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Erst fixiert und dann kaltblütig getötet – das Medienlog vom Donnerstag, 24. Oktober 2013

 

Am 49. Verhandlungstag ging es um den Mord im Jahr 2005 an Mehmet Turgut in Rostock. Dazu sagte ein Kriminalbeamter aus, den viele Medien mit den Worten zitierten: „Das einzige Ziel war zu töten.“ So etwa Mirko Weber in Berliner Zeitung und Stuttgarter Zeitung, sowie die türkischsprachigen Portale TurkishNY und T24.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Gisela Friedrichsen von Spiegel Online geht auf die Aussage des Beamten ein, der sich gefragt hatte, „wieso sich die Täter ausgerechnet diesen Ort ausgesucht haben“. Friedrichsen fragt: „Wieso ‚die‘ Täter?“ Habe ein einzelner Mörder die Tat so begehen können? „Es muss eine regelrechte Hinrichtung gewesen sein.“

Laut Aussage des Beamten lag das Mordopfer schon am Boden, als die Schüsse fielen. Möglicherweise wehrte sich Turgut nicht.

Dass das Opfer fixiert wurde, zweifelt nicht nur der Verteidiger von Ralf Wohlleben an, sondern auch der Anwalt der Familie Turgut, wie Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE ausführt. Das Opfer könne sich demnach auch unter Eindruck der Waffe hingelegt haben.

Der Beamte deutete in der Verhandlung außerdem an, dass die Täter gute Ortskenntnisse gehabt haben müssen. Der Imbiss-Stand liegt in einer abgelegenen Wohngegend. Für die Vermutung, dass die Terroristen ortskundige Helfer hatten, fehlten allerdings die Beweise, schreibt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. „Von dort ist es nicht weit bis zur Autobahn, und der NSU hat die Tatorte zuvor, wie gefundene Notizen und Karten zeigen, offenbar gut ausgespäht.“

Schon einen Monat nach der Tat haben die Kriminalbeamten ein ausländerfeindliches Motiv ausgeschlossen, erwähnt unter anderem Kai Mudra in der WAZ. Das steht auch im Mittelpunkt des Berichts der türkischsprachigen Zeitung Sabah.

Der Bayerische Rundfunk zitiert Yunus Turgut, den Bruder des Ermordeten, der mit einem weiteren Bruder aus der Türkei gekommen ist, um an der Verhandlung teilzunehmen: „Ich will und ich muss glauben, dass das Gericht gründlich arbeitet.“

Terrorismusexperte Holger Schmidt erklärt auf seinem Blog noch mal, wie es zu Verwechslung der Brüder Mehmet und Yunus Turgut kam: Yunus Turgut steht noch als Opfer in der Anklageschrift, jedoch wurde Mehmet Turgut ermordet. Bei der Ausstellung der Ausweise habe ein türkischer Beamter die Namen offenbar verwechselt. Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE schreibt, dass die Brüder die Ausweise vertauscht hätten.

Die Verhandlung in München habe bis jetzt nur geringen Erkenntnisgewinn gebracht, kritisiert René Heilig von der Zeitung Neues Deutschland. Das habe mit „zahlreichen, objektiv wie subjektiv begründeten Ermittlungslücken der Polizei zu tun“, so Heilig. Es sei zu begrüßen, dass sich ab und an Nebenklägeranwälte als Detektive versuchten, jedoch sei das selten ertragreich.

Keine Veröffentlichungen zum NSU-Prozess in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 25. Oktober 2013