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„Zäher Start und Gezänk“ – das Medienlog vom 15. Mai 2013

 

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Nach anfänglichen Verzögerungen verlas Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag die Anklageschrift. Nahezu alle deutschen Medien fassen das Geschehen in Berichten und Reportagen zusammen, nachzulesen unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bei ZEIT ONLINE und in der taz.

Türkische Medien berichteten ebenfalls über den Prozesstag und den Inhalt der Anklage. Unter anderem in den Tageszeitungen Sabah, evrensel, Taraf und Milliyet. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe habe zu allen Straftaten einen Beitrag geleistet und gewusst, dass das einzige Ziel der Gruppe „das Töten von Menschen“ gewesen sei, zitiert die Sabah aus der Anklageschrift.

„Zäher Start und ein unsouveräner Richter“: Rolf Clement kommentiert im Deutschlandfunk, im Kern sei es um die Frage gegangen, wer denn nun Herr im Ring sei. Dabei habe Richter Manfred Götzl nicht unbedingt gut ausgesehen. Ein Kräftemessen von Verteidigung und Gericht zum Auftakt sei durchaus üblich, sagte Clement, doch „das, was an den ersten beiden Verhandlungstagen (…) ablief, deutet nicht auf eine souveräne Beherrschung der Szene im Gerichtssaal hin.“ Für den Kommentator war der Tag „kein glanzvoller Start in dieses Mammutverfahren, eher ein schleppender. Jetzt, da die Anklageschrift verlesen ist, müsste die Sache langsam Fahrt aufnehmen.“

Loriot-hafte Züge: Für stern.de hat das Kräftemessen zwischen Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer und Richter Manfred Götzl geradezu „Loriot-hafte“ Züge angenommen. Bundesanwalt Herbert Diemer habe Zschäpes Rolle in der Anklage plastisch herausgearbeitet. Zschäpe habe beim NSU die kleinbürgerliche Fassade aufrecht gehalten. „Sie wollte somit nicht nur den Bestand der Gruppe sichern, sondern zugleich zu jeder einzelnen Tötung und zu jedem einzelnen Raubüberfall einen eigenen, sich in das Gesamtgeschehen arbeitsteilig einfügenden und gleichwertigen Beitrag leisten“, zitiert stern.de aus der Anklage. „Mit der Beschreibung von Zschäpe treten auch die Leihidentitäten in den Gerichtssaal: der Gerri, die Liese, der Max, Namen, die das Trio im Untergrund benutzte“, schreibt stern.de.

 

Kuriositätenkabinett: Die Verhandlungspausen hat ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt dazu genutzt, sich die Zuschauer im Gerichtssaal genauer anzusehen. Unter anderem sei Maik E., der Zwillingsbruder des Angeklagten André E., anwesend gewesen. „Die beiden Brüder trennen nur wenige Meter“, schreibt Schmidt in seinem Blog. Maik sitzt in der ersten Reihe der Empore, unmittelbar über André.

 

 

„Er trägt heute – wie sein Bruder – ein schwarzes Shirt mit weißem ‚AC DC‘ Aufdruck und langen Ärmeln. Mit ihm in der Warteschlange stand ein junger Mann mit Lippenpiercing. Bei ihm soll es sich um Daniel T., einem vorbestraften Neonazi handeln.“

Gerichtssaal-Gezänk im deutschen Neonazi-Mordprozess“, titelte die Tageszeitung The Times of India am Dienstag. Bis Mittag sei keine Anklage verlesen worden, stattdessen hätten Verteidiger und Staatsanwälte Argumente darüber ausgetauscht, wie und wo die Verhandlung fortgesetzt werden solle.

Heldenverehrung: Die Berliner Zeitung berichtet, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die beiden Männer des NSU, würden unter Häftlingen in Sachsen als Helden verehrt werden. „Darüber wird auch ganz offen geredet, ob da nun ein Wärter daneben steht oder nicht“, zitiert die Zeitung einen Informanten aus der JVA Zeithain. Am 20. April, dem Tag, an dem Hitler Geburtstag hatte, habe es demnach auch schon heimliche Feiern in der JVA gegeben, bei denen Nazilieder gegrölt wurden. Das Sächsische Justizministerium habe auf Anfrage der Berliner Zeitung mitgeteilt, dass „der Unterbindung einer rechtsradikalen Subkultur in den sächsischen Justizvollzugsanstalten eine hohe Priorität eingeräumt“ werde. Die von Häftlingen geschilderten Vorkommnisse seien, wenn sie überhaupt zutreffen würden, lediglich Einzelfälle.

Europaweites Netzwerk: Die ZDF-Dokumentation Brandstifter im Staatsauftrag von Rainer Fromm und Elmar Theveßen beschäftigt sich mit den vom Verfassungsschutz angeworbenen V-Leuten und deren Verstrickung in die rechte Szene. Für die Bundesanwaltschaft war der NSU „zu keinem Zeitpunkt ein Netzwerk“, heißt es in dem Beitrag. Nach Recherchen des ZDF war der NSU offenbar eingebettet in eine rechtsterroristische Szene, durchsetzt mit V-Leuten.

Von der ZDF-Dokumentation berichtete auch die Europa-Ausgabe der türkischen Zeitung Sabah und fragt: „War der NSU nur die sichtbare Spitze des Eisberges?“.

Stille Post: Wie Neonazis auch aus dem Gefängnis kommunizieren und ihre Netzwerke pflegen konnten, beschreibt dieser Beitrag von Frontal 21.

Vertrauensverlust: Was die NSU-Morde für die Angehörigen der Opfer bedeutet, beschreibt die 3sat- Dokumentation kein Vaterland. Semiya Şimşek, deren Vater Enver Şimşek 2000 von der NSU erschossen wurde, erzählt, wie sie die vergangenen 13 Jahre erlebte.