Den Aufschlag des Tages bildete ein Bericht über die angeblichen YouTube-Vorlieben von Beate Zschäpe. Die Bundesanwaltschaft habe bei dem Internetkonzern ihren Nutzerverlauf angefordert, um ihn auszuwerten, berichtete die Bild, der Verlauf liege dem Blatt vor. Zschäpe habe sich Filmbeiträge über den Mordfall der Polizistin Michele Kiesewetter angesehen, aber auch rechtsradikale Clips und eine größere Zahl Pornos. Doch ob das stimmt?
Viele Medien griffen den Bild-Bericht auf, fragten aber bei der Bundesanwaltschaft nach. Die ließ wissen, auf Anfrage in den USA habe man „lediglich die Auskunft erhalten, es lägen keine Verkehrsdaten zu dem Konto vor“, berichtet unter anderem die FAZ.
Die Bild-Zeitung, die sonst keine Rolle im Verfahren gegen den NSU spielt, sei am Mittwoch plötzlich begehrt gewesen im Gerichtssaal, schreibt Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung. Auch Zschäpes Anwälte hätten sie sich besorgt, am Nachmittag hätten Anwalt Grasel und Zschäpe sie intensiv studiert. Ramelsberger hält die Daten für echt und schreibt, sie seien verräterisch: Denn Zschäpes Nutzungsverhalten lasse Rückschlüsse darauf zu, dass sie sich bis 2011 nicht vom Rechtsextremismus abgewandt hatte. Allerdings: Woher die YouTube-Daten letztlich kamen, die es angeblich nicht gab, prüfe die Bundesanwaltschaft noch.
Das YouTube-Thema überlagerte in den Berichten die Vernehmung eines Zeugen, der zum Thüringer Heimatschutz gehörte. Mario B. habe versucht, die Rolle von Zschäpe im NSU kleinzureden, schreibt Ramelsberger. Er hätte ihr keine „tiefergehende Vertrauensstellung“ zu Mundlos und Böhnhardt zugetraut. Sie habe nicht nach oben gestrebt.
Rechtsextremer Zeuge mit Arroganz
B. sei ein rechtsextremer Zeuge mit einer Arroganz, die kaum zu übertreffen sein dürfte, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Schon auf die Frage nach seinen Personalien habe Mario B. in herablassendem Ton nur unvollständig geantwortet. Auf eine Ermahnung des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl entgegnete er höhnisch: „Beruhigen Sie sich mal.“ Der „szeneuntypisch wie ein Geschäftsmann im dunkelblauen Anzug und mit Krawatte auftretende Zeuge präsentierte ungeniert seine krude Gesinnung. In der selbst die NPD als zu lasch gilt“. Ähnlich unverschämt wirkte der Zeuge auf Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk.
Seine Schilderungen zu den mutmaßlichen NSU-Todesschützen Mundlos und Böhnhardt hätten streckenweise wie Nachrufe geklungen, schreibt Spiegel Online: „Mundlos habe viel gelacht und viel geredet, sodass er dessen Nachnamen zunächst für einen Spitznamen gehalten habe.“ Über Böhnhardt, den bisher fast alle Zeugen als reizbar und cholerisch schilderten, habe der Zeuge gesagt, der sei ein „angenehmer Zeitgeselle“ gewesen.
Dem heute bürgerlich auftretenden B. sei der Jargon des neo-nationalsozialistischen Agitators „sehr flüssig von den Lippen“ gekommen, schreibt das Blog NSU-Nebenklage in einer Tageszusammenfassung. Durch sein bisheriges Verhalten sei der Zeuge insgesamt vollkommen unglaubwürdig.
Frank Jansen vom Tagesspiegel beleuchtet auch die lauten Partys, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in einer Wohnung in Chemnitz gefeiert haben sollen – in dem Haus Wolgograder Allee 76 in Chemnitz, in dem Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe laut Anklage von April 1999 bis Juli oder August 2000 gelebt haben. Die Wohnung unter dem Dach soll der mitangeklagte Rechtsextremist André E. gemietet haben. Das Trio hätte auffliegen können, wenn jemand wegen des Lärms die Polizei gerufen hätte. Die drei scheinen sich sicher gefühlt zu haben, schreibt Jansen.
Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 20. Juli 2015