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„Stück dunkle deutsche Zeitgeschichte“ – das Medienlog vom Montag, 23. Dezember 2013

 

Am vergangenen Freitag wurde die Video-Vernehmung von Beate Zschäpes ehemaliger Nachbarin nach wenigen Minuten abgebrochen, weil die Zeugin desorientiert gewirkt hatte. Es war der letzte Verhandlungstag in diesem Jahr, der NSU-Prozess wird am 8. Januar 2014 fortgesetzt. Frank Jansen blickt im Tagesspiegel auf das Jahr zurück und kommt zu dem Schluss, dass unter anderem der NSU-Prozess dafür gesorgt hat, dass das Thema Rechtsextremismus im Jahr 2013 „eine Aufmerksamkeit erfahren hat, wie es sie in der Bundesrepublik selten gab“.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Den Ablauf der Verhandlung beschreibt Jansen mit drastischen Worten. „Die Fotos der Toten, die bitteren Aussagen der Angehörigen, gequält durch den Verlust eines Vaters, Bruders, Sohnes und durch die stigmatisierenden Ermittlungen der Polizei, dann noch die Äußerungen mancher Zeugen, die für die Opfer wenig Mitleid empfinden, aber Zschäpe ausdrücklich als nett und kinderlieb beschreiben – was sich am Oberlandesgericht München in den vergangenen acht Monaten abgespielt hat, ist ein Stück dunkle deutsche Zeitgeschichte„, so der Autor im Tagesspiegel.

Per Hinrichs beschäftigt sich in der Welt am Sonntag mit den Eltern der mutmaßlichen NSU-Terroristen. „Wenn Kinder zu Terroristen werden, stellt das ihre Familien vor beinahe unlösbare Probleme“, schreibt er. „Halten sie weiter zu ihren Töchtern und Söhnen, gelten sie schnell als Sympathisanten der Tat, verblendet durch übertriebene Liebe und ignorant dem Schicksal der Opfer gegenüber.“

Zu einem Bruch mit den Kindern käme es selten, vielmehr könnten Eltern nur langsam die Erkenntnis an sich heranlassen, dass das eigene Kind ein Mörder ist. Hinrichs vergleicht das Schicksal der Familien von Mitgliedern des NSU mit denen der Roten-Armee-Fraktion (RAF).  Es gäbe viele Gemeinsamkeiten in der Trauer und Verarbeitung, doch auch einen wichtigen Unterschied: „Die politischen Motive der RAF waren zumindest in ihrer Entstehungsphase für viele Menschen nachvollziehbar, jedenfalls als es nur um Brandanschläge auf Kaufhäuser ging und noch keine Repräsentanten des Staates hingerichtet wurden. Es gab ‚Sympathisanten‘, und die Ablehnung etwa des Vietnamkrieges war weit verbreitet. Die rassistische Ideologie des NSU aber, die neun Leben von Migranten vernichtete, trifft heute im Grunde überall auf Verachtung und Ekel.“

Keine Berichte in englisch- und türkischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 24. Dezember 2013.