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Neue Chance für Holger G. – das Medienlog vom Donnerstag, 5. September 2013

 

Die Sommerpause ist beendet, der NSU-Prozess wird fortgesetzt. Im Mittelpunkt der Verhandlung steht zunächst der Angeklagte Holger G., mit dem sich auch die Medien in ihrer Berichterstattung befassen. So fasst etwa Frank Jansen im Tagesspiegel den Kern des Problems in diesem Fall zusammen: „Es bleibt fraglich, ob Holger G. im Ermittlungsverfahren wie auch im Gericht alles berichtet hat, was er weiß und was er selbst getan hat.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Was wusste Holger G. wirklich von den Verbrechen des NSU-Trios? Inwieweit war er eingeweiht in die Taten von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe? Diese Fragen will das Gericht klären und wird dazu an diesem Donnerstag einen Polizisten anhören, der G. nach dessen Festnahme vernommen hatte. Eine Rolle spielt die Erklärung, die G. bislang als einzige Äußerung vor Gericht hatte verlesen lassen. Jansen vermutet, dass er diese Zeile allein deswegen verfassen ließ, um andere, wichtige Details zu verschweigen.

Schließlich bestehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Angeklagten. Der Tagesspiegel-Autor weist darauf hin, dass Zschäpe laut BKA im Juni 2011 Holger G. in der Nähe von Hannover besucht haben soll, um einen gefälschten Reisepass für Böhnhardt abzuholen. Davon hatte G. jedoch nicht berichtet.

Auch deshalb bezeichnet Kai Mudra den ersten Prozesstag nach der Sommerpause als „neue Chance“ für Holger G.. Wie Jansen schreibt auch Mudra in seinem Artikel für die Thüringer Allgemeine, dass Zweifel daran bestünden, dass G. in seiner Erklärung bislang alles erzählt habe. Außerdem seien Zweifel aufgekommen, ob sein erklärter Ausstieg aus der rechtsextremen Szene wirklich konsequent gewesen war.

Mudra zufolge hofft G. auf eine Kronzeugenregelung und damit auf Strafnachlass. Der Vorsitzende Richter in München, Manfred Götzl, habe aber bereits vor der Sommerpause deutlich gemacht, dass er dafür eine Aussage von G. erwartet. Die Prozessbeteiligten hoffen also darauf, dass sich G. ihren Fragen stellt und sie umfassend beantwortet.

Thema ist auch die Prozessführung von Richter Götzl insgesamt, die Jansen positiv bewertet: „Trotz der hohen Zahl an Nebenklage-Anwälten – in der Regel sind zwischen 50 und 60 anwesend – ist es Götzl gelungen, bereits fünf Morde des NSU sowie Zschäpes Brandstiftung in Zwickau in die Beweisaufnahme einzuführen.“ Allerdings würden einige Anwälte kritisieren, dass an manchen Prozesstagen von einem Tatkomplex zum nächsten gesprungen werde.

Keine Berichte zum NSU-Prozess in englisch- und türkischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, den 6. September 2013.