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„Sie war ein gleichberechtigtes Mitglied“ – Medienlog vom Mittwoch, 17. Juli

 

Der Mitangeklagte und mutmaßliche Unterstützer der NSU-Terroristen, Holger G., stand im Mittelpunkt des gestrigen Verhandlungstags und deshalb in den heutigen Medienberichten. Exemplarisch findet man das in der Süddeutschen Zeitung („Sie war auf gleicher Höhe“). Die Kommentatorin in der Jungen Welt bringt die Berichterstattung auf den Punkt: G.´s Angaben sind belastend für Beate Zschäpe.

 An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

G. ist einer der wichtigsten Belastungszeugen der Bundesanwaltschaft gegen die Angeklagten, allen voran gegen Beate Zschäpe, schreibt Lisa Caspari auf ZEIT ONLINE. Frank Jansen im Tagesspiegel sekundiert: G. avanciert zu einer Art Kronzeuge.

Gisela Friedrichsen von Spiegel Online spricht gar von einem „schwarzen Tag“ für Zschäpe. Die vielen Einzelheiten ließen sie in einem ausgesprochen negativen Licht erscheinen, ganz im Sinne der Anklage. So habe G. in den Vernehmungen (er wurde demnach insgesamt fünfmal vernommen) etwa immer von „den Dreien“ oder „dem Trio“ gesprochen.

„Besonders interessant“ findet Per Hinrichs von der Welt die Aussage G.’s zum inneren Gefüge des Trios. Etwa, dass Zschäpe die Finanzen im Griff gehabt habe und gewaltbereit gewesen sei. Der Autor zitiert aus dem Vernehmungsprotokoll: „Sie war nach meiner Meinung gleichberechtigtes Mitglied. Sie hatte schon vorher in unserer Gruppierung eine gleichberechtigte Stellung. Sie war auch nicht der Typ, der sich unterordnen wollte.“ Zschäpe sei wie „eine Ehefrau für zwei Männer“ gewesen.

Für berichtenswert hält Hinrichs eine Beobachtung aus dem Gerichtssaal: Zschäpe habe lange zum Mitangeklagten André E. geschaut, während sich der Richter kurz mit einer Anwältin stritt: „Andre E. erwidert unterdessen Zschäpes Blick, und so sehen sie sich in die Augen, die mutmaßliche Terroristin und ihr mutmaßlicher Unterstützer“, schreibt der Autor.

Mit der Rolle von G. befasst sich Mirko Weber. Seine Berichte für die Frankfurter Rundschau und die Berliner-Zeitung charakterisieren G. als einen „nützlichen Idiot“ („Sie pfiffen, er parierte“). Die Autoren der taz halten ihn für einen „äußerst hilfsbereiten Aussteiger„.

„Von der rechten Szene wendete er sich ab – von dem Terror-Trio nicht“, schreibt Jasmin Menrad in der Regionalzeitung Schwarzwälder Bote. Dass zehn Menschen gestorben seien, habe Zschäpe ihm nicht gesagt. Nach Ansicht der Autorin wollte G. das auch nicht wissen, denn er hätte nur alten Freunden einen Gefallen getan.

Phantom-Journalisten: Mit einem bemerkenswerten Randphänomen beschäftigt sich Holger Schmidt. Für den SWR hat er beim Münchner Gericht nachgefragt, wie viele für den Prozess akkreditierte Journalisten ihre Presseausweise eigentlich noch nicht abgeholt haben. Fazit: 240 Ausweise liegen noch auf der Pressestelle. Mit diesen Ausweisen können die Journalisten aus dem Gericht berichten, sofern Plätze im Zuschauerraum frei sind. Schmidt zufolge haben es aber 240 noch nicht einmal versucht.

Über die Gründe für das mangelnde Interesse ließe sich nur spekulieren, schreibt Schmidt. Manche Kollegen arbeiteten für ausländische Medien, manche Verlagshäuser hätten sich mit mehreren Redaktionen akkreditiert, um ihre Chancen bei der Verlosung zu erhöhen.

In türkischsprachigen Online-Portalen wurden ebenfalls Berichte zum Prozesstag veröffentlicht und die Angaben von G. zusammengefasst. So etwa auf dem Portal TurkishNY und bursada bugün. Auch hier steht die Rolle Zschäpes im Vordergrund, etwa, dass sie die Finanzen verwaltete.

Keine Berichte in den englischsprachigen Onlinemedien.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, den 18. Juli.