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Rätseln über die neue Zeugin – das Medienlog vom Freitag, 20. September 2013

 

Im Mittelpunkt der Berichterstattung über den 36. Verhandlungstag steht der Antrag der Nebenkläger-Anwältin Doris Dierbach, die die Hinterbliebenen-Familie Yozgat vertritt: Sie will eine Zeugin laden, die Beate Zschäpe in der Woche, als Mehmet Kubaşık in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel ermordet wurden, in Dortmund gesehen haben will. Annette Ramelsberger wertet das in der Süddeutschen Zeitung als „harten Schlag für Zschäpe“.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Viele Autoren sprachen von einer Wende im NSU-Prozess, sollte die Zeugin glaubwürdig sein. So etwa Claudia Wangerin in der Jungen Welt, Martin Debes in der Thüringer Allgemeinen und Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online („Eine überraschende Zeugin“).

Nach Meinung von Friedrichsen könnte der Antrag die mutmaßliche Mittäterschaft Zschäpes in einem „deutlicheren Licht“ erscheinen lassen. In der Anklage gebe es bezüglich einer Mittäterschaft zwar „naheliegende, aber eben doch nur konstruierte Rückschlüsse und Unterstellungen, weniger aber um handfeste Fakten.“ Die Autorin resümiert: „Die Vermutung, dass die Mordtaten des NSU nicht ausschließlich nur das Werk jener zwei Uwes waren, mit Beate Zschäpe als sorgendem Hausmütterchen, sondern dass es vielerorts Helfer und Unterstützer gab, wird immer weniger abwegig.“

Den Eindruck teilt auch Tom Sundermann, der auf ZEIT ONLINE schreibt, dass die Zeugenaussage den Vorwurf der Mittäterschaft stärken könnte.

„Für die Hauptangeklagte könnte die Zeugin gefährlich werden“, kommentiert Eckhardt Querner in einem Beitrag für den Bayerischen Rundfunk. Sollte die Zeugin tatsächlich vor Gericht aussagen, könne das die Strategie der Verteidigung erschüttern, Zschäpe habe Böhnhardt und Mundlos nur den Haushalt geführt.

Erst wenn die Zeugin vor Gericht aussage oder von Beamten vernommen werde, könnte man ihre Glaubwürdigkeit bewerten, resümiert Holger Schmidt den Verhandlungstag auf seinem Blog. Natürlich dränge sich die Frage auf, warum die Zeugin sich nicht schon früher bei der Polizei gemeldet habe.

Wie glaubwürdig die Zeugin ist, werde sich erst vor Gericht entscheiden, schreibt auch Lena Kampf im Prozessblog für stern.de. Auch wenn die Angaben der Zeugin „erstaunlich präzise“ seien. Die Zeugenaussage würde neben Zschäpes Anwesenheit am Tatort auch zeigen, dass das Trio über eine Anbindung und Logistik vor Ort (Dortmund) verfüge. So sei zumindest die Argumentation der Anwälte.

Die WAZ hatte nach eigenen Angaben bereits in der Vergangenheit Kontakt mit besagter Zeugin. Jedoch: „Die Recherchen konnten die zunächst vagen Angaben der Zeugin nicht verifizieren. Auch spätere, konkrete Aussagen zu angeblichen Treffpunkten des NSU-Trios mit mutmaßlichen Neonazis aus Dortmund waren nicht nachzuvollziehen“, schreibt Martin Debes.

Am 36. Verhandlungstag sagten auch Polizeibeamte zum Mord an Mehmet Kubaşık aus, worüber nur wenig berichtet wurde. In der WAZ  beschreibt Debes, wie Beamte stundenlang Details der „Hinrichtung“ von Mehmet Kubaşık referierten. Hinweise darauf, dass Kubaşık Mitglied „der Türkenmafia“ (WAZ) war, gab es schon damals offenbar nicht: Debes zitiert den Kriminalhauptkommissar Michael Schenk mit den Worten: „Für mich hatte der Mann eine ganz weiße Weste. Die Person Mehmet Kubaşık passte einfach nicht zur Organisationstheorie.“

Dass die Morde nichts mit einem Netzwerk türkischer Krimineller zu tun hatten, erkannte offenbar schon 2006 ein türkischer Exagent in Abschiebehaft. Wie Lena Kampf auf stern.de schreibt, gingen nach den Morden im April 2006 zwei anonyme E-Mails bei der Ermittlungsgruppe BAO Bosporus ein, die den NSU präzise analysierten („Spur 122“). Die Ermittler hätten den anonymen Schreiber Ahmet S. aufgespürt. Bei seiner Vernehmung habe er begründet, warum er etwa eine Schutzgelderpressung als Motiv ausschließe. Dennoch hätten die Dortmunder Ermittler die Aussage zu den Akten gelegt, weil sie ihnen nicht konkret genug erschien.

Auch das BKA in Wiesbaden habe die Zeugenaussage von Ahmet S. gekannt – aus Sicht der stern.de-Autorin „besonders pikant“.

Auf dem türkischsprachigen Onlineportal Dünya Bülenti war der neue Brief Thema, den Beate Zschäpe an den inhaftierten Robin S. schrieb. Wie schon zuvor Die Welt berichtet das Portal, dass Zschäpe den Neonazi Sebastian S. kenne, der für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz tätig war. Das gehe zumindest aus dem Brief hervor.

Nachtrag: „Ich habe Zschäpe dort gesehen“, titelt die türkischsprachige Tageszeitung Sabah. Eine kurze Zusammenfassung zum 36. Verhandlungstag ist nun ebenfalls Online verfügbar. Der Autor nennt auch den Namen der Zeugin, die vorgeladen werden soll: Verena v. A.

Keine Bericht in englischsprachigen Onlinemedien zum NSU-Prozess.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 23. September 2013.