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„Balance und Erwartungen“ – das NSU-Medienlog vom 08. Mai 2013

 

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de. Das Nächste Medienlog zum NSU-Prozess erscheint am Freitag, 10.05.

Die Berichterstattung der vergangenen 24 Stunden konzentrierte sich vor allem auf die Person der Angeklagten.

Die sieht ja aus wie wir: Wir seien ob des Auftretens von Beate Zschäpe verwirrt, schreibt Lenz Jacobsen auf ZEIT ONLINE, denn: „Wer Monströses macht, darf nicht adrett aussehen, flüsterte uns das Unterbewusstsein zu.“

Schein uns Sein: Ähnlich kommentiert Jakob Augstein in der Online-Ausgabe der Wochenzeitung der Freitag: Es gebe keinen Zusammenhang zwischen äußerem Anschein und innerer Wahrheit, auch wenn wir diesen erwarteten. Weiter schreibt er: Der Prozess biete einen Anlass, die überfällige Debatte um rechte Gewalt und strukturellen Rassismus in Deutschland zu führen.

Voyeurismus: Der Stern hat den Strafverteidiger Otmar Kury zum Auftritt Beate Zschäpes befragt. Kury bezeichnet die Berichterstattung darüber als „reinen Voyeurismus“. Es sei der Angeklagten zu überlassen, wie sie sich kleide.

Balanceakt für die deutsche Justiz: So sieht die Neue Züricher Zeitung den NSU-Prozess in München. Beate Zschäpe und ihre Komplizen müssten die „volle Wucht des Gesetzes“ zu spüren bekommen. Andererseits stehe ihnen der volle Schutz des Rechtsstaates Deutschland zu, kommentiert Autor Ulrich Schmid. Auch den Verteidigern der Anklage sei daher Gehör zu schenken, wenn sie von einer Vorverurteilung sprechen. Weiter stellt Schmid fest: Nicht „Deutschland“ sitze auf der Anklagebank, sondern der gewalttätige deutsche Rechtsextremismus. Die Taten der NSU seien nicht symptomatisch für einen deutschen Zeitgeist.

 

 

 

Wie Nürnberg: Die New York Times widmet dem NSU-Prozess in ihrer Dienstagsausgabe (online: Montagabend Ortszeit) einen ausführlichen Übersichtsartikel. Opfer-Anwalt Mehmet Daimagüler vergleicht das Gerichtsverfahren in seiner Bedeutung darin mit den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen von 1945 bis 1949. „This is no different than Nuremberg“, zitiert ihn Autorin Melissa Eddy.

Wende-Biografien: Im britischen Guardian kommentiert Astrid Proll, Gründungsmitglied der RAF, den Prozessauftakt. Sie sieht die Wende-Biografien der mutmaßlichen NSU-Terroristen als Grund für deren rechtsextreme Ansichten. Proll findet, dass sich an dem Prozess zeigen wird, ob Deutschland aus seinen Traumata gelernt hat: Sie nennt den Zusammenbruch des DDR-Regimes und das umstrittene Verfahren gegen die RAF-Terroristen.

Der Guardian hatte am Montag bereits ausführlich über den Prozessauftakt berichtet. Anders als in Deutschland nennt er alle Angeklagten mit vollem Namen.

Eindrücke: Die Europa-Ausgaben der türkischen Tageszeitungen Hürriyet und Sabah beschäftigten sich in ihrer Ausgabe zu Mittwoch und Donnerstag (noch nicht Online verfügbar) weiterhin mit dem Auftritt Zschäpes im Gerichtssaal. Die Hürriyet fragte die Angehörigen der Opfer, wie sie den Moment im Gerichtssaal erlebten. Elif Kubaşık, die Frau des ermordeten Mehmet Kubaşık, sagte der Zeitung, sie habe an der Angeklagten nicht das kleinste Zeichen von Reue oder Scham bemerkt und sich zusammengerissen, um nicht zu weinen.

Die Sabah beschäftigte sich zudem mit dem Befangenheitsantrag gegen Richter Manfred Götzl.

 

 

Empfehlung: Der ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt veröffentlicht auf seinem Blog lesenswerte Beiträge zum Prozess.

Grafik: Das Netzwerk des NSU hat Spiegel Online visualisiert.

 

 

Das nächste NSU-Medienlog erscheint am Freitag, den 10. Mai.