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Die NSU-Familie – das Medienlog vom Donnerstag, 12. Dezember 2013

 

Auf der Insel Fehman im August 2011 haben Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe viel Zeit mir ihren Campingnachbarn verbracht. Drei der Urlaubsbekanntschaften sagten am 68. Prozesstag vor Gericht aus. Die Zeugen hätten sich noch an viele Details erinnern können, schreibt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Etwa daran, dass Zschäpe ihre beiden Begleiter regelrecht „bemuttert“ habe, die drei gemeinsam bezahlt hätten. Zschäpe habe den Geldbeutel gehabt.

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„Die Verteidiger der Hauptangeklagten werden an diesem Punkt ganz bestimmt auf die Aussage eines weiteren Campingurlaubers Wert legen“, vermutet Arnowski. „Der erzählte zwar auch von der gemeinsamen Urlaubskasse in Händen von Beate Zschäpe, aber eben auch, dass bei einem Ausflug jeder drei Geld dabei gehabt habe.“ (Vgl. Medienlog vom 27. November 2013)

Gisela Friedrichsen kommentiert die Aussagen der Zeugen auf Spiegel Online: „Es fügt sich Stein an Stein. Böhnhardt, der nicht gern mit Fremden sprach; Mundlos, der Eloquente, der zumindest in den Ferien die Gesellschaft anderer Leute suchte; Liese, die die Urlaubskasse verwaltete. Ein Trio, das sich „offen“ gab, aber keineswegs offen war.“

Die Zeugin beschreibe Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe als Familie und dies komme der Bundesanwaltschaft gelegen, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Er zitiert aus der Anklage: Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätten sich nach dem gemeinsamen Gang in den Untergrund 1998 zu einem „fest organisierten Verband“ zusammengeschlossen, „ohne dass einem der drei eine Anführerrolle zukam“. Die Aussagen der Urlaubsbekanntschaften schienen zudem den Anklagevorwurf zu stützen, Zschäpe habe das bei den Raubüberfällen von Mundlos und Böhnhardt erbeutete Geld verwaltet, schreibt Jansen.

Ähnlich sieht das Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Der Bootshändler Mario G. habe zudem ausgesagt, er hätte Zschäpe als dominant empfunden. Das sei für die Ankläger ein weiteres Puzzlestück. „Gäbe es nur die Aussage von Mario G., müsste man sich fragen, was der kurze Eindruck eines Motor-Machos bringen soll. Doch Wahrnehmungen anderer Zeugen deuten ebenfalls darauf hin, dass Zschäpe recht selbstbewusst durchs Leben ging“, analysiert Schultz.

Rahmi Turan beschreibt in der türkischsprachigen Sabah ebenfalls die Aussage G.s: Zschäpe habe sich „wie ein Mann“ verhalten. Zu einem Freund habe er nach der Reparatur gesagt, dass er Zschäpe nicht als Ehefrau haben wolle.

„Wer ist hier Zeuge, wer Angeklagter?“, titelt die Stuttgarter Zeitung. Stefan Geiger kritisiert in seinem Text den Umgang mit den Zeugen in dieser Woche. Sie würden unterschiedlich behandelt. Der Autor deutet an, dass dies mit deren gesellschaftlichen Stellung zusammenhänge. Am Dienstag etwa habe Patrick K., ein Nachbar aus Zwickau ausgesagt und Zschäpe als freundlich und hilfsbereit beschrieben. Das hätten auch schon andere vor ihm getan. „Aber wenn man der Bundesanwaltschaft an diesem Tag zuhört, wie sie Patrick K. anfährt, ihm die Glaubwürdigkeit abspricht, ihm droht, dann ist nicht mehr so ganz klar, ob er in diesem Verfahren angeklagt ist oder immer noch Beate Zschäpe und die vier, die mit ihr auf der Anklagebank sitzen“, kritisiert Geiger. Richter Manfred Götzl schütze den Zeugen nicht.

Ein anderer Zeuge am selben Tag habe sich ebenfalls in Widersprüche verstrickt, sei von Götzl jedoch freundlich behandelt worden. Der Unterschied zu Patrick K.: Der Zeuge wisse sich auszudrücken und gehöre nicht der Unterschicht an, schreibt Geiger. Auch die Urlaubsbekanntschaften hätten Zschäpe als nett und hilfsbereit beschrieben. „Niemand im Münchner Gerichtssaal behauptet deshalb, diese Zeugen aus der Mittelschicht wollten Zschäpe schonen“, schreibt Geiger. Zum Vergleich erinnert Geiger an die Aussage der Nachbarin von Dienstag, die sagte, sie habe andere Sorgen: Ein naher Angehöriger sei gestorben, sie habe einen Herzinfarkt und es gebe den Vorwurf, der leibliche Vater habe ihre Tochter missbraucht. „‚Trotzdem müssen Sie hier die Wahrheit sagen‘, antwortet spontan die Anwältin. Kein Augenblick des Innehaltens im Gerichtssaal“, berichtet Geiger.

Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 13. Dezember 2013