„Ich kann gegen die Frau Zschäpe nichts Schlechtes sagen“, sagte eine Nachbarin am 56. Verhandlungstag über die Hauptangeklagte. Die ersten Charaktereigenschaften die der Zeugin zu Zschäpe einfielen seien nett, hilfsbereit und freundlich, schreibt Julia Jüttner auf Spiegel Online.
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Jüttner beobachtet zudem Zschäpes Reaktion: Sie scheine sich über die ehemaligen Aussagen ihrer Nachbarin zu amüsieren. „Einmal, als sich Katrin F. im tiefsten Sächsisch verheddert („Die haben alle so hochdeutschmäßig gesprochen“), schlägt Zschäpe gar vor Lachen beide Hände vors Gesicht.“
Die Zeugin habe sich gut ans gemeinsame Wäscheaufhängen mit Lisa Dienelt, alias Beate Zschäpe, erinnert. Wenn Richter Götzl sie jedoch mit ihren Aussagen aus der Polizeivernehmung konfrontierte, war plötzlich alles ganz lange her, beschreibt Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk die Vernehmung. Mit der Wahrheit hätten Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten oft Schwierigkeiten, was sich schon in den vergangenen Verhandlungstagen gezeigt hätte. „Das Gericht wird sich überlegen müssen, wie es damit künftig umgeht“, kommentiert Aßmann. Denn wenn sich die Zeugen immer wieder nicht daran erinnern könnten, was sie bei der Polizei ausgesagt hätten, müssten zusätzlich die Vernehmungsbeamten vorgeladen werden. Das wiederum würde die Beweisaufnahme zusätzlich verlängern.
Weniger als ein Jahr war die Zeugin Nachbarin von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. „Obwohl das eine kurze Zeit ist und schon lange her, scheint die Zeugin immer noch so eingenommen zu sein von Zschäpe, dass sie sich am Donnerstag im Oberlandesgericht München sogar dem Verdacht aussetzt, zu lügen“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel. Ihre Aussage wirke bizarr. Sobald der Staatsanwalt auf das Thema Waffen zu sprechen kam, hätte sich die Zeugin nicht mehr genau erinnern können. Obwohl sie damals ein Vernehmungsprotokoll unterschrieben habe, in dem es auf anderthalb Seiten um das Thema Waffen ging.
Trotz aller Offenherzigkeit habe sich Zschäpe nicht so recht in die Karten schauen lassen, schreibt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE. Von privaten Angelegenheiten habe sie laut Zeugen nicht gesprochen. Das nahezu perfekte Bild Zschäpes habe jedoch Risse bekommen, als das Gerücht herumging, dass die Nachbarin ausländerfeindlich sei. Etwa habe sich der Bruder des einen Nachbarn nicht getraut, seine vietnamesische Frau mitzubringen.
Stefan Geiger von der Frankfurter Rundschau hat mit dem Anwalt Jens Raabe gesprochen. Er vertritt im NSU-Prozess die Nebenklägerin Semiya Şimşek, deren Vater im Jahr 2000 erschossen wurde. Für Raabe zeichne sich immer deutlicher ab, dass Zschäpe innerhalb des Trios eine starke und wichtige Rolle eingenommen habe, vielleicht sogar eine dominante, sagt er im Interview. Der Beamte, der im Mordfall Şimşek ermittelt hatte, habe vor Gericht zugegeben, dass alle Spuren falsch waren, doch leider würden sich nicht alle Ermittler so klar zu ihren Fehler bekennen.
Eine kurze Meldung zum Verhandlungstag auch in der türkischen Sabah und Hürriyet. Keine Berichte jedoch in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 18. November 2013.