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„Brief aus der Provinz“ – das NSU-Medienlog vom 6. Mai 2013

 

Ab sofort fassen wir an jedem Werktag die wichtigsten Berichte klassischer Medien, Blogs, Videos und Tweets zusammen – und beginnen mit einem Überblick über das Wochenende vor dem heutigen Prozessbeginn.

Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Türkische Decknamen: Die Berliner Polizei soll V-Männern mit Kontakten zur NSU türkische Decknamen gegeben haben, ein Thema, das die türkischsprachige Zeitung Hürriyet schon seit einigen Tagen beschäftigt. Die Zeitung beruft sich auf ein geheimes Papier des Landeskriminalamtes. Demnach soll die Polizei den V-Mann Thomas S. mit dem Namen „Ibrahim 562“ versehen haben. Thomas S. war mit Beate Zschäpe liiert, die im NSU-Prozess wegen Mittäterschaft angeklagt ist. Weitere V-Männer erhielten die Namen „Murat“ und „Adnan“. Für Hürriyet-Autor Celal Özcan ein weiterer Skandal bei der Aufklärung der NSU-Morde. „Kaum zu glauben“, schreibt er. (Hürriyet)

Prozessverzögerung?: Spiegel Online berichtete von einem Fax, das am Sonntagabend im Oberlandesgericht München (OLG) eingegangen sein soll. Einer der Rechtsanwälte, der Opfer des Bombenanschlags in Köln vertritt, hat demnach eine Unterbrechung der Verhandlung für sieben Tage beantragt. Begründung: Es habe noch weitere Opfer des Attentats gegeben. Sie müssten ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass sie als Nebenkläger am Verfahren teilnehmen könnten.

Briefeschreiber: Einen Offenen Brief an Manfred Götzl, den Vorsitzenden Richter des NSU-Prozesses, schrieb Alberst Schäffer von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Thema war die Platzvergabe und die Benachteiligung überregionaler Zeitungen: Die Öffentlichkeit in einem solchen Verfahren werde am besten durch überregionale Tages- und Wochenzeitungen hergestellt, so die These. „Das ist kein Dünkel gegen regionale und lokale Zeitungen“, schrieb er. Die Antwort kam prompt in einem„Offenen Brief aus der Provinz gegen die hochmütige FAZ“.

Wie in den Siebzigern: Von einem „potenziell traumatischen Prozess, der die wiederholte Inkompetenz der deutschen Polizei- und Sicherheitsbehörden aufdecken könnte“ spricht die Financial Times. Sie vergleicht den Prozess mit den Verfahren gegen RAF-Mitglieder in den Siebzigern in Stuttgart.

„Nürnberg für Neo-Nazis“: So titelte The Independent schon am Freitag in Anspielung an die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland werde gezwungen, sich mit seiner dunklen Seite zu beschäftigen.

Langzeitwirkung: Die New York Times sieht in ihrem Vorbericht zwei wichtige Aspekte des Prozesses: Er habe die Sicherheitsbehörden des Landes erschüttert und ihre Reputation beschädigt. Außerdem konfrontiere er die Deutschen mit unangenehmen Fragen über die Vorurteile gegenüber Immigranten, die einen immer größeren Teil der Gesellschaft ausmachten.