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Eine bewegende Aussage und ignorierte Spuren – das Medienlog vom Dienstag, 24. September 2013

 

Bestimmendes Thema in den Berichten über den 37. Verhandlungstag war die Aussage von Ali Taşköprü. Er ist der Vater des ermordeten Süleyman Taşköprü, der im Obst- und Gemüseladen seines Vaters in Hamburg ermordet worden war. Die meisten Autoren beschrieben die Aussage des Vaters als „bewegend“. So etwa Holger Schmidt auf seinem Blog und Kai Mudra in der WAZ und in der Thüringer Allgemeinen.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Ähnlich emotional war die Aussage der Zeugin Aslı I., die von Lena Kampf auf stern.de ausführlich dargestellt wird („Gott, komm schnell!“). Aslı I. hatte die Hilferufe Ali Taşköprüs gehört und ihn über seinen Sohn gebeugt aufgefunden. Autorin Kampf berichtet außerdem von einem interessanten Detail, das die verkorksten Ermittlungen auch in diesem mutmaßlichen NSU-Mordfall dokumentiert: So soll nach den beiden Männern, die der Vater des Opfers, Ali Taşköprü, gesehen hatte, nicht gefahndet worden sein. Wohl aber wurde eine Anzeige gegen die Zeugin Aslı I. sofort aufgenommen: Sie hatte einen Journalisten mit Eiern beworfen, der noch vor Polizei und Krankenwagen am Tatort gewesen sei und sich über den sterbenden Süleyman Taşköprü und seinen Vater gebeugt hatte.

Die Ermittlungen im Mordfall Taşköprü ist dabei für viele Berichterstatter symptomatisch für die generellen Ermittlungen im Zusammenhang mit der NSU. Frank Jansen kommentiert im Tagesspiegel: „Wieder zeigt sich, dass Ermittler die Möglichkeit eines rassistischen Hintergrund ausblendeten.“ Ähnlich wie beim Mordfall Taşköprü habe eine Zeugin schon im Mordfall Ismail Yaşar von zwei Männern mit „heller Haut“ in der Nähe des Tatorts gesprochen. Die Polizei habe die Frau jedoch bei Vernehmungen gefragt, ob sie sich vorstellen könne, dass „die türkische Mafia dahinter steckt“.

„Rasch gelingt es den Nebenklage-Anwälten, die Schwächen in den Ermittlungen aufzudecken“, beschreibt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE die Befragung des LKA-Beamten H. („Sie haben mir mein Herz abgerissen“). Die Ermittler seien weder dem Hinweis auf die beiden Männer nachgegangen, noch hätten sie Zusammenhänge zum Mord an Enver Şimşek und Abdurrahim Özüdoğru  in Nürnberg gesehen, obwohl Kontakt zu den Mordkommission in Nürnberg bestand.

Und auch die taz titelt: „Alle Spuren sorgfältig ignoriert“. Dies habe, so berichtet es Autor Andreas Speit, selbst der LKA-Beamte Thorsten H. einräumen müssen: Spuren, die einen rechtsextremen Hintergrund im Mordfall Taşköprü nahegelegt hätten, habe man damals nicht weiter verfolgt.

„Was wollten diese Leute von uns“: Annette Rammelsberger von der Süddeutschen Zeitung beobachtet eine Szene am Rande des Prozesses: „In der Gerichtspause schlendert einer der Angeklagten, Andre E., ganz nah und unbeschwert an der Familie vorbei, als sie vor dem Gericht wartete. Der Bruder des Getöteten setzt ihm nach, er empfindet die Nähe als Provokation. Nur mit Mühe kann ihn die Familie beruhigen.“

Auch der Autor im Bayerischen Rundfunk beobachtet die Szene und schreibt, dass André E. dabei gegrinst hätte. So falsch der Ausbruch des Bruders wohl war, so verständlich sei er auch, kommentiert der Autor.

Nachtrag: „Was wolltet ihr von meinem Sohn“, titelt die türkischsprachige Tageszeitung Sabah. Auch in diesem Bericht steht die Aussage Ali Taşköprüs im Mittelpunkt und das Unverständnis darüber was „diese Leute“ von der Familie wollten.

Keine Berichte in den englischsprachigen Medien online verfügbar.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 25. September 2013.