Der Rechtsextremist André K. sagte im NSU-Prozess aus. K. war ebenso wie die späteren Mitglieder des NSU in der Jenaer Neonazi-Szene aktiv. Die Gerichtsreporter zeichnen von ihm ein differenziertes Bild und vermuten ein Motiv für seine Auskunftsfreude.
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Gisela Friedrichsen von Spiegel Online beschreibt André K. als einen, der die politischen Strukturen in Deutschland verändern wollte. Seine Auskunftsfreude steige im Laufe des Prozesstages. K. sei „bestimmt kein Intellektueller, aber auch nicht einer jener verdrucksten Zeugen, die sich schwertun mit der Wahrheit und noch schwerer damit, sich an irgendetwas zu erinnern“.
Immer wieder verheddere sich der bisweilen wirr formulierende Zeuge in Ungenauigkeiten, schreibt dagegen Oliver Das Gupta in der Süddeutschen Zeitung. Wenn Richter Götzl nachhake, flüchte er sich in Erinnerungslücken. Eine Wendung gebe es jedoch an diesem Verhandlungstag: Denn K. habe Tino Brandt belastet. Wie sich später herausstellte, ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Brandt hat demnach K. den Auftrag erteilt, über einen Mittelsmann Reisepässe für die Untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe zu beschaffen. Die Pässe habe K. bekommen, allerdings mit leeren Seiten.
Vielleicht habe K. auch den Angeklagten Ralf Wohlleben schützen wollen, mutmaßt der Autor: „Bislang kursierte nämlich eine andere Version, wie sich die Sache mit den Pässen abgespielt haben soll. Demnach war nicht Brandt, sondern Wohlleben der Auftraggeber.“
„K.’s Aussage stärke den Verdacht, der V-Mann sei in die Hilfe für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe eingebunden gewesen“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel. Wenn der V-Mann vor Gericht aussage, könnten noch mehr „brisante Geschichten“ beleuchtet werden. Jansen schreibt weiter: „Der Tagesspiegel hatte im Dezember 2011, einen Monat nach dem Ende des NSU, aufgedeckt, dass die Behörde über Tino Brandt versucht hatte, den drei Untergetauchten 2.500 D-Mark zukommen zu lassen – in der Hoffnung, sie würden sich mit dem Geld falsche Pässe ausstellen lassen und dann beim Grenzübertritt erwischt.“
In der türkischsprachigen Sabah gibt Rahmi Turan die Aussage André K.’s ausführlich wieder und beschreibt ebenfalls, dass der V-Mann Tino Brandt mit Pässen behilflich war. K. stehe eigentlich ein volles Auskunftsverweigerungsrecht zu, da er selbst beschuldigt ist, erklärt Martin Debes in der WAZ. Dass K. das nicht nutzt, hänge möglicherweise damit zusammen, dass die Generalbundesanwaltschaft das Verfahren gegen K. als „einstellungsreif“ bezeichnet habe, mutmaßt der Autor. „Bestätigt K. hier in München die Aussagen aus den Verhören, so darf er wohl mit mehr Milde rechnen.“
„So fahrig K. wirkt – er achtet akribisch darauf, nicht mehr als das zu verraten, was seit Langem aus den Akten bekannt ist und aus anderen Quellen hervorgeht“, schreibt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE. Sicher habe er mit seinem Anwalt genau besprochen, welche Worte an diesem Tag fallen sollen. Sein Anwalt Dirk Waldschmidt (Vizechef der hessischen NPD) habe K. auch unterbrochen, als er über die Untergetauchten den heiklen Satz sagte: „Man hat dem Staat nicht gegönnt, dass er die drei kriegt.“
Die Aussage lege nahe, dass K. sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht hat, schreibt Sundermann. Nach 1998 habe K. laut eigener Aussage keinen Kontakt mehr zur Gruppe gehabt. Damit wäre das Delikt wohl verjährt.
Keine Berichte in englischsprachigen Onlinemedien.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 25. November 2013.