In den Berichten über den 38. Prozesstag ging es vor allem um die Aussage des Geschäftspartners des in München ermordeten Theodoros Boulgarides. Annette Rammelsberger von der Süddeutschen Zeitung gibt diesen Auszug aus dessen Befragung wieder: „‚Können Sie etwas über die Folgen der Tat für die Familie berichten?‘, fragt Richter Manfred Götzl. Der Geschäftspartner ist Bayer, Kaufhausdetektiv. Ein wortkarger, fast lakonischer Mann. Er sagt nur: ‚Die totale Zerstörung. Und nicht nur für die Angehörigen.'“
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Der Zeuge habe laut Rammelsberger seine monatelangen Aussagen bei der Polizei als Schikane beschrieben. Die Autorin resümiert: „Es ist das gleiche Muster wie bei allen Fällen: Die Polizei suchte in der Familie, bei den Geschäftspartnern, aber nie in der rechtsradikalen Szene.“
Auch der Autor Tom Sundermann fand das Verhalten der Ermittler „irritierend“. In seinen Augen werfe der Fall Boulgarides aber noch andere Fragen auf, nämlich die, ob die Täter sich in diesem Fall in der Wahl ihres Opfers geirrt hätten und sie eigentlich jemand anderen treffen wollten. Der Mord sei ein Ausnahmefall, weil alle anderen getöteten Migranten türkischer Abstammung gewesen seien. Boulgarides sei jedoch öfter mit einem Türken verwechselt worden. (ZEIT ONLINE: Ein Mord ohne Plan?)
Ähnlich der Gedankengang von Julia Jüttner auf Spiegel Online: „War der Mord an Theodoros Boulgarides gar Folge einer Verwechslung? Womöglich hielten sie den gebürtigen Griechen für einen Türken“, schreibt sie in ihrem Artikel Die totale Zerstörung.
Wie der NSU seine Opfer auswählte, fragt auch Claudia Wagnerin in der Jungen Welt. Die Zeugenaussage mache aber noch etwas anderes deutlich, nämlich „wie unwahrscheinlich es ist, dass drei Neonazis, die damals im sächsischen Zwickau gelebt haben sollen, von sich aus und ohne lokale Helfer auf dieses Geschäft gekommen sein sollen.“
Ein weiteres Thema am 38. Prozesstag war der Brand in der Zwickauer Wohnung, in der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeinsam mit Beate Zschäpe gelebt hatten. Bemerkenswert findet Frank Jansen vom Tagesspiegel den Ausweis für eine Bibliothek in Hannover, den die Ermittler im Schutt fanden und der auf Beate Zschäpe ausgestellt war. Für Jansen ein Hinweis, dass sich Zschäpe während ihrer Zeit im Untergrund länger in Hannover aufgehalten hat als bislang bekannt. Der Autor zieht folgenden Schluss: „Sollte Zschäpe mit falschem Namen mehrfach in Hannover Bücher ausgeliehen haben, hätte der im nahen Lauenau wohnende Mitangeklagte Holger G. in seinem Geständnis womöglich einige Besuche der Frau verschwiegen.“
Die Tatsache, dass der Bibliotheksausweis im Schutt gefunden wurde, löst für Jüttner (Spiegel Online) ebenfalls viele Fragen aus: „Standen sich G. und Zschäpe womöglich näher als bisher bekannt? Hielt sich Zschäpe vielleicht länger in der Region Hannover auf? Weigert sich Holger G. deshalb so beharrlich, Fragen des Gerichts zu beantworten?“
Um den Brand geht es unter anderem auch in dem Bericht von Kai Mudra für die Thüringer Allgemeine: Erneut sei es dem Gericht nicht gelungen, den Auslöser für das Feuer und die Explosion in der Zwickauer Frühlingsstraße zu klären. „Der Nachweis eines Brandauslösers ist für das Gerichtsverfahren wichtig, ist doch Beate Zschäpe unter anderem wegen Brandstiftung im besonders schweren Fall angeklagt“, schreibt er.
Auf dem türkischen Nachrichten-Portal Rota Haber wurde ebenfalls ein Bericht über den Prozesstag veröffentlicht. Unter anderem wird in dem Artikel erwähnt, dass die Ermittler im Schutt des Zwickauer Hauses Zeitungsartikel über die Morde und den Bombenanschlag in Köln fanden. Für die Nebenkläger weise die Tatsache, dass die aufgefunden Artikel aus lokalen Zeitungen stammen, darauf hin, dass der NSU Helfer in der Nähe der Tatorte gehabt hat.
Nach wie vor sind keine Artikel zum NSU-Prozess in englischsprachigen Onlinemedien erschienen.
Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 26. September 2013.