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Das „Heidentheater“ der Beate Zschäpe – das Medienlog vom Donnerstag, 27. Juni

 

Die Berichterstattung am 16. Verhandlungstag drehte sich um die Vernehmung der Handwerker und darum, ob Beate Zschäpe wusste, dass sich Menschen im Haus aufhielten, als sie mutmaßlich den Brand legte. Eine Rolle spielte dabei auch eine knarrende Treppe. Weiteres Thema in den Medien: Richter Manfred Götzl.

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de

Mirko Weber fasst in der Frankfurter Rundschau den 15. und 16. Prozesstag  zusammen und merkt außerdem an, dass sich das Interesse der Zuschauer und Journalisten am Prozess nicht gelegt habe. Ein kurzer Bericht zum 16. Prozesstag auch in der Berliner Zeitung vom selben Autoren. Die Welt berichtete wie auch schon am Dienstag mit einem Minutenprotokoll vom Prozess.

In München ging es vor allem um die Umstände der Brandstiftung. Als Zschäpe das Feuer legte, waren Handwerker im Haus. Nach Meinung ihres Verteidigers Wolfgang Stahl habe die Angeklagte aber gehört, dass die Handwerker das Haus verließen, um einen Kaffee zu trinken. Darüber berichtet unter anderem Jens Eumann in der sächsischen Tageszeitung Freie Presse. Stahls Verteidigerkollege Heer fragte laut Spiegel Online zudem sehr detailliert nach Baulärm, von dem Zschäpe gewarnt hätte sein müssen.

Detailverliebtheit: Vermutlich werde das Feuer in Zwickau auch auf andere Tatvorwürfe ausstrahlen, vermutet Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE. Denn das mögliche Motiv für die Brandstiftung sei, dass Zschäpe die Beweise gekannt haben könnte und diese vernichten wollte. „Selten war der Prozess so detailverliebt wie an diesem Tag“, schreibt Sundermann weiter. Denn es ging um die Frage, ob Zschäpe, als sie das Haus anzündete, in Kauf nahm, dass Menschen sterben könnten. Daher könnte ein einziges Geräusch, das ein Zeuge gehört haben will, das Urteil beeinflussen.

Zschäpe verhindert Auffliegen in letzter Sekunde, titelt wiederum der Tagesspiegel. Autor Frank Jansen legt den Schwerpunkt seines Artikels auf die Kellertür, von der ein Handwerker berichtete. Sie sollte aufgebrochen werden, aber Beate Zschäpe habe ein „Heidentheater gemacht“ und dies verhindert. „Im Keller waren möglicherweise Waffen und Munition gelagert“, mutmaßt Jansen. Ein Polizeibeamter hatte schon am Dienstag berichtet, dass zwei Türen zum Keller mit Funkkontaktmeldern gesichert waren.

So wie andere Journalisten konzentriert sich auch Martin Debes in seinem Bericht für die Thüringer Allgemeine auf Richter Manfred Götzl (Der letzte große Fall des Manfred Götzl). Von ihm hieß es, er sei ein korrekter Richter. Was sich – zumindest für den Autor – nach den bisherigen 16 Prozesstagen bestätigt habe. Debes zufolge wirkt Götzl hochkonzentriert und gut vorbereitet. Er nehme sich viel Zeit für die Zeugen.

„Der NSU-Prozess ist in der Normalität angekommen – Normalität gemessen an anderen Großverfahren mit ähnlichen Herausforderungen“, schreibt Albert Schäfer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das sei zu einem großen Teil dem Vorsitzenden Manfred Götzl zuzuschreiben, dem es nach den Aufgeregtheiten gelungen sei, das Verfahren in ruhige Bahnen zu lenken.

Zu einer ähnlichen Bewertung kommt Rechtsexperte Holger Schmidt auf seinem Blog. Das Klima im Verhandlungssaal habe sich entspannt und es sei Ruhe im Prozess eingekehrt – unter anderem dem Vorsitzenden Manfred Götzl zu verdanken. Götzl habe die Lufthoheit behalten und ausgebaut.

Verständigungsschwierigkeiten: Der Zeuge kommt aus Sachsen, der Richter aus Franken. Die Verständigung war wohl nicht so einfach, wie Holger Schmidt in einem weiteren Blogeintrag beschreibt.

Türkische Namen: Eine erste Bilanz über die Arbeit Manfred Götzls zieht auch Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung. Götzl habe es geschafft den NSU-Prozess voranzutreiben. Er habe eine forsche und eine sensible Seite. Beides sei nötig, um einen solchen Prozess zu führen. In einem Punkt aber habe Götzl versagt: Er könne die türkischen Namen nicht aussprechen. „Ist das zu viel verlangt?“ fragt der Autor und gibt gleich selbst die Antwort: „Von einem Richter, der andere ermahnt, wenn er sie bei Unzulänglichkeiten ertappt, kann man das erwarten. Vor allem: Es wäre ein Zeichen des Respekts vor den Opfern, ihren Familien und vor allen Türken, die diesen Prozess mit besonderem Interesse und Schaudern verfolgen.“

Neuer Eigentümer: So wie Julia Jüttner für Spiegel Online schreibt auch Bayram Aydin für die türkische Tageszeitung Zaman über den 16. Prozesstag mit  Schwerpunkt auf den Eigentümerwechsel des Zwickauer Hauses. Die Verkaufssumme ist der Zeitung bekannt: 190.000 Euro. Hausverwalter Volkmar E. sei laut Aussage wegen Mängel in der Küche in die Mietwohnung von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gerufen worden. Beate Zschäpe habe ihm die Tür geöffnet.

Die Süddeutsche Zeitung schreibt, der Zeuge Volkmar E. sei sich nicht sicher gewesen. Als ihm ein Foto von Susann E., einer guten Freundin Zchäpes, vorgelegt wurde, sagte der Zeuge aus, es hätte auch diese Frau sein können, die ihm die Tür öffnete.

Das Nachrichtenportal Beyaz Gazete veröffentlicht eine kurze Meldung über den 16. Verhandlungstag. Ebenso die Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Tageszeitung Sabah (Titel: Als sie die Leiche sah, erlitt sie einen Schock). Der Titel bezieht sich darauf, dass am 16. Verhandlungstag ein Foto der Leiche Uwe Mundlos´ gezeigt wurde. Auf das Bild habe Zschäpe schockiert reagiert.

Die englischsprachigen Onlinemedien berichten nach wie vor nicht mehr über den NSU-Prozess.

 

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, den 28. Juni.