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Die Zeugin weiß von nichts – das Medienlog vom Mittwoch, 13. November 2013

 

Die Aussage der Zeugin Silvia S. am 54.Verhandlungstag beschrieben die Medien als zäh. S. hatte Holger G. unter anderem ihre Krankenkassenkarte überlassen, die Beate Zschäpe im Untergrund nutzte. „Silvia S. präsentiert sich als naives Unschuldslamm“, schreiben Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz in der Süddeutschen Zeitung über die Aussage der Zeugin vor Gericht.

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„Kann ein Mensch so naiv sein?“, fragt auch Ann-Kathrin Gerke im Münchner Merkur und beschreibt S. als eine Frau, die keine Fragen stellt. „Nicht über die politischen Ansichten ihrer Bekannten („Politik interessiert mich nicht“), nicht über die Neonazi-Vergangenheit ihres Mannes („Warum auch?“). Und auch nicht über das seltsame Angebot, das ihr Bekannter Holger G. ihr im Jahr 2005 machte: 300 Euro bot er der Frisörin für ihre Krankenkassenkarte.“ Die Zeugin habe vor Gericht beteuert, das es wirklich „ihre Wahrheit“ sei, die sie erzähle. Ob es auch die tatsächliche Wahrheit sei, bleibe zweifelhaft, kommentiert die Autorin.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen oder wissen, die Aussage erinnere an die sprichwörtlichen drei Affen, kommentieren Mikdat Karaalioğlu und Rahmi Turan in der türkischsprachigen Sabah.

Auf Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle wirkt die Silvia S. oft unkonzentriert. S. habe auch eingeräumt, dass ihr Mann „wahrscheinlich“ in der Skinhead Szene gewesen sei. Mehr könne sie dazu aber nicht sagen.

„Es wird bei der Vernehmung der Zeugin nicht ganz klar, ob sie die Fragen des Richters tatsächlich nicht versteht oder einfach nicht verstehen will“, kommentiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Vielleicht falle es S. aber auch nur schwer zuzugeben, dass sie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe geholfen hat ein normales Leben zu führen. Das Resümee der Autorin: Die Befragung habe den Prozess nicht vorangebracht.

„S. ist keine Unbeteiligte, die durch Zufall in das Verfahren hineingezogen wurde. Sie hat sich hineinziehen lassen, als sie die Krankenkassenkarte ihrem Bekannten Holger G. für 300 Euro verkaufte“, stellt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE fest. Auch er schreibt, dass in der Vernehmung nicht klar geworden sei, ob S. wirklich unkritisch sei oder ihre Tat herunterspiele. Der Verdacht gegen die Zeugin wiege schwer: „Akzeptierte sie das ungewöhnliche Angebot von Holger G., weil sie mit der rechten Szene sympathisierte?“, fragt Sundermann.

Immer wieder würden im NSU-Prozess Zeugen aussagen, die behaupten, sich nicht gewundert und nichts hinterfragt zu haben, schreibt Linda Wurster auf Focus Online. Der Mitangeklagte Carsten S. etwa, habe sich nicht gefragt, wofür die Waffe verwendet werden soll, die er besorgen sollte. Die Zeugin Silvia S. treibe dieses Spiel (des Nicht-Sagens) nach Ansicht der Autorin auf die Spitze. Sie kommentiert: „Was Silvia S. an diesem 54. Verhandlungstag vor Gericht macht, schrammt haarscharf an einer Aussageverweigerung vorbei.“

Eigentlich sollte Uwe Böhnhardts Mutter am 54. Verhandlungstag aussagen. Die Vernehmung wurde auf den 19. November verschoben.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 15. November 2013.