dina Foxx – Tödlicher Kontakt ist keine Fortsetzung der Geschichte, sondern eine Fortsetzung des Formats. Es ist eine andere Dina, ein anderer Fall, aber wieder dürfen die Zuschauer im Internet miträtseln.
Das müssen sie aber nicht unbedingt, was gleich den wichtigsten Unterschied zum Vorgänger darstellt: Die Handlung von Tödlicher Kontakt ist abgeschlossen in den beiden 45-minütigen TV-Filmen, die am heutigen und kommenden Montagabend um 23:55 im ZDF (und am Sonntag um 19:30 auf ZDFneo) ausgestrahlt oder seit Sonntag auf der Website des Projekts gestreamt werden können. Dort gibt es exklusiv einige Hinweise und Details, die den Fall für die Zuschauer klarer machen.
Der beginnt so: Dina Foxx (Katharina Schlothauer) arbeitet in einem Berliner Burgerladen. Auf ihrer Geburtstagsparty beobachtet sie, wie ihr Bruder Aaron mit einem zwielichtigen Freund Pillen nimmt. Am nächsten Morgen klappt er sichtlich verwirrt auf der Straße zusammen und fällt ins Koma. Dina forscht nach und gerät in einen Kampf zwischen militanten Umweltschützern, einem Pharmakonzern, der genmanipulierte Tomaten auf den Markt bringen möchte und einer mysteriösen Seuche. Wie hängt das alles zusammen? Und vor allem: Wie kann Dina Aaron retten?
Tödliche Klischees
Wem das Drehbuch noch nicht genug Klischees bietet, der findet sie in der Inszenierung von Max Zeitler. Da ist die junge Berlinerin mit dem Pixie-Cut, die auf den Sofas ihrer Freunde pennt. Der immer wieder ins Englisch abdriftende Freund Jason, der neben seiner Rolle aus schluffiger Familienvater ein Hacker ist. Der mysteriöse Anzugträger mit Dreitagebart, der Dina folgt. Der durchgeknallte Wissenschaftler, der aus einem Lagerhaus heraus DNA-Sequenzen analysiert. Und das ist nur eine Auswahl der Stereotypen, die Dina Foxx allein im ersten Teil mit reichlich Zeitlupenaufnahmen, On-Screen-Media und viel hipper Musik in ein vermeintlich modernes Fernsehformat presst.
Nun lag der Reiz des ersten Teils von Dina Foxx ebenfalls nicht in der filmischen Umsetzung. Den Machern des Ufa Labs und der Redaktion des Kleinen Fernsehspiels gelang es damals vielmehr, parallel zur TV-Ausstrahlung den Zuschauern einen Mehrwert im Netz anzubieten. Drei Wochen lang durften die Fans rätseln, täglich kamen neue Hinweise auf der Website hinzu. Die Spurensuche führte sie durch extra angelegte Facebook-, Twitter- und Flickr-Accounts und brachte sie in einem Forum zusammen. Das war anspruchsvoll und funktionierte, auch wenn dem Experiment der große Erfolg verwehrt blieb.
Schnitzeljagd im Netz
Auf der Website finden die Zuschauer auch diesmal zusätzliches interaktives Material. Zum einen eine siebenteilige Webserie, die noch einmal rund 25 Minuten Material liefert und einige Details zur Verschwörung enthüllt. Zum anderen ein Spiel, in dem die Zuschauer nach einer Registrierung per E-Mail die erwähnte DNA aus dem Film analysieren müssen. Das tun sie, indem sie im Stil eines Smartphone-Games kleine Knobelaufgaben lösen und sich so Level für Level zur Lösung vorarbeiten.
Der interessanteste Teil aber ist die Ermittlung selbst. In ebenfalls sieben Folgen bekommen die Ermittler im Netz interaktive 360-Grad-Videos, die zusätzliche Hintergründe enthalten. In der ersten Folge geht es etwa um einen Talkshow-Auftritt zwischen einem Umweltschützer und der Chefin des Pharmakonzerns, der im Film nur kurz erwähnt wird. An einigen Stellen des Videos poppen kleine Rätsel auf, die es zu lösen gilt. Denn nur wer alle Rätsel und Levels des Spiels löst, kann den zweiten Teil des Films bereits vor der TV-Ausstrahlung nächste Woche freischalten.
An dieser Stelle erinnert Tödlicher Kontakt am ehesten an den Vorgänger. Denn damals wie heute müssen die Zuschauer selbst aktiv werden: Einige der Fragen lassen sich recht leicht über eine Google-Suche beantworten. Für andere muss man schon etwas genauer suchen. Erneut haben die Macher von Dina Foxx mehrere Domains registriert und „gefälschte“ Websites, Accounts und Videos erstellt.
Kompromiss aus TV und Web
Umso bedauerlicher ist es, dass die Umsetzung und Gestaltung so altbacken wirkt. Die Steuerung durch Videos und Rätsel ist mühsam, die Aufmachung der Website bieder. Beides steht im Gegensatz zum jungen und zeitgemäßen Anspruch, den Dina Foxx verfolgt. Dass es das ZDF technisch besser kann, hat es erst vergangene Woche mit der crossmedialen Doku Last Hijack gezeigt.
Vielleicht liegt es daran, dass die Website im Fall von Tödlicher Kontakt streng genommen eben nur ein Bonus ist. Wer vor drei Jahren den ersten Teil von Dina Foxx sah und die Lösung erfahren wollte, musste ins Netz gehen und dort drei Wochen lang die Hinweise verfolgen. Das war zwar ambitioniert, aber offenbar nicht massentauglich genug. Denn da die Auflösung nicht mehr zurück ins Fernsehen gespielt wurde, blieb sie lediglich einer verschworenen Community vorbehalten.
Für den zweiten Teil gehen die Macher deshalb einen Kompromiss ein: Wer den Fall nur im Fernsehen verfolgt, bekommt am Ende des zweiten Teils trotzdem die Lösung. Wer es nicht erwarten kann, kann online miträtseln und bekommt dabei noch Antworten auf einige ungeklärte Fragen und muss diesmal auch keine drei Wochen lang am Ball bleiben. Das ist zwar zuschauerfreundlich, aber längst nicht mehr so revolutionär.
Für viele Filmemacher ist die Sache einfach: Wer den viralen Erfolg sucht, geht auf YouTube. Wer einen professionellen Kurzfilm hat oder sein Portfolio vorstellen möchte, geht auf Vimeo. Die New Yorker Videoplattform hat zwar viel weniger Nutzer als YouTube, aber die werbefreie Plattform und die freundliche Community sind in der Szene geschätzt.
In einem Punkt ist Vimeo dem Branchenführer YouTube sogar voraus: Seit knapp anderthalb Jahren hat Vimeo mit Vimeo on Demand einen Dienst, über den Filmemacher ihre Inhalte zu selbst festgelegten Preisen anbieten können. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, könnte auch YouTube demnächst ein zusätzliches Bezahlmodell einführen. Wir sprachen mit Vimeos CEO Kerry Trainor über die Konkurrenz der Videoplattformen, die Entwicklung im On-Demand-Bereich und den Erfolg in der Nische.
Kerry Trainor: Wir können und wollen nicht mit Diensten wie Netflix konkurrieren und bemühen uns deshalb gar nicht erst um Kinohits oder die Online-Erstausstrahlung von TV-Serien. Uns interessieren die Inhalte, die durch die traditionellen Vertriebswege benachteiligt sind: Inhalte, die bereits im Web entstanden sind oder aus der Crowdfunding-Szene kommen.
ZEIT ONLINE: Deshalb können sich Filmemacher, die bereits eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne hinter sich haben, bei Ihnen um zusätzliche Unterstützung in Sachen Verleih und Marketing bewerben?
Trainor: Das ist eine Aktion, die wir testen. Viele Filmemacher witzeln darüber, wie sich die Bedürfnisse verändert haben. Wenn man sie vor fünf Jahren gefragt hätte, was ihr größtes Problem ist, dann hätten sie gesagt: Geld. Durch Crowdfunding ist die Finanzierung inzwischen gar nicht mehr so schwierig. Jetzt bekommen sie das Geld zusammen und merken dann erst: „Oh Mist, ich weiß ja gar nicht, wie ich den Film veröffentlichen soll“. Dabei liegt es ja auf der Hand, dass sie ihn auch in irgendeiner Form im Netz zeigen.
ZEIT ONLINE: Am 11. November erscheinen sechs neue Folgen der Comedy-Serie High Maintenance. Es ist die erste Eigenproduktion von Vimeo.
Trainor: High Maintenance ist ein Projekt, das sehr organisch entstand, weil die Macher bereits die Plattform erfolgreich genutzt haben. Seit wir im Frühjahr angekündigt hatten, neue Folgen der Serie zu unterstützen, haben wir bereits weitere Vorschläge für Produktionen bekommen, die wir gerade auswerten. Es ist definitiv ein Weg, den wir weiter verfolgen und den auch HBO und Netflix gegangen sind: Man beginnt als Plattform und guckt, was funktioniert, investiert dann gezielt in andere und wird schließlich zum Produzenten.
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ZEIT ONLINE: Anders als Netflix sichert sich Vimeo Titel nur für den kurzen Zeitraum von 30 Tagen exklusiv. Lohnt sich das denn?
Trainor: Keiner weiß, wie der Online-Video-Markt in einigen Jahren aussieht und was der ideale Weg ist, um die Inhalte an das Publikum zu bringen. Die ersten Jahre kannte Webvideo eigentlich nur ein Geschäftsmodell und das hieß Werbung. Dann kamen die Abo-Dienste wie Netflix und inzwischen gibt es diverse Plattformen für den Direktverkauf. Flexibilität und Freiheit sind sowohl für die Kunden als auch die Filmemacher immer wichtiger. Sie deshalb in ein einzelnes Modell zu zwingen, ist einschränkend, und es tut der Entwicklung des Markts nicht gut.
ZEIT ONLINE: Ist der Direktverkauf das Modell der Zukunft?
Trainor: Das kommt auf die Filmemacher an. Natürlich ist das klassische Modell mit Filmverleihen, Kino- und DVD-Veröffentlichungen immer noch lukrativ für viele bekannte Namen. Aber was ist mit den anderen? Wir sehen bei Vimeo on Demand, wie unterschiedlich die Schöpfer das Angebot nutzen. Einige verkaufen ihre Arbeiten zunächst auf Vimeo für ihre Hardcore-Fans und stellen sie später gratis auf YouTube. Andere nutzen Vimeo, um Zusatzmaterial oder Best-Ofs zu zeigen. Wieder andere zeigen einen Teil ihrer Arbeit frei und einen Teil gegen Bezahlung. Der Direktverkauf gibt ihnen in jedem Fall die Kontrolle über ihre Inhalte zurück.
ZEIT ONLINE: Vimeo hat in den vergangenen Monaten Deals mit einigen bekannten YouTubern abgeschlossen. Wollen Sie auch in Zukunft die Stars abwerben?
Trainor: Abwerben ist vielleicht der falsche Ausdruck. Wir sagen ja nicht, dass sie YouTube verlassen sollen. YouTube ist der wohl beste Ort, um ein Publikum aufzubauen. Aber es ist – außer für eine verhältnismäßig kleine Gruppe – kein guter Ort, um Geschäfte zu machen. Das Werbemodell verlangt eine hohe Anzahl an Abrufen, bevor es sich wirklich rechnet. Bis man dorthin kommt, können Jahre vergehen. Wir bieten den Machern an, YouTube zu nutzen aber gleichzeitig Inhalte direkt an die Fans zu verkaufen. Vimeo sieht sich also nicht als Konkurrent von YouTube, sondern als Ergänzung.
ZEIT ONLINE: Aber muss Vimeo denn nicht „demokratischer“ werden, um mehr Nutzer zu bekommen?
Trainor: Es ist ein Balanceakt. Vimeo wird weiterhin versuchen, qualitativ hochwertige Inhalte zu veröffentlichen. Aber natürlich sind wir eine offene Plattform, die jeder nutzen kann. Es nutzen ja nicht nur professionelle Filmemacher unseren Dienst, sondern auch Unternehmen, Organisationen, Studenten und Universitäten – alles Menschen, die aus verschiedenen Gründen mit YouTube nicht warm werden. Die Welt braucht ohnehin kein zweites YouTube. Die Welt braucht Angebote, die sich gezielt von YouTube unterscheiden in Sachen Community, Privatsphäre oder eben den erwähnten Verkaufsmöglichkeiten.
ZEIT ONLINE: Wie wichtig ist der europäische und deutsche Markt für Sie?
Trainor: Sehr wichtig, das sehen wir an den Zahlen der Abrufer, von denen immer mehr von außerhalb der USA kommen. Deshalb führen wir demnächst einige neue Funktionen ein, die unseren internationalen Nutzern zu Gute kommen. Demnächst werden sie nicht nur in US-Dollar, sondern auch in Euro und zehn weiteren Währungen bezahlen können. Außerdem arbeiten wir an zusätzlichen Sprachversionen unserer Website.
ZEIT ONLINE: Bemühen Sie sich denn, auch exklusive deutsche Inhalte zu bekommen?
Trainor: Zuletzt war einer unserer Mitarbeiter auf dem DOK Leipzig und sprach dort auf einer Konferenz. Die unabhängigen Filmemacher überhaupt erst einmal auf die Möglichkeiten einer Veröffentlichung im Netz aufmerksam zu machen, ist immer der erste Schritt.
Und dann kann man Pferde kotzen sehen. Am Ende der ersten Folge übergibt sich BoJack Horseman, Protagonist der gleichnamigen animierten Serie über den Balkon seines Anwesens in den Hollywood Hills. Ob es die Zuckerwatte war, die Pferde offenbar nicht vertragen, oder doch die Erkenntnis, dass seine Autobiografin und Ghostwriterin Diane ausgerechnet mit dem Schauspieler-Rivalen und dauerhechelnden Labrador Mr. Peanutbutter zusammen ist, bleibt fürs Erste unbeantwortet.
Moment, bitte was? Kotzende Pferde, sprechende Hunde, die Sex mit Menschen haben, Hollywood? Ja, es ist schon eine seltsame Welt, die BoJack Horseman seinen Zuschauern öffnet. Es überrascht nicht, dass sich einige Rezensenten bereits nach der ersten Folge wieder verabschiedet haben.
Doch sie verpassen etwas. Die Eigenproduktion des Streaming-Anbieters Netflix ist nämlich die beste Animationsserie für Erwachsene des Jahres. Dass Netflix für die Sprecherrollen bekannte Namen wie Will Arnett, Aaron Paul und Alison Brie gewinnen konnte, zeigt, wie ernst es das Unternehmen meint. Nach den erfolgreichen Dramaserien House of Cards und Orange is the New Black möchte Netflix künftig auch mit Animation punkten.
Die Hauptfigur BoJack Horseman war von den späten Achtzigern bis in die Neunziger der Star der Kult-Sitcom Horsin‘ Around. Geliebt von den Zuschauern, umgarnt von Hollywood. Doch nach dem Ende der Serie lief es nicht mehr rund, BoJacks Karriere erinnert mehr an Charlie Sheen als an Seinfeld: Der Suff, die Frauen, die Depressionen – inzwischen wankt der auf zwei Beinen stehende Hengst gewaltig. Mithilfe seiner Agentin, der pinken Perserkatze Princess Carolyn, und seines schmarotzenden Mitbewohners Todd soll BoJack endlich wieder Fuß in der Unterhaltungsindustrie fassen. Seine Memoiren sollen den abgehalfterten und missmutigen Star wieder ins Gespräch bringen.
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Was den Zuschauern neben dem etwas retromäßigen Animationsstil auffällt, ist das kuriose Ensemble. Anthropomorphisierte Figuren sind in Trickfilmen zwar üblich, doch selten wurde das Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren so normal wie bizarr erzählt. An keiner Stelle werden die Unterschiede explizit erwähnt und doch können sich die tierischen Protagonisten ihrer Herkunft nicht verwehren: Princess Carolyn hat einen Kratzbaum in ihrem Büro stehen, ein Navy Seal ist tatsächlich ein Seehund, ein Leichenbestatter kriecht in Form einer Made um einen Sarg herum, und BoJacks Verleger arbeitet für Penguin Publishing und ist, na klar, ein Pinguin.
Dass dieser kontinuierlich um seine Existenz bangt und unter anderem die Konkurrenz aus dem Netz von BuzzFeed fürchtet, ist eine der eindeutigeren Anspielungen auf den Konkurrenzkampf zwischen den traditionellen und den neuen Medien, die BoJack Horseman immer wieder einfließen lässt. So viel Meta-Medien-Kritik muss sein, schließlich hat Netflix als Streamingportal dem klassischen Fernsehen den Kampf angesagt.
Andere Gags sind subtiler. Zwar kommt BoJack Horseman um einige tief hängende Witze über Sexspielzeug und Stereotype nicht herum. Doch ähnlich wie in Arrested Development gelingt es den Autoren, im Verlauf der zwölf Folgen ein Netz aus Referenzen, aus Call-Backs und Cut-Aways zu spannen. Einige Anspielungen erklären sich erst nach mehreren Episoden, andere sind so unauffällig, dass man sie erst beim zweiten Mal versteht. 136 versteckte Easter-Eggs hat BuzzFeed in der ersten Staffel entdeckt.
Heiter an der Oberfläche, bitter im Kern
Dass dies funktioniert, liegt an der für Animationsserien ungewöhnlichen Chronologie, die BoJack Horseman verfolgt. Serien wie die Simpsons oder Family Guy bestehen aus in sich abgeschlossenen Folgen. BoJack Horseman dagegen erzählt in den zwölf Episoden der ersten Staffel eine durchgehende Geschichte. Die wird zwar ebenfalls in jeder Folge durch zusätzliche Handlungsstränge angereichert, doch je länger die Serie geht, desto vielschichtiger wird sie.
In dieser Hinsicht ist BoJack Horseman eine typische Netflix-Serie. Jede Episode geht ohne Rückblick in die andere über, was das von Netflix propagierte binge-watching vieler Folgen am Stück nicht bloß zur Option, sondern fast zur Pflicht macht.
Auf der einen Seite ist BoJack Horseman eine beißende Satire der Medien- und Unterhaltungsbranche. Es geht um die bekannte Geschichte des schnellen Aufstiegs und des langsamen Falls. In der Hollywood-Mühle gefangen versucht BoJack vor allem, möglichst viel Ruhm und Anerkennung zu erlangen. Und er ist nicht allein: Seine frühere Sitcom-Kollegin hat sich von einem Teeniestar zu einem dauerfeiernden Drogenwrack gewandelt, seine Agentin steht ebenso unter Druck wie die Autorin Diane, die eigentlich lieber Romane schreiben möchte und aufgrund ihrer besonnenen Art inmitten der Hollywood-Chaoten deplatziert wirkt. In BoJack Horsemans Welt ist niemand wirklich glücklich.
Das ist die andere Seite der Serie, die Margaret Lyons von Vulture als die „lustigste Show über Depression alle Zeiten“ bezeichnet. BoJack ist ein Rüpel, der seine Freunde mit Ignoranz und Lügen bestraft. Doch seine Beweggründe sind nur allzu menschlich. An den Rückblicken auf seine schwere Kindheit und der Erzählung seines schwierigen Verhältnisses zu seinem inzwischen krebskranken Entdecker und Mentor zeigt sich die Komplexität der Serie.
BoJack Horseman führt die Zuschauer in eine Welt aus bunten Tieren und zahlreichen Gags. Hinter denen versteckt sich jedoch ein ernsthafter Kern, der von Animationsserien bis dato kaum oder gar nicht verarbeitet wurde. Netflix, das nicht auf Quoten angewiesen ist, kann sich dieses erzählerische Risiko erlauben. In gewisser Hinsicht ist die Serie so bipolar wie ihr Protagonist: Hier steht ein kotzender Alphahengst, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Dort ein Mensch, der nach dem Sinn in seinem Leben sucht.
„BoJack Horseman“ läuft auf Netflix in Englisch, auf Deutsch und mit Untertiteln. Mehr Informationen über Netflix finden Sie hier.
Star Wars Episode VII kommt erst im nächsten Jahr in die Kinos. Doch die Fans der Weltraumsaga haben mindestens genauso sehnsüchtig einen weiteren Film erwartet: Star Wars Uncut: The Empire Strikes Back. Der zweite Teil der wohl wildesten, buntesten und vielleicht auch besten Fanverfilmung aller Zeiten ist seit dem vergangenen Wochenende im Netz zu sehen.
Die Idee hinter Star Wars Uncut datiert in das Jahr 2009 zurück: Der damalige Vimeo-Entwickler Casey Pugh teilte den ersten Star Wars-Film in 472 Einzelszenen ein. Jede war genau 15 Sekunden lang. Im Internet rief er die Fans anschließend auf, sich eine Szene rauszupicken und sie zu verfilmen. Die Anforderungen waren gering: Ob Animationen, Stop-Motion, Live-Action oder Puppenspiel, so ziemlich alles war erlaubt. Hauptsache, sie enthielten die Dialoge des Originals und die Szenen und Figuren waren zumindest grob erkennbar.
Die Einsendungen erschienen anschließend auf der Website des Projekts, für das Pugh 2010 sogar einen Emmy in der Kategorie „Interactive Ficiton“ gewann. Doch erst zwei Jahre später erschien der Film dann komplett zusammengeschnitten auf Vimeo. So lange dauerte es, bis die Rechte geklärt waren. Die Reaktionen auf den Film waren riesig, auch wir vom Netzfilmblog haben damals berichtet.
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Mit The Empire Strikes Back Uncut erscheint nun der zweite Teil des Crowdsourcing-Projekts. Gleiche Idee, anderer Film. Mit einem Unterschied: Diesmal haben sich Initiatoren bereits vorab die Erlaubnis von Lucasfilm (inzwischen Teil von Disney) geholt, weshalb der Film auch im offiziellen Star Wars-Kanal auf YouTube läuft und mit einem Hinweis auf die anstehenden Fan Film Awards versehen ist.
1.500 Einsendungen kamen für die insgesamt 480 Einzelszenen zusammen. Die haben es wieder in sich. Wie schon der erste Teil ist Star Wars Uncut auch in der zweiten Ausgabe vor allem eine Ode an die Kreativität. Jede Einzelszene trägt unweigerlich den Charme ihrer Macher. Die Qualität variiert, verwackelte Handyaufnahmen treffen auf semiprofessionelle Animationen, aufwendige Kostüme auf kuriose Improvisationen, aber genau diese wilde Mischung macht Star Wars Uncut aus.
Kann man das überhaupt am Stück angucken? Sicher, aber mit über zwei Stunden Laufzeit strapaziert die bunte Collage die Aufmerksamkeitsspanne seiner Zuschauer. Deshalb reicht es manchmal auch, immer mal wieder durchzuzappen. Denn witzige Ideen, kulturelle Referenzen (zum Beispiel an Minecraft oder Edvard Munchs Der Schrei) gibt es in Star Wars Uncut im Minutentakt.
Fanverfilmungen als akzeptiertes Genre
Star Wars Uncut war nicht die erste Fanverfilmung, die im Internet entstanden ist, aber sie hat das Genre wesentlich mitgestaltet. Gemeinsam mit Projekten wie Jamie Bennings Filmumentarys, aber auch mit den immer beliebteren Supercuts oder Beiträgen aus der Fan Fiction, haben inzwischen viele Rechteinhaber erkannt, dass die Kreativität der Fans ihrem Produkt nicht schadet. Im Gegenteil, es wird dadurch sogar aufgewertet.
Dass Disney dem Projekt inzwischen offiziell unterstützt, ist vielleicht die größte Leistung von Star Wars Uncut: Es ist ein dezenter Hinweis, dass Mash-ups als Kulturtechnik langsam, aber sicher an Ansehen gewinnen. Vor allem, wenn sie so kreativ sind wie Star Wars Uncut. Möge die Crowd mit ihnen sein!
Für Ophir Kutiel beginnt dieser Abend im Jahr 2009 wie einer von vielen. Der israelische Musiker klickt sich auf YouTube auf der Suche nach Inspiration und Tipps durch Videos von Schlagzeugern, als ihm zum wiederholten Mal eine Archivaufnahme des legendären Drummers Bernard Purdie begegnet. Kutiel gefällt der Beat und er beginnt, das YouTube-Video mit seinem eigenen Bass und Keyboards anzureichern. Am nächsten Morgen hat Kutiel nicht nur einen neuen Song zusammen, sondern eine Idee: Was wäre, wenn er ein komplettes Album aus YouTube-Videos aufnehmen könnte?
Knapp zwei Monate später veröffentlicht Kutiel, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Kutiman, das Projekt Thru Youauf einer Website, die vom Design an das damals noch immer verhältnismäßig junge YouTube angelehnt ist. Sieben Songs hat Kutiman dafür aufgenommen, oder besser: zusammengemischt. Denn Thru You besteht allein aus den Einzelvideos von Hobby- oder semiprofessionellen Musikern: hier ein Drumbeat, hier ein Gitarren-Riff und dort eine geloopte Stimme, alles passgenau zusammengeschnitten in eine Melange aus Funk und Soul.
Thru You ist ein Erfolg für den damals 27-jährigen Kutiman, der bereits mit sechs Jahren Klavier spielte und später Jazz am Rimon Music College in Tel Aviv studierte. „Ich war darauf nicht vorbereitet“, sagt Kutiman heute, der es mit Thru You bis in die Feuilletons schafft und dessen Karriere durch das Projekt einen großen Schub bekommt, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits ein respektables Debütalbum veröffentlicht hatte.
Zwei Jahre später tritt er als Vorband seines Idols DJ Shadow in Tel Aviv auf, die Poprocker von Maroon 5 klopfen an und möchten einen Remix im Stile von Thru You. Kutiman reist um die Welt und bastelt neue Videos aus den Sounds von Tokio, Krakau und Jerusalem und spielt mit einem Streichorchester im New Yorker Guggenheim Museum.
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Jetzt, fünf Jahre nach Thru You, steht der Nachfolger des Projekts an. Vergangene Woche veröffentlichte Kutiman mit Give it Up den ersten Track von Thru You Too auf YouTube, ein zweiter folgte am Dienstag. Das komplette Album soll am 1. Oktober erscheinen – natürlich gratis im Netz, „dort kommt es her, dort gehört es hin“, sagt Kutiman.
Das Prinzip ist das gleiche, die Ergebnisse ähnlich faszinierend. Erneut gelingt es Kutiel, aus teilweise obskuren Einzelvideos zusammenhängende Lieder zu komponieren. Der erste Song Give it Up enthält unter anderem das Klavierspiel einer Sechsjährigen und den sanften A-capella-Gesang einer Frau, aufgenommen mit der Smartphone-Kamera.
Keine 20.000 Abrufe hatte das Video, bevor es Kutiman entdeckte. „Ich verbringe viel Zeit auf YouTube“, erklärt Kutiman gegenüber Billboard seinen Arbeitsprozess, „manchmal mache ich einfach 20 Browser-Tabs mit Bass-Spielern auf und höre, welches am besten passt.“ Knapp vier Monate hat die Arbeit an Thru You Too gedauert.
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Kutimans Ansatz ist nicht neu, folgt er doch der Tradition des Samplings, das vor allem im Hip-Hop und der elektronischen Musik seit Jahrzehnten verbreitet ist. Doch mit Thru You gelang es ihm mithilfe von YouTube, den Samples ein Gesicht zu geben. Denn tatsächlich entfalten die Songs erst gemeinsam mit den Videos, im Zusammenspiel mit dem Ausgangsmaterial ihre Wirkung.
In dieser Hinsicht sind Thru You und sein Nachfolger sowohl virale Meta-Mashups als auch eine Hommage an YouTube, das einen maßgeblichen Anteil an der jüngeren Remix-Kultur hat und noch weitere bekannte YouTube-Künstler hervorbrachte: Den Australier Pogo etwa, der mit seinen Disney-Mashups bekannt wurde. Oder Andrew Huang, der seine Lieder regelmäßig aus Alltagsgegenständen komponiert.
Wie seit jeher das traditionelle Sampling, bleibt das YouTube-Sampling allerdings nicht ohne Gefahren im Sinne des Urheberrechts. Denn Kutiman fragt die Urheber der Clips nicht um Erlaubnis, auch wenn er ihnen stets kollektiv dankt und die Credits unter den Songs mitliefert. Dennoch kritisierte die Cellistin, die in Give it Up vorkommt, zunächst, dass Kutiman ihr Video ungefragt verwendet hat. Inzwischen habe man die Sache aber besprochen und sie sei glücklich, ein Teil des Projekts zu sein, heißt es.
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1,5 Millionen Abrufe zählt Give it Up bereits nach einer knappen Woche und lässt keinen Zweifel daran, dass Thru You Too ein ähnlicher Erfolg wird wie sein Vorgänger. Ophir Kutiel sind die Klickzahlen egal. „Es geht mir nicht um Geld“, sagt er. Überhaupt könne er schlecht Profit aus den Videos anderer Menschen schlagen. Dass er ihnen einen Teil seiner Karriere verdankt, ist schließlich schon genug.
Dieses Jahr kam dann also doch der rote Teppich raus, sorgfältig ausgerollt auf dem Vorhof des Düsseldorfer Capitol Theaters. Vergangenes Jahr wählten die Veranstalter des Deutschen Webvideopreises noch die blaue Variante. Doch da gab es auch noch weniger Kamerateams, die den geladenen Gästen auf Schritt und Tritt folgten.
Zum vierten Mal wurden am Samstagabend die „Oscars der Generation YouTube“ für die besten deutschsprachigen Webvideos des vergangenen Jahres verliehen. Die Gewinner in den insgesamt 14 netzaffinen Kategorien bestimmten zur Hälfte die Menschen im Netz, indem sie die nominierten Videos in den sozialen Netzwerken teilten. Die andere Hälfte der Stimmen kam von den Mitgliedern der European Web Video Academy, zu denen auch die Vorjahresgewinner zählten. 7.000 Videos wurden in diesem Jahr eingereicht, 78 schafften es in die Endauswahl.
Joko, Klaas und die Droge Internet
Dass der Preis von einem kleinen YouTuber-Klassentreffen zu einer der größten deutschen Webvideo-Veranstaltungen herangewachsen ist, zeigte sich schon vergangenes Jahr mit dem Umzug in das Düsseldorfer Capitol. Und auch diesmal präsentierte sich die deutsche Webvideoszene als eine Sammlung junger Menschen, die wahlweise in Anzug, Abendkleid oder auch im Bademantel durch die Menge flanierten, stets begleitet von Kameras in allen Formen und Größen.
Durch die Veranstaltung führten erstmals Joko und Klaas, das eingespielte Moderatoren-Team von Circus Halligalli. Ausgerechnet die vom Fernsehen, könnte man sagen. Doch die beiden spielten geschickt mit ihrer Rolle als Vertreter des „alten Mediums Fernsehen“ im Angesicht der „Droge Internet“, wie sie scherzhaft die Show eröffneten.
Dem Preis tat diese frische Moderation gut. Joko und Klaas feixten und witzelten kurz mit den Gewinnern jeder Kategorie auf der Bühne und nicht zuletzt auch mit sich gegenseitig. Überhaupt waren Bühnenbild und Ablauf in diesem Jahr dynamischer, die Gala wirkte insgesamt weniger gedrungen als noch bei der letzten Ausgabe.
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Unter den Gewinnern fanden sich erneut eine bunte Mischung aus Musik, Games und auch den ein oder anderen kuriosen Beitrag, wie der des Hobbybastlers Jörg Sprave in der Kategorie OMG, in dem er eine nicht ganz ernst gemeinte Apparatur zum schmerzhaft-fachgerechten Anlegen von Kondomen vorstellte.
Auch die bekannten deutschen YouTuber durften nicht fehlen: Dr. Allwissend gewann in der Kategorie FAQ mit einer Erklärung, wieso die Menschen von Natur aus schüchtern sind. LeFloid, aktuell für den Grimme Online Award nominiert, war in der Kategorie VIP mit seiner kreativen Nachrichtensendung LeNews erfolgreich. Und auch der Videospieler Gronkh durfte sich nach einer Pause im vergangenen Jahr wieder freuen: Seine 1000. Episode des Spiels Minecraft wurde in der Kategorie Let’s Play nominiert – Gronkh bedankte sich stilecht per Videogruß aus Los Angeles.
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In der Kategorie Action gewann Sebastian Linda. Den Leipziger Filmemacher und seinen Skateboard-Film The Revenge of the Beasts hatten wir auch auf ZEIT ONLINE bereits porträtiert. Sein Beitrag ist ebenso künstlerisch wertvoll wie der Song S.p.a.m. der beiden Berliner Musiker Fewjar, die in der Kategorie Now Playing gewannen – und dafür großen Applaus bekamen.
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Und dann war da noch Didi, bürgerlich Dieter Schweiger. Seit 30 Jahren betreibt Didi einen Obststand an der LMU München und seit diesem Jahr ist er auch Webvideo-Star. Ein bewusst überdrehter Imagefilm für seinen Obststand gefiel dem Publikum so gut, dass es ihn in der Kategorie Win zum Sieger wählte. „Ich habe zwar eine Facebook-Seite“, sagt Didi, aber er selbst würde nur selten „ins Kastl gucken“, wie er den Computer nennt. Mit den jungen Menschen fühle er sich aber dennoch verbunden. Die seien schließlich seine besten Kunden.
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Der Auftritt des Münchner Obsthändlers war eines von zwei großen Highlights. Das andere war ein Auftritt mehrerer YouTuber, die gemeinsam den Song Hey, Mr. Nazi coverten. Die Aktion gegen Fremdenhass war ein Erfolg auf YouTube und zeigte auch beim Deutschen Webvideopreis das Potenzial des Mediums für gesellschaftskritische Themen und gemeinschaftliche Aktionen – auch wenn der Rapper Simon Desue zwischendurch seinen Text vergaß. Doch ein bisschen Improvisation gehört eben auch zum Webvideopreis.
Rapper, Würste, Penisse
Gleich in drei Kategorien, Newbie, AAA und Epic, gewann der Rapper Kollegah. Kollegah hatte erst vor einem halben Jahr seinen YouTube-Kanal Bosshaft TV gestartet und bereits über 46 Millionen Abrufe gesammelt. Nicht überraschend, steht er doch aktuell ganz oben in den Charts und hat über 1,5 Millionen Facebook-Likes. Dass er dadurch einen kleinen Wettbewerbsvorteil im Beliebtheits-Voting hatte, kann wohl niemand abstreiten. Gleichzeitig zeigt es die Probleme eines Publikumspreises, wenn ein klassisches Musikvideo dadurch gleich dreimal YouTube-Formate aussticht.
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Als Kollegah am Ende noch den Hauptpreis in der Kategorie Epic einheimste, kamen sogar vereinzelte Buh-Rufe auf. Diesen Erfolg gönnten die Webvideo-Fans im Saal dem Musiker dann offenbar doch nicht. Zumal dieser bereits bei der Annahme des Preises in der Kategorie Newbie für Unmut sorgte, als er einen Freund auf die Bühne bat, der prompt die Hose runterzog und anschließend zwei Biergläser auf die Bühne warf.
„Jetzt haben wir wohl unser eigenes Penisgate“, sagte der Veranstalter Markus Hündgen etwas zerknirscht. Besonders gefallen haben dürfte ihm der kleine Skandal nicht, denn die Gala wurde auch live auf YouTube ins Netz gestreamt und sollte eigentlich jugendfrei sein. Dass wenig später eine Düsseldorfer Metzgerei Würste an das Publikum verteilte, machte die Witze auf und abseits der Bühne nicht besser. Das offizielle Hashtag #wvp14 stünde in Wahrheit für „Webvideopenis“, twitterte der Journalist Daniel Fiene.
Wo waren die Frauen?
Insgesamt präsentierte sich der Deutsche Webvideopreis 2014 als eine testosterongeschwängerte Angelegenheit: Von den beiden männlichen Gastgebern hin zu den Nominierten gab es vor allem: viel Krawall, viel Geballer, viele Muskeln und viel Alltagssexismus in lustigen Reimen und bunten Bildchen verpackt. Etwas, das leider noch immer die Vorurteile gegenüber der YouTube-Szene in Deutschland bestätigt, obwohl diese längst mehr zu bieten hat.
Die größere Enttäuschung aber ist, dass der Preis die Frauen der Szene nahezu komplett ausblendete. Am Ende standen Gewinner in 14 Kategorien gemeinsam auf der Bühne – es war keine einzige Frau dabei. Zwar waren unter den Nominierten mehr Webvideomacherinnen als noch in den vergangenen Jahren, doch gegen die bekannten männlichen Stars konnten sie beim Publikum nicht bestehen.
Das hatte Marie Meimberg schon vor der Gala erwartet. Die Berlinerin war in der Kategorie Newbie mit einem Video nominiert, in dem sie zeichnet, wie ihr Opa Fahrrad fahren lernt. Dass sie gegen die Konkurrenz um Rapper Kollegah allenfalls eine Außenseiterchance hatte, war ihr klar: „Ich bin trotzdem froh, dass inzwischen mehrere Frauen nominiert waren, die nicht bloß Schmink-Videos drehen“, sagte Meimberg nach der Veranstaltung.
Auch der Veranstalter Markus Hündgen zeigte sich am Ende überrascht, dass es nicht eine Frau bis auf die Bühne schaffte. „Wir hoffen und arbeiten daran, dass der Anteil weiblicher Webvideomacher in den nächsten Jahren weiter steigt“, sagte Hündgen. Dem Deutschen Webvideopreis und der gesamten deutschen YouTube-Szene stünde das mindestens genauso gut wie die Abendgarderobe auf dem roten Teppich.
Die Zahlen sind und bleiben beeindruckend: In den Abendstunden entfallen inzwischen 34 Prozent des gesamten Internetverkehrs in den USA auf das Videoportal Netflix. Das ist so viel, dass das Unternehmen vor einigen Monaten sogar die großen Internetanbieter dafür bezahlte, die Streams der Filme und Serien doch bitte möglichst ruckelfrei durchzuleiten – und damit eine neue Diskussion um das sogenannte Zwei-Klassen-Internet auslöste.
Jetzt kommt Netflix nach Deutschland, das bestätigte das US-Unternehmen am Mittwoch. Bis jetzt war der Video-on-Demand-Dienst (VoD) in Europa lediglich in den skandinavischen Ländern, den Niederlanden und Großbritannien vertreten. Ein offizielles Datum für den deutschen Start gibt es noch nicht, es dürfte Insidern zufolge aber auf Ende des Jahres hinauslaufen.
Vor einigen Jahren machte Netflix seinen Hauptumsatz noch mit dem Verleih von DVDs per Post, inzwischen ist das börsennotierte Unternehmen der größte und bekannteste Streamingdienst für Filme und Serien der Welt. In den USA kostet die monatliche Mitgliedschaft gerade einmal 8,99 Dollar, dafür bekommen die Kunden die größte Auswahl an TV-Inhalten im Netz geboten. Wie es im aktuellen Geschäftsbericht heißt, glaubt Netflix, dass das internationale Geschäft den US-Markt früher oder später überholen wird.
Mit selbst produzierten Serien zum Erfolg
In den USA ist Netflix längst eine kulturelle Institution. Mit mehr als 30 Millionen Abonnenten hat der Dienst in den USA mehr Kunden als der Kabelkanal HBO, mit dem Netflix oft verglichen wird. Ab Mitte der neunziger Jahre revolutionierte HBO mit Serien wie den Sopranos, The Wire und Six Feet Under das amerikanische Fernsehen: Sozialkritische Themen, komplexe Erzählungen, Antihelden und bisweilen explizite Sex- und Gewaltdarstellungen – all das galt im quotengetriebenen TV-Geschäft als Kassengift. Doch je mehr Zuschauer zu HBO wechselten, desto mehr öffneten sich die Fernsehsender neuen Inhalten.
Auch Netflix betreibt hochwertiges Original Programming, wie die Produktion eigener, exklusiver Inhalte heißt. Und revolutioniert damit ebenfalls die Branche: Als das Unternehmen vor zwei Jahren erstmals die selbst produzierte Serie House of Cards mit Oscar-Gewinner Kevin Spacey in der Hauptrolle ankündigte, war das eine Zäsur in der Filmindustrie. Zuvor waren Streamingdienste vor allem Zweitverwerter, die Inhalte von den Produktionsstudios, von den Kabelsendern und internationalen Verleihen für viel Geld einkauften.
Netflix hat gezeigt, dass auch ein reiner Onlinedienst qualitativ mit den Fernsehprogrammen mithalten kann. 100 Millionen US-Dollar soll die erste Staffel von House of Cards gekostet haben. Wie viele Abonnenten die Serie tatsächlich sahen? Darüber schweigt Netflix bis heute. Doch kaum jemand bezweifelt, dass es sich gelohnt hat. Inzwischen hat das Unternehmen ein halbes Dutzend Originalserien im Angebot, neben House of Cards die Gefängnisserie Orange is the New Black, die wiederbelebte Sitcom Arrested Development und die Horrorserie Hemlock Grove. Mehrere exklusive animierte Kinderserien sind noch für dieses Jahr geplant.
Die Möglichkeiten des Web nutzen
Netflix möchte aber nicht bloß qualitativ mit dem klassischen Fernsehen mithalten, sondern auch die Sehgewohnheiten revolutionieren. Der Autor Tim Wu nennt es einen „Krieg gegen die Massenkultur“. Da Netflix – wie auch HBO – nicht auf Quoten und Werbung angewiesen ist, können sie ihre Inhalte anders ausliefern. So, wie es die Zuschauer eigentlich bevorzugen, glaubt das Unternehmen. Serien wie House of Cards strahlt das Portal deshalb nicht nacheinander aus, sondern bietet die komplette Staffel auf einmal an, damit die Zuschauer sofort eintauchen können. Das sogenannte binge viewing, der Konsum von Serien am Stück, ist dank Netflix zum geflügelten Wort in der Branche geworden.
Zum anderen nutzt das Portal die Möglichkeiten der Vernetzung und Big Data: Netflix kennt das Sehverhalten seiner Nutzer ganz genau. Auf die Minute genau kann das Portal analysieren, wann ein Zuschauer was guckt und wann er ausschaltet. Auf Basis der Vorlieben ist es Netflix möglich, individuelle Programmpläne und Empfehlungen zu erstellen. Der Vorteil des Streamings: Die Inhalte sind jederzeit verfügbar, und die Zuschauer sind, im Gegensatz zum linearen Fernsehen, auf Netflix ihre eigenen Programmdirektoren. Wie Tim Wu schreibt, wird diese Form des „Konsums per Mausklick“ für die kommenden Generationen die erste Wahl sein.
In Deutschland ist noch Platz für Netflix
In Deutschland betritt der Dienst einen Markt, der zwar nicht groß, aber zersplittert ist. Mit Apple iTunes, Google Play und Amazon Prime Instant Video (ehemals Lovefilm) sind zum einen drei große Konzerne mit ihren Filmplattformen bereits vertreten. Auf der anderen Seite stehen die klassischen VoD-Portale: Maxdome, ein Angebot von Pro7/Sat1, Watchever, das von der französischen Vivendi-Gruppe betrieben wird, oder Videoload von der Deutschen Telekom. Dazu kommen Portale von Kabelanbietern wie Kabel Deutschland oder Vodafone, sowie Nischendienste wie etwa realeyz für Arthouse-Filme oder das werbefinanzierte Netzkino.
Stefan Schulz, Geschäftsführer von Watchever, sieht die drohende Konkurrenz gelassen. Man sei stark genug, um auch gegen Netflix bestehen zu können. Tatsächlich arbeitet auch Watchever inzwischen an Eigenproduktionen und trumpft mit Inhalten aus dem europäischen Ausland auf wie der Zombieserie The Returned.
Doch können die deutschen Anbieter auf Dauer mit dem weltweiten Marktführer mithalten oder entscheiden sich die Kunden nicht zuletzt doch nur für den Dienst, der sowohl die beste Auswahl als auch die beste Umsetzung hat?
In nahezu allen gängigen Spielkonsolen, mobilen Betriebssystemen, Set-Top-Boxen, Smart-TVs und Streaming-Sticks wie Chromecast ist Netflix als App bereits integriert – ein technischer Vorsprung, der für deutsche Anbieter nur schwer aufzuholen ist. Zudem könnte Netflix als US-Unternehmen etwas mitbringen, das die deutschen Plattformen noch immer nicht für alle Inhalte anbieten: eine Bibliothek an Filmen und Serien im Originalton, am besten natürlich möglichst aktuell.
Möglicherweise könnte Netflix eigene Serien nicht streamen
Doch ausgerechnet hier könnten die Erwartungen enttäuscht werden. Die Hoffnung, dass Netflix in Deutschland für einen monatlichen Abo-Preis von etwa 10 Euro das komplette US-Serienangebot abdeckt, dürfte sich kaum bestätigen. Dafür sind die Lizensierungsmodelle zu komplex, zumal diese oft von Land zu Land verschieden sind, und in Deutschland die bestehenden Plattformen bereits exklusive Deals mit Studios und Verleihen abgeschlossen haben.
Ein Beispiel: Amazon hatte sich vor wenigen Wochen die Rechte an älteren HBO-Serien gesichert. Sollte der Deal international gelten, hätte Amazon auch in Deutschland einen Vorteil gegenüber Netflix. Aktuelle HBO-Serien wie Game of Thrones oder True Detective dagegen wird es zunächst weder bei Amazon noch auf Netflix per Stream geben – die laufen nämlich exklusiv auf Sky.
Es könnte noch kurioser werden, nämlich wenn Netflix seine eigenen Serien in Deutschland nicht streamen dürfte. Der deutsche Sky-Programmchef Gary Davey sagte Die Presseim Januar als Antwort auf eine mögliche Netflix-Expansion, dass Netflix‘ House of Cards „nicht in absehbarer Zeit“ in Deutschland zeigen könne, da Sky die Rechte für Deutschland besitzt.
Am Ende wird es auf die Frage hinauslaufen, ob Netflix es gelingt, seine ebenso große wie aktuelle Bibliothek von Filmen und Serien im schwierigen deutschen Markt zu etablieren. Im besten Fall könnte Netflix in Deutschland das Gleiche gelingen wie in den USA: Dort ist das Streaming nicht mehr bloß eine Ergänzung zum traditionellen Fernsehen, sondern eine Alternative.