Die Berichte über den 18. Verhandlungstag drehen sich um die Zeugenaussage des BKA-Beamten Rainer B., der Beate Zschäpe auf einer Fahrt nach Gera begleitete, wo sie ihre Mutter und Großmutter besuchen wollte. In einer Sache waren sich nahezu alle Autoren der Prozessberichte einig: Der Beamte hat der Angeklagten viel entlockt. Thema der Medien war außerdem die Frage, ob der Beamte einige Themen wirklich nur „rein zufällig“ ansprach.
Es sei Beate Zschäpes gutes Recht, als Angeklagte zu schweigen, die Behörden wiederum sähen es als ihr gutes Recht an, sie zum Reden zu bringen, fasst Per Hinrichs die Situation in Die Welt zusammen. Der Beamte habe zwar stundenlang mit der Angeklagten gesprochen, aber nicht über die Vergangenheit, schreibt Marlene Halser in der taz, die aufgrund der Kooperation der Zeitung mit Radio Lora den 18. Verhandlungstag im Gerichtssaal verfolgen konnte. Der Bayerische Rundfunk macht die Kontroverse über die Unterhaltung zum Thema („Heftiger Streit um Zschäpes Geplauder“).
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„Wie viel List darf angewendet werden, um einen Beschuldigten, der sich auf sein Recht zu schweigen beruft, trotzdem zum Reden zu bringen?“, fragt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Gerade bei einem so spektakulären Fall wie dem des NSU zeige sich, ob sich der Rechtsstaat auch in Extremsituationen bewährt. Nach Ansicht von Friedrichsen dürfte der Beamte des Bunddeskriminalamtes Rainer B. einer der „gewieftesten Ermittler des Bundeskriminalamts“ sein.
Zschäpes „Lieblingsthema“ sei auf der Fahrt laut Aussage die „angebliche Unfähigkeit“ ihres Anwalts Wolfgang Heer gewesen, schreibt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE. Demnach erlebte der Beamte B. Zschäpe als sehr erregt: „Ihre Aufregung habe in einer Behauptung gegipfelt, wonach Heer Zschäpes Mutter Annerose aufgefordert habe, dem ARD-Magazin Panorama ein Interview zu geben“, schildert Sundermann die Äußerungen des BKA-Mannes. Dazu sei es letztlich jedoch nicht gekommen.
Die Frage, die sich bezüglich des Gesprächs auf der Fahrt stelle, sei aber: „Handelt es sich bei dem Gespräch auf der Autobahn um ein Verhör oder eine sogenannte informatorische Befragung – oder lediglich um eine Plauderei, die nun in den Akten gelandet ist?“ Nach Meinung des BKA-Beamten Letzteres. Die Anwälte Zschäpes dagegen widersprachen der Verwertung der Aussage, weil das BKA den Transport gezielt genutzt habe, um Informationen abzuschöpfen, schreibt Sundermann.
Als „rheinische Geheimwaffe“ bezeichnet der ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt den BKA-Beamten aus Köln. Auf seinem Blog („Zschäpe-Flüsterer“) schreibt Schmidt, der Beamte habe es geschafft, der Angeklagten mit scheinbar unverfänglichen Fragen wichtige Informationen zu entlocken – im Plauderton und mit „offenbar unerschütterlicher guter Laune“. Auch Schmidt greift auf, dass Zschäpe ihren Unmut über ihren Verteidiger geäußert habe. Unter anderem habe sie sich gefragt, warum in der Süddeutschen Zeitung immer wieder Aktenteile auftauchen.
Die Anmerkung Zschäpes über die Kontakte ihres Anwalt zur Süddeutschen Zeitung erwähnt deren Autorin Annette Rammelsberger in ihrem Bericht nicht. Ihre Einschätzung des Zeugen vom BKA: „Man muss Rheinländer nehmen, die kriegen sogar Steine zum sprechen.“ Allerdings habe der Beamte es nicht geschafft, Zschäpe davon zu überzeugen, vor Gericht auszusagen, obwohl das Gespräch relativ lange um dieses Thema kreiste.
Bülend Ürük, Chefredakteur des Nachrichtenportals newsroom, kritisiert, dass sich Journalisten und Strafverteidiger offenbar gefährlich nahekamen („Für Frau Zschäpe ein kostenloses Abo der Süddeutschen Zeitung„). So zumindest lasse sich die Berichterstattung über den Prozesstag deuten. Ürük zitiert dabei unter anderem die Junge Welt.
Deren Autor Sebastian Carlens beschreibt Details um das von Anwalt Heer angeblich angestrebte Interview von Zschäpes Mutter für die ARD: Der ARD-Journalist John Goetz, ein Bekannter Heers, sei „häufiger Co-Autor Hans Leyendeckers in der SZ, beide haben großformatige Artikel zum Thema NSU verfasst“, schreibt Carlens.
„Die Anwälte haben Zschäpe ausgeredet zu sprechen“, titelt die Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Zeitung Zaman. Die Zeitung meldet kurz, dass Zschäpe dem BKA-Beamten erzählt habe, sie wolle eigentlich aussagen und dass sie mit ihren Anwälten nicht zufrieden sei.
In einer ausführlichen Meldung beleuchtet die Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Zeitung Sabah den Prozesstag. Unter anderem Thema: Zschäpes Bemerkung über das Abo der Süddeutschen Zeitung; weiterhin die Information,dass Zschäpe dem Beamten anvertraute, eigentlich aussagen zu wollen, ihr Anwalt ihr aber abgeraten hätte und dass sie gerne später einmal unter einem anderen Namen leben würde (wie Müller, Meyer oder Schulze).
Die englischsprachigen Onlinemedien berichten nach wie vor nicht über den NSU-Prozess.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, den 5. Juli.