Im NSU-Prozess wird das Gericht am Dienstag den Angeklagten Carsten S. befragen. Mit dessen Vernehmung befasst sich Tim Aßmann im Bayerischen Rundfunk. Er thematisiert mehrere offene Fragen: Etwa, ob S. sich wirklich nichts dabei dachte, als er die Mordwaffe mit Schalldämpfer kaufte. Oder, warum S. sich nicht bei der Polizei meldete, nachdem Medien ausführlich über die Ceska-Mordserie berichteten.
An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Laut Bayerischem Rundfunk kann Nebenkläger-Anwältin Angelika Lex zwar nachvollziehen, dass es S. schwer fällt, sich nach so langer Zeit zu erinnern. Es „entstehe aber durchaus der Eindruck, dass er doch noch mehr wissen könnte, als er bisher preisgibt“.
Festnahmen in München: Seit Beginn des Prozesses verübten Unbekannte mehrere Anschläge auf linke Einrichtungen und das Büro einer Nebenkläger-Anwältin in München. Wie die taz berichtet, hat die Polizei nun drei Verdächtige festgenommen: drei Männer und eine Frau. Einer von ihnen gehörte demnach einst zur Gruppe um den Rechtsterroristen Martin Wiese, die einen Anschlag auf die Grundsteinlegung der Münchner Synagoge am Jakobsplatz geplant hatte. Die Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitung Sabah berichtet ebenfalls von der Festnahme.
NSU-Ermittlungen: Der Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums, Robert Ryczko, hat sich laut MDR im Namen der Thüringer Polizei für Ermittlungsfehler entschuldigt. Bei der Befragung im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss sagte Rychzko, er bedauere, dass die „abscheuliche Mordserie“ nicht verhindert werden konnte. Er gab außerdem zu, die Rechtsterroristen unterschätzt zu haben. Er habe die Untergetauchten für „harmlose Spinner gehalten“.
Erlahmendes Interesse am Prozess: Gert Böhm kommentiert in der Neuen Presse, es sei zwar gut, dass die Medien tagtäglich detailliert über das NSU-Verfahren berichteten, das berge jedoch auch eine Gefahr: „Die ständige Informationsflut hat erfahrungsgemäß zur Folge, dass das Interesse an dem Ereignis mit zunehmender Dauer erlahmt“, schreibt Böhm. Wenn ein Thema ununterbrochen in Wort und Bild präsent sei, schlage die Anteilnahme oft sogar ins Gegenteil um: Man wolle nichts mehr davon hören. „Diese Gefahr droht auch dem NSU-Prozess in München“, kommentiert Böhm.
In englischsprachigen Onlinemedien wurden heute keine Berichte über den NSU-Prozess veröffentlicht.
Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, den 12. Juni.