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Andreas T. und der Zufall – das Medienlog vom Dienstag 3. Dezember 2013

 

Die heutige Zeugenaussage des ehemaligen Verfassungsschützers Andreas T. nehmen die Medien zum Anlass, um sich noch einmal ausführlicher mit dessen Rolle zu beschäftigen. T. war am 6. April 2006 Kunde im Internetcafé von Halit Yozgat – zu der Zeit als der 21-jährige Yozgat von den mutmaßlichen Rechtsterroristen erschossen wurde. Am 41. Prozesstag wurde er schon einmal als Zeuge vernommen und blieb bei seiner Version, dass er nichts von dem Mord mitbekommen habe. Er muss laut zeitlicher Rekonstruktion das Internetcafé kurz nach den Schüssen verlassen haben. T. gab an, die Leiche hinter dem Tresen nicht gesehen zu haben, außerdem habe er von dem Mord erst später aus der Zeitung erfahren.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl nehme T. diese „Unbedarftheit“ als Zeuge nicht ab, erklärte OLG-Sprecherin Andrea Titz. Autorin Heike Borufka zitiert die Sprecherin im Hessischen Rundfunk: Der Richter habe „klar gemacht, dass es zumindest schwer nachvollziehbar ist, was der Zeuge da geschildert hat„.

„Herr Zufall vor Gericht“, titelt die türkischsprachige Zeitung Sabah. Autor Ismail Erel vermutet, dass T. am heutigen Gerichtstag von den Nebenklage-Verteidigern in die Zange genommen wird. Diese werden T. voraussichtlich noch einmal fragen, ob er die Leiche des am Boden liegenden Halit Yozgat gesehen habe, schreibt Erel. Außerdem werde es um das Telefonat gehen, dass T. mit dem von ihm geführten V-Mann Benjamin G. kurz nach dem Mord geführt hat. Die wichtigste Frage dabei sei, ob es zwischen diesem Telefongespräch und dem Mord einen Zusammenhang gibt.

Die Befragung T.s im NSU-Untersuchungsausschuss im September 2012, fasst Patrick Gensing auf dem Blog Publikative.org zusammen.

Im selben Blogeintrag ist noch einmal die ARD-Sendung Panorama zum Thema zu sehen. Die Autoren Anke Hunold und Anna Orth sprachen im Sommer 2012 mit Andreas T. und seiner Frau Eva T. und betrachten den Fall in der Sendung aus der Perspektive der Familie T. „Wenn es zu viel Zufall ist, wer schenkt mir dann noch Glauben?“ fragen die Autoren.

Andreas T. und Eva T. wehren sich in der Sendung gegen die Verdächtigungen von Polizei und Medien. Zum einen gegen den Verdacht, dass T. doch etwas gesehen oder gehört habe und zum anderen dagegen, dass T. eine rechte Gesinnung habe. Denn unter anderem fanden die Ermittler bei einer Durchsuchung Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ auf dem Dachboden. T. gibt im Interview zu, als junger Mann „rechte Sprüche nachgeplappert“ zu haben – für T. eine Jugendsünde. Die Autorinnen resümieren: „Andreas T. ist kein Nazi, aber der Zufall will, dass alles mit allem zusammen zu passen scheint.“ Die Ermittler hätten den Fall durchleuchtet und keine Beweise für eine Verstrickung T.s in den Mord gefunden.

Autor Wolf Wetzel dagegen glaubt nicht an Zufälle: Vielmehr wirft er den Behörden in der Jungen Welt mangelnde Bereitschaft an der Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat vor. Der „Behördenwirrwarr“ sei eine Legende. Vielmehr wären bei der Verwischung von Spuren und Vernichtung von Beweisen alle Behörden beteiligt gewesen und würden bis heute an einem Strang ziehen: „Von der Polizei über den Verfassungsschutz bis hin zum hessischen Innenministerium und dem Generalbundesanwalt“, sagte Wetzel. Der Autor begründet diese These unter anderem mit der nicht erteilten Ausnahmegenehmigung für den von T. geführten V-Mann und Neonazi. Die Amtshilfe sei zuerst vom Chef des hessischen Verfassungsschutzes und später vom damaligen hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) abgelehnt worden. Begründung: Die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutzes würde dadurch erschwert.

Wetzel kommentiert: „Beschützt, gedeckt und abgeschirmt, werden die Ermittlungen gegen den VS-Mann T. im Januar 2007 eingestellt. Eine Meisterleistung in Sachen Behinderung der Aufklärung und des Verschwindenlassens von taterheblichen Beweismitteln.“ Für den Autor lässt dieses Verhalten nur einen Schluss zu: „Hätte der als V-Mann geführte Neonazi weder etwas mit dem Mord an dem Internetcafébesitzer zu tun noch mit dem NSU, wäre er als Entlastungszeuge des in Nöten geratenen VS-Mitarbeiters T. aufgerufen worden. Gefährden kann dieser Neonazi den hessischen Verfassungsschutz nur, wenn er eine Verbindung zu dem Mord und zu den Mördern herstellen kann.“

Keine Berichte in englischsprachige Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 4. Dezember 2013.