In der Berichterstattung über den Prozess geht es hauptsächlich um die Aussage des Angeklagten Carsten S. und vor allem um dessen indirekten Hinweis, dass noch ein weiterer Anschlag auf das Konto des NSU gehen könnte. Viele Prozessbeobachter stellen, wohl einem journalistischen Reflex folgend, die beobachteten Emotionen heraus und thematisieren die Tränen, die S. während seiner Aussage kamen, unter anderem Tagesspiegel, Focus Online, die Welt, Süddeutsche Zeitung, ZEIT ONLINE, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Berliner Zeitung sowie die türkischsprachigen Medien, Gazetereport, Zaman, Türkiye und Sabah.
An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Ärger zog die sogenannte 129er Liste nach sich, eine Liste von Personen, von denen die Ermittler mutmaßten, dass sie zum Umfeld von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gehören. Die Anklagebehörde hatte die Liste auf Verlangen des NSU-Untersuchungsausschusses erstellt. Am neunten Prozesstag kam heraus, dass nicht nur 129, sondern insgesamt etwa 500 Menschen aus dem NSU-Umfeld überprüft wurden. Nachzulesen unter anderem in unserem Blog sowie im Blog des Rechtsexperten Holger Schmidt.
Lena Kampf bringt die Aussage des Angeklagten S. auf stern.de in Zusammenhang mit einem Rohrbombenanschlag: 1999 explodierte in Nürnberg eine Bombe in der Gaststätte, die ein Türke betrieb. Der Sprengsatz habe wie eine Taschenlampe ausgesehen, schreibt sie. Das würde zur Aussage von Carsten S. passen: Denn S. sagte vor Gericht, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten von einer Taschenlampe erzählt, die sie in Nürnberg „hingestellt“ hätten. Später sei ihm der Gedanke gekommen, dass dieser Taschenlampe eine Rohrbombe gewesen sein könnte.
Der Anschlag auf die Gaststätte in Nürnberg ist der Bundesanwaltschaft laut stern.de nicht bekannt.
Die Stelle der Aussage, an der Carsten S. die Hauptangeklagte Beate Zschäpe womöglich zum Teil entlastet, beschreibt Giesela Friedrichsen auf Spiegel Online: „Plötzlich wird S. laut, seine Stimme überschlägt sich. Er weint und schluchzt, schlägt die Hände vors Gesicht. Das dann folgende Zitat deutet ebenso stark auf eine Gewalttat in Nürnberg hin: „Die haben gesagt, dass sie in Nürnberg jemanden umgeblasen haben – und haben so spektakulär erzählt – und dann kam Frau Zschäpe – und die sagten: ‚Pssst, die soll das nicht mitbekommen!'“
#nsu Lena Kampf, stern, will Anschlag gefunden haben, der auf den angedeuteten passt, BAW will sich noch nicht dazu äußern: stern.de/blogs/nsu-proz…
— NSU Watch (@nsuwatch) 11. Juni 2013
Warum lag der Bundesanwaltschaft der Nürnberger Fall nicht vor? Sollte sich bestätigen, dass es sich bei dem Anschlag in Nürnberg um eine NSU-Tat handelte, wäre das eine weitere Ermittlungspanne, kommentiert Tim Aßmann im Bayrischen Rundfunk und fragt: „Wenn es einen weiteren NSU-Anschlag gab, warum konnte er den Rechtsterroristen bisher nicht zugeordnet werden?“
Eigentlich sollte die Bundesanwaltschaft über alle Fälle informiert werden, die möglicherweise vom NSU begangen worden sein könnten. Der Nürnberger Fall wurde jedoch nicht vorgelegt, sagt Aßmann. Vielmehr liefen die Ermittlungen in Richtung Schutzgelderpressung und wurden eingestellt.
Der Bayrische Rundfunk zitiert einen Sprecher der Nürnberger Staatsanwaltschaft mit der Information, dass die entsprechende Akte „mit hoher Wahrscheinlichkeit mittlerweile vernichtet“ sei.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, den 13. Juni.