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„Beate Zschäpe musste damit rechnen, dass ihre Briefe gelesen werden.“

 

Beate Zschäpe hat aus der Haft mehrere Briefe an den in Bielefeld einsitzenden Rechtsextremisten Robin S. geschrieben. Schon im Juni wurde einer dieser Briefe in den Medien diskutiert, am vergangenen Montag tauchte ein weiterer auf. Warum das Briefgeheimnis für Häftlinge nur eingeschränkt gilt und warum die Medien in bestimmten Fällen daraus zitieren dürfen, erklärt Martin Heger, Rechtsexperte und Professor an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.

ZEIT ONLINE: Herr Heger, verstößt es gegen das Briefgeheimnis, wenn Briefe von Beate Zschäpe gelesen werden und an die Öffentlichkeit gelangen?

Martin Heger: Bei Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen ist das Briefgeheimnis eingeschränkt. Beamte der Strafanstalten kontrollieren die Post. Das ist z.B. in Paragraph 29 des Strafvollzugsgesetzes geregelt. Beate Zschäpe musste damit rechnen, dass ihre Briefe gelesen werden. Falls die Beamten in den Briefen etwas Relevantes finden, etwa Hinweise auf Straftaten, wird die Post beschlagnahmt.
Relevant wären auch Passagen, die einen Rückschluss auf die Gesinnung der Angeklagten zulassen. Nicht relevant ist allerdings rein Privates. Post an die Verteidiger darf jedoch nicht kontrolliert werden.
Den ersten Brief hatte Beate Zschäpe im März verfasst. Erst im Juni erkannten die Beamten, dass die Briefe für den Prozess relevant sein könnten. Deshalb wurden sie an das Gericht weitergegeben. Sie sind nun Teil der Akten.

ZEIT ONLINE: Das Kontrollieren der Post ist eine Sache. Werden denn aber Rechte der Angeklagten verletzt, wenn der Inhalt der Briefe in den Medien Thema ist?

Heger: Alles was öffentlich vor Gericht passiert, dürfen Medien übernehmen. Wenn also ein Brief vor Gericht verlesen wird, dürfen die Reporter daraus zitieren. Beate Zschäpe ist eine sogenannte Person der Zeitgeschichte, ihre Persönlichkeitsrechte werden dadurch nicht verletzt. Es gibt einen Präzedenzfall aus dem Kachelmann-Prozess. Damals zitierten Medien relativ intime Details, die in der öffentlichen Verhandlung zur Sprache gekommen waren. Sie durften das, eben weil sie aus dem Gerichtsverfahren berichten dürfen, selbst wenn diese Informationen das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten verletzen.
Wenn die Briefe der Angeklagten nicht verlesen wurden, sie aber dennoch einigen Medien vorliegen, gilt:  Das Persönlichkeitsrecht der Angeklagten darf durch die Berichterstattung nicht verletzt werden, dazu gehört vor allem der Kernbereich der Privatsphäre; Liebesbriefe haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen.

ZEIT ONLINE: Die Zeitung Die Welt etwa zitierte: „Mein Gerichtsschmauß bestand heute aus einer Forelle + leckerer Rahmsauce + Kartoffeln“ (Rechtschreibung im Original) und erwähnte andere kulinarische Vorlieben Zschäpes. Ist das nicht privat und damit geschützt?

Heger: Geschützt ist vor allem die Intimsphäre und eben der Kernbereich der Privatsphäre. Dazu würde ich den Speiseplan nicht rechnen.

ZEIT ONLINE: Was passiert nun mit den Briefen? Welche Rolle spielen Sie im Prozess?

Heger: Das steht noch nicht fest. Die Briefe müssen zunächst genau geprüft werden. Vielleicht gibt es Hinweise auf Beate Zschäpes Gesinnung, vielleicht hat sie auch Codes benutzt. Oder Passagen könnten für den psychiatrischen Gutachter relevant sein. Das alles wird sich erst noch zeigen.