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Beate Zschäpe und Sara Gilbert – das Medienlog vom Mittwoch, den 23. Oktober 2013

 

Eine Zeugin will Beate Zschäpe am 9. Juni 2005 beim Einkaufen in Nürnberg gesehen haben, an dem Tag, als Ismail Yaşar ermordet wurde. Am 48. Verhandlungstag erklärte sie, warum ihr Zschäpe aufgefallen sei: Sie sehe der Schauspielerin Sara Gilbert aus der US-Fernsehserie Roseanne ähnlich. Auf Frank Jansen vom Tagesspiegel wirkt die Zeugin insgesamt „etwas überfordert“: „Zeugin denkt bei Zschäpe an US-Schauspielerin“.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Die Zeugin verhalte sich korrekt und übertreibe nicht, schreibt dagegen Gisela Friedrichsen von Spiegel Online zu deren Auftritt vor Gericht. „Ihre Aussage ist gerade wegen ihrer Mängel nachvollziehbar. Aber heißt das auch, dass Zschäpe wirklich in der Nähe des Tatorts war?“

Bei der Aussage gibt es einige Ungereimtheiten, wie Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE ausführt. Zum einen habe die Zeugin bei ihrer zweiten Polizeivernehmung sieben Jahre nach dem Mord ausgesagt, die Frau, die sie für Zschäpe hielt, habe eine Brille getragen, daran könne sie sich aber heute nicht mehr erinnern. „Das ist, als ob es nicht meine Aussage wäre“, zitiert Sundermann die Zeugin. Auch will sie ihre erste Aussage nie unterschrieben haben, damals, bei der Befragung an der Wohnungstür. „Der Mann hatte nur Stift und Schreibblock bei sich.“ Und wie ihr Namenszug unter das getippte Protokoll kam, wüsste sie auch nicht mehr.

SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt zählt auf seinem Blog auf: „Die Zeugin hatte Erinnerungslücken und konnte sich nicht einmal erinnern, ein Protokoll unterschrieben zu haben – das sie aber offenkundig unterschrieben hatte. Wollte sie nun an diesem Tag zu einem Mutter-Kind-Frühstück (so die Aktenlage) oder wollte sie dort “mit Sicherheit nicht hin” – so die Aussage heute. Hatte sie ihren damals zweijährigen Sohn dabei (so ihre Erinnerung) oder “Kinder” (so die Aktenlage). „Die Liste ließe sich fortsetzen.“

Für Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung ist es nicht verwunderlich, dass sich die Zeugin nach so langer Zeit nicht mehr an Details erinnern kann. Doch es sei fraglich, ob das Gericht mit den Aussagen zur angeblichen Anwesenheit Zschäpes am Tatort am Ende viel anfangen kann.

Unpassend findet Gisela Friedrichsen von Spiegel Online außerdem Zschäpes Verhalten: „Zschäpe steht auf und flüstert Stahl etwas ins Ohr. Sie lächelt. Dann lacht sie auf. Warum nur erweckt sie immer wieder den Eindruck von Koketterie? Es sind ihre geschmeidigen Bewegungen, ihre Augenaufschläge, die so gar nicht zur Situation passen“, kommentiert die Autorin.

Im Prozessbericht von Kai Mudra (WAZ) steht die Aussage eines Autovermieters im Mittelpunkt, der Beate Zschäpe wiedererkannte, weil sie dabei war als Uwe Böhnhardt Fahrzeuge anmietete.

Per Hinrichs von der Welt beschäftigt sich noch einmal mit der Rolle des ehemaligen Verfassungsschützers Andreas T.. Zur Erinnerung: T. hielt sich in dem Kasseler Internetcafé auf, in dem Halit Yozgat am 6. April 2006 erschossen wurde. (Vgl. u.a. Medienlog vom 30. September 2013) Am 48. Verhandlungstag haben die Verteidiger der Familie Yozgat Nachermittlungen beantragt. Auf den Stadtplänen, die unter anderem in den Trümmern der Zwickauer Wohnung gefunden wurden, waren unter anderem Anschlagsziele markiert. Markierungen, die auf den täglichen Fahrtrouten von Andreas T. zu finden sind. Hinrichs kommentiert: „Der dahinterstehende Verdacht, Andreas T. könnte mitgeholfen haben, mögliche Tatorte für den NSU zu identifizieren, drängt sich nach Ansicht von Beobachtern auf, dürfte aber schwer zu beweisen sein.“

Der SWR-Hörfunk zitiert Bundesanwalt Herbert Diemer zum Antrag: „Die Tatsachen, die ermittelt werden sollen, sind bereits aktenkundig im Wesentlichen – und die hat der Nebenkläger auch vorgetragen. Was er vielleicht intendiert hat, ist eine Bewertung dieser Fakten.“ Aber eine Bewertung könne man nicht ermitteln, eine Bewertung müsse man treffen.

Türkischsprachige Artikel zum NSU-Prozess sind noch nicht online verfügbar, ebenso keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 24. Oktober 2013.