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„Ablesen kann jeder“ – das NSU-Medienlog vom Freitag 7. Juni 2013

 

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Die Berichterstattung zum siebten Verhandlungstag im NSU-Prozess konzentrierte sich auf das Geständnis des Angeklagten Holger G. und die entschuldigende Erklärung, die er verlas. Unter anderem nachzulesen auf ZEIT ONLINE. Spiegel Online schreibt von „Reue zweiter Klasse“, Focus Online berichtet über einen G, der „aus Freundschaft“ half, Frankfurter Rundschau ist erstaunt, dass „dieses Menschlein“ eine Terrorgruppe unterstützt haben soll, die Frankfurter Allgemeine Zeitung über einen Angeklagten, der sich durch die Freundschaft zu der Gruppe „sozial aufgewertet“ sah, Welt Online schreibt vom „Kronzeugen, der nichts gewusst haben will“. Die Süddeutsche Zeitung hat einen Bericht online und ein Stück in der Druckausgabe.

Ebenfalls vom Prozess berichteten die türkischen Nachrichtensender CNN Türk und TRT Haber und das Online-Portal World Bulletin.

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Bericht in der Printausgabe der Süddeutschen von Annette Ramelsberger

Auf Stefan Geiger von der Berliner Zeitung wirkte Holger G. konfus. Durch seine Aussage sei G. im Stakkato gehetzt, genau so wie durch seine vorbereitete Erklärung. „Das ist keine Schauspielerei. Er ist am Rande des Nervenzusammenbruchs„, schreibt Geiger. Dass er den mutmaßlichen Terroristen geholfen habe, gestand G. Welche Verbrechen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe planten, davon will er nichts gewusst haben.

Für Geiger belegt der Tag vor Gericht, dass G. leicht beeinflussbar ist. Vieles spreche dafür, dass seine Aussage der Wahrheit ziemlich nahe kommen könnte.

 

„Die Bundesanwaltschaft dürfte nicht viel Freude an ihren beiden Kronzeugen haben“, schreiben Hannelore Crolly und Per Hinrichs in der Welt. Das Problem: G. wollte nur eine Erklärung verlesen und keine Fragen „zur Sache“ beantworten. Die Anklage jedoch fuße in großen Teilen auf G.’s Aussagen, darauf basierend hätten die Bundesanwälte das Bild der ebenbürtigen Terrorverdächtigen gestrickt.

Doch konkrete Aussagen zur Rolle Zschäpes habe G. nur vor den BKA-Beamten gemacht. „Richter Götzl hatte sich das anders vorgestellt“, mutmaßen die Autoren. „Spannend wäre es vor allem geworden, wenn G. sich von den Verteidigern und den Nebenklägern hätte befragen lassen.“

Die Tatsache, dass Holger G. immer von den „drei“ spreche, belaste die Hauptangeklagte Zschäpe schwer, schreibt Lena Kampf auf stern.de. „Einmal fragt der Richter präzise nach: „Wen meinen Sie, wenn sie von den ‚drei‘ sprechen?“ „Alle drei“, sagt Holger G. – also auch Zschäpe.“ Einige Nebenkläger hätten nach der Verhandlung gesagt, sie seien froh gewesen, dass sich zum ersten Mal jemand entschuldige. Richtig glauben könnten sie es jedoch nicht, denn die Reue wurde vom Blatt abgelesen. Nach Einschätzung der Autorin hatte auch ein anderer im Saal Zweifel: „Während Holger G. sich bei den Opfern entschuldigt, lehnt sich Ralf Wohlleben im Stuhl zurück und grinst.“

Zur Entschuldigung des Angeklagten Holger G. sagte sein Verteidiger Stefan Hachmeister im Bayerischen Rundfunk, sein Mandant habe Verantwortung übernommen. Nebenkläger-Anwalt Stefan Lucas dagegen sagte dem Sender: „Er hat sich ganz klar distanziert und in seinen schriftlichen Ausführungen gesagt, dass er das alles so nicht vermutet hat und nicht geahnt hat. Aber das soll er uns doch persönlich sagen. Ablesen ist einfach.“

Das englischsprachige Portal Windsorstar veröffentlichte einen Beitrag, der sich der Erklärung G.s widmet. Eine Meldung gibt es auch bei Kansas.vom

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, den 10. Juni.