Am 50. Verhandlungstag haben Sachverständige zum Mord an Ismail Yaşar ausgesagt. Außerdem ging es um drei weitere Tatkomplexe: den Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße, um das Bekennervideo und um die Tatwaffe. Der Prozesstag wurde jedoch wegen Streitereien zwischen Gericht und Verteidigung vorzeitig unterbrochen.
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Der Prozesstag begann mit einer Panne: Der BKA-Experte, der zur Mordwaffe aussagen sollte, sei nur zu fünf der insgesamt neun Termine geladen worden und habe nicht alle Unterlagen dabei gehabt, schreibt Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Anschließend habe der Anwalt der Angeklagten Beate Zschäpe, Wolfgang Stahl, kritisiert, dass ihm die Ausführungen des Sachverständigen unverständlich seien. Der Sachverständige wird ein zweites Mal geladen.
Tom Sundermann ist verärgert über den Fehler des Geschäftsstelle, schließlich soll der Waffengutachter einen der wichtigsten Beweise überhaupt präsentieren, schreibt er auf ZEIT ONLINE. Unverständlich sei auch, warum ein schwergewichtiges Gutachten am Nachmittag eingereiht werde, dafür sei mindestens ein ganzer Tag nötig gewesen. Durch die anschließenden Streitereien sei der entscheidende Satz des Sachverständigen fast untergegangen: „Diese Waffe kam als Einzige für die neun Straftaten infrage.“
Laut Erkenntnis des Sachverständigen schossen die Mörder durch eine Plastiktüte – wie schon zuvor bei den anderen Morden. Gisela Friedrichsen kommentiert auf Spiegel Online: „Das bedeutet für die Anklage: Nicht nur das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe (Tötung aus fremdenfeindlicher Gesinnung), sondern auch das der Heimtücke ist wohl erfüllt, selbst wenn der Angreifer seinem Opfer direkt gegenübergestanden haben sollte.“ Friedrichsen beobachtet zudem die Angeklagte Beate Zschäpe genau: Sie löse während der Verhandlung Kreuzworträtsel und würde den Ausführungen allenfalls gelangweilt folgen.
Frank Jansen führt im Tagesspiegel aus, dass Passanten von einem Projektil hätten getroffen werden können, dass sich nach Aussage eines Polizisten „im Freien verloren“ hatte und nicht gefunden wurde. Besonders gefährdet sei Lutz B. gewesen, ein Professor, der über die Arbeitsbelastung in Kleinbetrieben forschte und deshalb den Imbiss aufsuchen wollte. Er habe von außen in den Container geschaut und da er niemanden gesehen hat, darauf verzichtet, den Container zu betreten.
Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung vermutet, dass erst ein Viertel des Prozesses geschafft ist. Zwar führe Richter Manfred Götzl den Prozess straff, aber die Anklage sei komplex und immer wieder tauchten neue Fragen auf. Zwar hätten sich Nebenkläger und Verteidiger zuletzt zufrieden über die Prozessführung gezeigt, jedoch: „In dieser Woche öffneten sich aber Risse. Viele Nebenkläger nehmen es dem Gericht übel, dass es ablehnte, alte Ermittlungsakten beizuziehen. Der Streit betrifft den ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Andreas T., der sich 2006 in dem Internetcafé aufhielt, in dem ein Opfer des NSU erschossen wurde.“
Mit Andreas T. beschäftigt sich auch die türkischsprachige Tageszeitung Sabah. Mehrere Nebenkläger hatten beantragt, 35 Akten zur Telefonüberwachung in die Verhandlung einzubeziehen. Richter Götzl hatte den Antrag jedoch am Mittwoch abgelehnt, weil die Unterlagen nicht dazu beitragen würden, die den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten aufzuklären. Die Unterlagen könnten jedoch dazu beitragen, aufzuzeigen, ob ein Zusammenhang zwischen T. und den Serienmorden bestünde, schreibt Autor Ismail Erel. T. sei erneut davongekommen. Das Gericht hat noch nicht darüber entschieden, ob T. noch einmal vorgeladen wird.
Wie auch bei den Morden zuvor, wurde im Fall Ismail Yaşar einseitig ermittelt und vor allem nach Verbindungen ins Drogenmilieu gesucht. Die Familie von Yaşar warte daher auf eine Entschuldigung der Polizei, sagt Nebenkläger-Anwalt Mehmet Daimagüler im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 28. Oktober 2013.