Im Mittelpunkt der Berichterstattung stand die Rentnerin Charlotte E., die sich im Haus befand, als Beate Zschäpe im November 2011 mutmaßlich das Haus in Zwickau anzündete. Die heute 91-Jährige war selbst nicht vor Gericht, jedoch drei ihrer Verwandten. Auf das Schicksal der 91-Jährigen konzentriert sich etwa Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen („NSU-Opfer: Meine Tante hat alles verloren“) und (mit Mara Mertin) in der WAZ.
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„Das Drama der Rentnerin“, ist auch Thema im Bericht von Frank Jansen für den Tagesspiegel: „Es scheint in diesem monströsen Verfahren nur eine kleine Geschichte zu sein, doch auch sie ist tragisch“ schreibt er. Laut Aussage der Zeugin habe ihre Tante den Lebensmut verloren. Jansen schildert auch die Reaktion der Hauptangeklagten: „Zschäpe schien die Aussage der Zeugin unangenehm zu sein. Die Hauptangeklagte blickte an die Decke, dann verschränkte sie die Arme.“
Holger Schmidt vom SWR fällt Zschäpes Verhalten an diesem Verhandlungstag ebenfalls auf. Das Schicksal der Rentnerin habe diese offenbar bewegt, mutmaßt Schmidt, und begründet seine Annahme so: „Stiller und betroffener als sonst hörte sie den Zeugen zu. Bei früheren Schilderungen einzelner Mordfälle war eine solche Nachdenklichkeit nicht zu erkennen.“ Schmidt zufolge sei durch die Zeugenaussagen der Vorwurf des versuchten Mordes erhärtet worden: Zwischen der Explosion des Hauses und dem Weggehen von Zschäpe hätten nur wenige Sekunden gelegen.
Nach Einschätzung von Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundunk ist überhaupt erst an diesem Verhandlungstag klar geworden, in welcher Gefahr sich die damals 89-jährige Hausbewohnerin befunden hat. Bendixen teilt die Meinung seiner Kollegen zum Verhalten Zschäpes: „Heute jedenfalls verzichtete Zschäpe darauf, stundenlang auf den Bildschirm ihres Laptops zu starren – und so zu tun, als ginge sie das alles nichts an. Mit diesem Verhalten hatte sie seit Prozessbeginn vor allem jene Nebenkläger provoziert, die hofften, bei ihr irgendeine Gefühlsregung zu beobachten, wenn die schrecklichsten Details der Morde zur Sprache kamen.“
Sebastian Carlens fasst für die Junge Welt die Zeugenaussagen zusammen („Deutsche Nachbaridylle“) und kommt zu dem Schluss, dass Zschäpe in ihrer Straße gut integriert gewesen sei. Trotz des Tratsches um eine rote Lampe, die in ihrer Wohnung geleuchtet habe.
Eben diese Lampe stellt die türkische Tageszeitung Akşam in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung: Eine Zeugin habe Zschäpe wegen des roten Lichts für eine Prostituierte gehalten. Später stellte sich heraus, dass dieses Licht zu den Überwachungskameras gehört hatte. „Sie hielten sie für eine Prostituierte“ lautet auch der Titel der Europa-Ausgabe der türkischsprachigen Zeitung Sabah. Rahmi Turan beschreibt darin die Zeugenaussage einer Frau, die Zschäpe mit ihren Katzen fliehen gesehen hat, als der Brand in ihrer Wohnung ausbrach. Die türkischsprachige Zeitung Hürriyet berichtet online nicht über den Verhandlungstag, greift aber die Meldung auf, dass Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm ihre Kanzlei in Berlin verlassen hat.
In der Süddeutschen Zeitung erwähnt Tanjev Schultz ein Detail, „bei dem leider keiner der Verfahrensbeteiligten nachfragt“. Die Zeugin habe sich mit Zschäpe mal über neue massive Türen unterhalten, die in der Wohnung eingebaut worden seien. Zschäpe habe als Grund angegeben, dass sie oft allein in der Wohnung sei und häufig Angst habe.
Berichte zum Verhandlungstag gab es auch auf ZEIT ONLINE („Fast das elfte Mordopfer des NSU“), Spiegel Online („Bei denen ging es immer lustig zu“) und in der taz („Die hatten immer mächtig Spaß“). Die drei Berichte erwähnen, dass eine Zeugin immer freitags mit Verwandten zum Kaffee bei der Rentnerin verabredet gewesen sei, laut taz gegen 15 Uhr, laut ZEIT ONLINE um 15:30. Von 15:30 als verabredeter Zeitpunkt spricht auch Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen.
Auch der 4. November 2011 war ein Freitag und das Haus brannte kurz nach 15 Uhr. Es hätte also noch mehr Opfer geben können, schlussfolgert Julia Jüttner von Spiegel Online. Die Autorin erwähnt keine genaue Uhrzeit, schreibt jedoch, dass sich an jenem Freitag alle verspätet hätten.
Die englischsprachigen Onlinemedien berichten nach wie vor nicht über den NSU-Prozess.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, den 1. August